Test: BMW X3 20d

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Wie das Leben so spielt: Kurz nach der Übernahme des zum Test bestellten BMW X3 20d leuchtete die Motorkontrolllampe. Beim ersten BMW-Händler stadteinwärts wurden wir mit der Bitte, schnell mal den Fehlerspeicher auszulesen, mit dem Hinweis bedacht: „Schnell geht hier mal gar nichts.“ Leider fand sich nicht die Zeit darauf zu warten, bis sich dort jemand erbarmt und die drei Minuten für eine erste Diagnose via Tester erübrigt hätte. Die BMW-Pressestelle war ungleich hilfsbereiter und hielt uns mit einem X3 30d mobil, bis der Vierzylinder nach ein paar Tagen wieder fit war. Somit ergab sich die Chance, beide Motoren im direkten Vergleich zu fahren. Genau das würden wir jedoch nicht allen empfehlen.

Für sich betrachtet gut

Der Vierzylinder-Diesel im X3 20d macht seine Sache für sich betrachtet ganz ausgezeichnet. Obwohl die Maschine nicht mehr die Jüngste ist, bietet sie auch im schweren X3 mehr als nur ausreichende Reserven und fühlt sich deutlich kräftiger an als beispielsweise der nominell ähnlich starke Benziner im Mazda CX-5 mit 194 PS. Dort liegen 258 Nm bei 4000/min an, im BMW-Diesel 400 Nm zwischen 1750 und 2500/min.

Es ist wohl auch dem Zusammenspiel mit der Achtgang-Automatik von ZF zu verdanken, dass der X3 mit dieser Maschine sehr harmonisch motorisiert erscheint. Es wird immer Menschen geben, die mehr fordern, doch mit den hier möglichen Fahrleistungen ist das dann schon klagen auf sehr hohem Niveau. Auch jene Fahrer in der Redaktion, die stets eine möglichst kurze Fahrtdauer anstreben, waren zufrieden.

Dazu trägt auch bei, das BMW den Vierzylinder-Diesel im X3 dick verpackt hat. Er mag minimal lauter sein als im aktuellen 5er, doch störend meldet er sich erst beim Abrufen des gesamten Potenzials. Bei gleichmäßiger Fahrt auf der Landstraße ist das SUV beeindruckend leise und unterscheidet sich schon damit von den beiden Vorgängern. Auch in 1er und 3er ist dieser Motor deutlich lauter.

Kraft aus Raum

Mit dem Sechszylinder ändern sich zwei Dinge grundlegend. Nebensächlich, so merkwürdig das klingen mag, sind die nochmals besseren Fahrleistungen. Sicher, zusätzliche 75 PS und 220 Nm mehr hinterlassen ihre Spuren in den Werksangaben. Doch der Mehrwert des Sechszylinders besteht nur zu einem kleinen Teil daraus, schneller als mit dem Vierzylinder beschleunigen zu können.

Vielmehr ist es die Art und Weise, wie das Auto damit antritt. Der kleine Motor bezieht seine Kraft stets spürbar aus der Aufladung, der große wirkt souveräner, hat spürbar mehr Kraft, die er aus dem Hubraum bezieht. Zu merken ist vor allem daran, dass der Kleine bei einem spontanen Marschbefehl einen winzigen Moment braucht, bis er losstürmt. Der Große zieht sofort an und legt dann nochmals zu. Die Aufladung ist beim Vierzylinder nötig, beim großen wirkt es so, als wenn der Turbolader nur noch etwas Pfeffer in die Kraftbrühe rührt.

Keine Euphonie

Hinzu kommt der viel angenehmere Klang. Der kleine Motor ist hier sorgsam gedämmt, was auch gut so ist. In 1er- und 3er-Reihe hat er schon unter Beweis gestellt, dass er zu Euphonie nicht fähig ist. Die große Maschine tönt mindestens eine Oktave tiefer und liefert über das gesamte Drehzahlband einen Klang ab, der die Frage aufkommen lässt, wessen Idee es eigentlich war, die Sechszylinder bei BMW in nur noch für wenige Menschen bezahlbare Regionen zu schieben.

Nicht nur Traditionalisten werden diesen Einfall nach einer Proberunde im X3 30d ernsthaft infrage stellen. Um es noch deutlicher zu sagen: In der langen Geschichte der Marke gab es sicher manch umstrittene Entscheidung. Den Reihensechser nur noch ganz oben in der Hierarchie anzubieten, war eine von den schlechten Ideen. Denn wenn man sich vom Verbrennungsmotor verabschieden möchte oder auch muss, dann wäre dies ein schöner Abschied, an den man sich möglicherweise irgendwann einmal gern erinnert.

