Neue Kameraformen braucht die Welt

Eine Idee für einen Fodeoapparat, der die Bedürfnisse von Fotografen und Filmemachern gleichermaßen vereint, schwirrt durch die Köpfe der Entwickler bei Casio. Zur Hälfte ist die Technik sogar schon auf dem Markt.

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Von
  • Martin Kölling

Eine Idee für einen Fodeoapparat, der die Bedürfnisse von Fotografen und Filmemachern gleichermaßen vereint, schwirrt durch die Köpfe der Entwickler bei Casio. Zur Hälfte ist die Technik sogar schon auf dem Markt.

Dass ich an dieser Stelle gerne die These vertrete, Spiegelreflexkameras seien auf dem Weg zum Nischenprodukt und spiegellosen Systemkameras gehöre die Zukunft, hat mir ja schon wiederholt böse Kommentare und Vorwürfe der Ahnungslosigkeit eingebracht.

Nun gut, mit solchen Vorwürfen kann ich leben. Denn meine jüngsten Tests von Panasonics neuer Lumix GX1 und Sonys Flagschiff, der Nex-7, die nur wegen der Flut in Thailand noch nicht verkauft wird, haben mich in meiner Haltung weiter bestärkt – und Gespräche mit führenden Kameraentwicklern ebenso.

Beide Geräte haben mir extrem viel Spaß gemacht. Meine Canon-Spiegelreflex mit ihren L-Objektiven würde ich jederzeit gegen sie eintauschen. In der "Welt" berichtete ich am vergangenen Wochenende, dass Reiji Seki, der bei Sony die Kameras plant, sich sicher ist, dass diese Systemkameras die Spiegelreflexkameras schon morgen zu dem degradieren werden, was Leica-Kameras heute sind. "Sie werden Spiegelreflexkameras zu einem Nischenprodukt für Profifotografen und reiche Enthusiasten machen."

Auch Michiharu Uematsu, der Entwicklungschef von Sonys Rivalen Panasonic, der 2008 in Kooperation mit Olympus die erste Systemkamera gebaut hat, glaubt das. "In vier bis fünf Jahren werden sie Mainstream sein." In Ostasien stehe die Wachablösung sogar jetzt schon bevor. "2012 werden die Systemkameras in Japan Spiegelreflexkameras überholen", orakelt Sonys Manager Seki.

Dass man das in Europa noch nicht so merkt – der Marktanteil der Systemkameras dümpelt bei zehn Prozent –, liegt meines Erachtens am konservativen Charakter der dortigen Bewohner. Etwas überspitzt gesagt: Gerade in Deutschland wird Qualität noch immer nach Gewicht gemessen – bis zum unwiderlegbaren Beweis des Gegenteils.

Das Abendland muss aufpassen, fotografisch nicht vollends zum Schläferstaat zu werden. Denn die Kameraentwicklung bleibt ja nicht stehen, nur weil in Deutschland viele Menschen zu glauben scheinen, dass man ohne schweres Spiegelreflexsystem nicht vernünftig fotografieren kann.

Alle Hersteller denken über neue Formen nach, die der Ersatz analoger Technik durch Elektronik eigentlich schon lange ermöglicht. Doch komischerweise sind bisher alle Versuche der Neudefinition weitgehend gescheitert. Immer wieder kommen die Hersteller zur Spiegelreflex- oder Leica-ähnlichen Gestalt zurück. Denn die Macht der Gewohnheit lässt die Massen noch immer avantgardistische Experimente verschmähen. Ergonomisch ist das für Fotografen wahrlich kein Verlust. Die neuen spiegellosen sind derart gut zu bedienen, dass ich weit häufiger mit manuellem Fokus und Einstellungen fotografiert habe als mit meiner Spiegelreflexkamera.

Aber Videografen müssen weiter leiden, obwohl die neuen Kameras ja eigentlich als Fodeoapparate angetreten sind. Die Handhabung für Videos ist mit den heutigen Formen im wahrsten Sinne des Worts ermüdend – für die Hand und das Handgelenk. Immerhin ist das Problem erkannt. Pansonics Entwickler verrieten mir, dass sie bei der nächsten, der dritten Generation ihres Spitzenprodukts, der GH3, darüber nachdenken, von der Spiegelreflexform abzuweichen. Mal sehen.

Weiter ist da schon der Pionier der Digitalkameraentwicklung: Casio. Die Firma hat 1995 die erste Digitalkamera mit LCD für den Massenmarkt auf den Markt gebracht. Mit der TR100 hat das Unternehmen nun gezeigt, in welche Richtung es bei Kompaktkameras gehen kann. Für ihre Verschmelzung von Foto- und Videokamera zur meines Erachtens ersten Fodeokamera, die diesen Namen wenigstens von der Grundidee her verdient, wurde das Unternehmen im November mit dem renommierten deutschen iF Produktdesign-Preis ausgezeichnet.

Die Kamera besteht aus einem Bügel und einem schwenkbaren Objektivteil, an dem ein drehbarer Touchscreen angebracht ist (Fotos von meinem Gespräch mit den Entwicklern sind hier zu finden). Die Kamera kann wie eine gewöhnliche Fotokamera, ein Smartphone oder mit 90 Grad zur Seite geklappten Bügel wie eine Videokamera gehalten werden. Man kann sie auch auf den Tisch stellen, in der Brusttasche festklippen oder an den Baum hängen. Nur leider mussten sich die Ingenieure die eigentliche Revolution der Kamerabedienung aus Kostengründen verkneifen, so dass die Bedienung der Kamera – gelinde gesagt – suboptimal ist. Aber ihre Idee ist brillant.

In ihrem Konzeptmodell war nicht nur der Bildschirm berührungsempfindlich, sondern auch der Rahmen. Egal wie man die Kamera hält, soll man durch ein Fingertippen auf den Rahmen die Kamera auslösen können, durch Fingersstreichen lässt sich zoomen. Und wenn der Rahmen in Videoposition ist und die Hand ihn wie einen Camcorder hält, kann man die Aufnahme durch ein leichtes Zusammendrücken der Hand starten und stoppen. Das hat mich überzeugt. (bsc)