Monetär trennen die beiden Welten. Der X3 20d ist ab 47.600 Euro zu haben, der etwas besser ausgestattete 30d ab 56.400 Euro. Ob er die knapp 9000 Euro mehr wert ist, wird jeder anders beurteilen. Nüchtern betrachtet bietet schon der kleine Motor weit mehr, als man braucht, doch wer kauft in dieser Klasse schon nach rationalen Gesichtspunkten einen X3? Wer zwischen beiden schwankt, sollte sich eine Probefahrt mit dem großen Motor gut überlegen, denn der teure Sechszylinder ist verführerisch – die Aussicht, schlussendlich ihn zu wählen, erscheint reizvoll.

Mehr Bedarf

Der große Motor verbraucht natürlich auch mehr, dies sei an dieser Stelle nicht verschwiegen. Im Test waren es auf der Landstraße zwischen 0,7 bis einen Liter, die sich der Sechszylinder zusätzlich gegönnt hat. Den Vierzylinder haben wir dort mit minimal 5,7 Litern bewegt, im gesamten Schnitt waren es 7 Liter. Beide wären wohl mit einer weniger üppigen Bereifung etwas sparsamer – die Testwagen waren mit 20-Zoll-Felgen und dazu passenden, breiten Reifen versehen. Bei der Abgasnachbehandlung gibt es keine Unterschiede. BMW setzt in beiden auf eine Kombination aus Speicher- und SCR-Kat.

Meine erste Runde in einem X3 ist mir lebhaft in Erinnerung geblieben. Es war ein frühes Modell der ersten Generation, und ich war einigermaßen erschrocken über Verarbeitung, Materialien und vor allem dem scheinbar von jeglicher Federung befreiten Fahrwerk. Davon ist die dritte Generation meilenweit entfernt, was kein Wunder ist, denn inzwischen gibt es ernstzunehmende Konkurrenz. Der X3 muss sich nicht nur ihrer erwehren, sondern auch den internen Gegnern stellen. Der erfolgreiche BMW X1 hat gerade Verstärkung durch den neuen X2 bekommen, der ernsthaft als „Sportler“ vermarktet wird. Beide haben maximal einen Allradantrieb zu bieten, bei dem die Hinterachse bedarfsgerecht zugeschaltet wird. Beim X3 ist es genau andersherum: Dort wird standardmäßig die Hinterachse angetrieben und die vordere nur situationsabhängig mit angetrieben.

Klassenunterschied

Der teure X3 demonstriert in diesem Bereich lässig einen Klassenunterschied. Der X1, den wir vor zwei Jahren in der Redaktion hatten, versetzte im Sportmodus in schnell angegangenen Autobahnkurven, weil diese Abstimmung viel stramm ausgelegt war. Der X3 wird niemals so hart, dass das Auto damit effektiv langsamer wird. Auch er ist bei Bedarf straff, allerdings nie hart, was ihn vom X1 unterscheidet.

Zudem beherrscht er den Komfortmodus besser: Es ist vor allem die mögliche Bandbreite zwischen komfortabel und straff, die, ähnlich wie beim aktuellen 5er, den X3 aus der Masse des Angebots heraushebt. Die Spanne ist nicht ganz so groß wie beim 5er, aber eben auch größer als bei vielen Konkurrenten, die weniger kosten. Dabei federt und dämpft er auch im Komfortmodus verbindlich, der „schiffige“ Eindruck eines DS7 bleibt ihm stets fremd. Der ähnlich große und teure Mercedes GLC ist insgesamt komfortabler ausgelegt als der X3, macht ihm aber bei der gefühlten Fahrdynamik nichts vor – was in diesem Segment nicht jeder als Nachteil empfinden wird. Näher in der grundsätzlichen Sprache der Ausrichtung kommt dem X3 der Audi Q5.

Gut gefallen hat mir auch die Lenkung im X3. Da die Vorderräder nur selten Antriebskraft mit auf die Straße übertragen müssen, agiert sie feinfühliger als im X1. Dort ist sie spürbar gedämpfter, hier bietet sie mehr Rückmeldung, was gerade bei forcierter Fahrweise angenehmer ist.

Zugelegt

Abseits von diesen Überlegungen hat der X3 mit dem Modellwechsel im vergangenen Jahr auch in anderen Bereichen zugelegt. Die Verarbeitung ist besser als zuvor und mit der im Urmodell in keiner Weise mehr zu vergleichen. Auch bei den Materialien investiert BMW sichtbar mehr als in den kleineren Modellen. Mein Kollege Christian meinte zwar, die Konfiguration erinnere ihn an eine Zahnarztpraxis mit Ikea-Möblierung. Doch das lässt sich ja leicht umgehen, BMW bietet eine reiche Auswahl.

Beim Platzangebot ist der Vorteil gegenüber dem rund 30 cm kürzeren X1 nicht ganz so groß wie erwartet, was kaum überrascht: Im X1 ist der Motor quer eingebaut, im X3 längs, was Platz kostet. Von der Raumfülle eines Skoda Kodiaq bleibt er ebenso weit entfernt wie vom Maßanzug eines BMW 3er. Alle drei sind ähnlich lang.

Der Testwagen war mit dem teuren Navigationssystem „Professional“ ausgestattet. Trotz einer großen Funktionsfülle kamen damit alle in der Redaktion recht schnell zurecht. Im Alltag erleichtern ein Drehregler für die Lautstärke und vor allem die fast frei belegbaren Favoritentasten den Umgang sehr. Wer sich einmal an letzteres gewöhnt hat, wird sie in anderen Autos vermissen. Das große Navi ist auch die Voraussetzung für weitere Extras: Das Soundsystem von Harman/Kardon und das Display als Ersatz für das klassische Kombiinstrument lassen sich nur zusammen mit dem teuren Navi ordern.

Letzteres hat nicht in jeder Situation bewährt. Wenn Sonne in einem gewissen Winkel auf das Display scheint, ist nur noch schwer etwas darauf zu erkennen – wobei es dabei zu den weniger schlechten gehört. Das Head-up-Display spiegelt die Informationen in die Frontscheibe und nicht, wie in den kleineren Modellen, auf eine kleine Zusatzscheibe. Es lässt sich auch ohne Navi ordern.

Ans Herz gelegt ...

Ein paar Extras verdienen schon deshalb Erwähnung, weil sie unvermutet teuer sind. Dazu gehört die Klimaautomatik mit drei Zonen für 730 Euro. Viele werden sie schon aus optischen Gründen bevorzugen, denn die Bedieneinheit der serienmäßigen Klimaautomatik mit einer Zone sieht doch ziemlich traurig aus. Jedem Interessenten legen wir die Sportsitze ans Herz, die die Seriensessel hinsichtlich ihrer Bequemlichkeit weit hinter sich lassen. Sie sind in einigen Ausstattungslinien enthalten, wer sie für das Basismodell ordern möchte, muss mindestens eine Stoff-Leder-Kombination mit dazu nehmen – Gesamtpreis dann: 1240 Euro. Trotzdem würden wir mit dem Sparen nicht an diesem Punkt anfangen.

Sinnvoll erscheint uns auch, zumindest die Linie „Advantage“ und das Business-Paket zu wählen. Dann sind Dinge wie Sitzheizung, die Drei-Zonen-Klimaautomatik und das kleine Navigationssystem „Business“ mit dabei. Erweitern würde ich dieses noch um die „Real Time Traffic Information“ für 160 Euro, sodass aktuelle Verkehrsdaten in die Routenberechnung einfließen. Empfehlen können wir auch die adaptiven LED-Scheinwerfer für 1490 Euro, die gerade auf nächtlichen Landstraßen sehr gute Dienste leisten.

... und was nicht

Sparen kann man sich meiner Ansicht den Display-Schlüssel und die Gestiksteuerung. Ersterer wäre mir zu klobig, letztere reagiert für meinen Geschmack zu träge. Natürlich bietet BMW noch viel mehr Schnick-Schnack an, Menschen mit Spieltrieb können diesen mit allerlei Extras befriedigen. Wer der vorgeschlagenen Liste folgt und sich noch eine Metallic-Lackierung gönnt, landet allerdings schon bei knapp 55.000 Euro Listenpreis.

Bei der direkten Konkurrenz aus Deutschland sieht das kaum anders aus, was nichts daran ändert, dass es anderswo deutlich mehr Auto für weniger Geld gibt. Dies freilich war nie anders und hat dem Erfolg bisher nicht geschadet. Der Sechszylinder hebt den ohnehin teuren X3 aus dem eng besetzten Umfeld etwas heraus und ist schon deshalb eine verführerische Idee.

Kosten für Kraftstoff und Überführung hat der Verlag übernommen.