FTX-Bankrott: Einige Opfer sollen noch Geld einzahlen

Die Kryptobörse FTX wird nicht auferstehen. So soll die Masse verteilt werden.

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Das Konkursverfahren kostet mehr als eine Milion Dollar. Täglich.

(Bild: photoschmidt/Shutterstock.com)

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Einen Meilenstein hat das Konkursverfahren des im Vorjahr zusammengebrochenen Krypto-Konglomerats FTX erreicht: Gläubigervertreter und Insolvenzverwalter haben sich am Samstag auf einen Plan zur Verteilung der Konkursmasse geeinigt. Er sieht ungleiche Verteilung des vorhandenen Vermögens vor; manche der zirka 1,5 Millionen Gläubiger gehen mehr oder weniger leer aus, andere werden weitgehend entschädigt, und einige werden sogar noch etwas einzahlen wollen.

"Fast vollständig entschädigt" ist allerdings mit doppelter Vorsicht zu genießen. Einerseits wird das am Wechselkurs der jeweiligen Kryptowährungen gegenüber dem US-Dollar zum Stichtag des Konkursantrags (11. November 2022) gemessen, nicht gegenüber dem aktuellen Kurs, der deutlich abweichen kann. Beispielsweise hat sich der Bitcoin-Kurs seither mehr als verdoppelt. Davon haben die FTX-Kunden laut Plan nichts. Andererseits könnten bevorrangte Forderungen der US-Steuerbehörde die Masse aufbrauchen.

Keine Rede ist von einem Ausgleich mit den Gläubigern und einer Wiederaufnahme des Betriebs. Dieser Traum mancher Cryptobros ist ausgeträumt. Jedenfalls wird das Konkursverfahren noch lange dauern und wohl noch mehr als eine Milliarde Dollar kosten. In den drei Monaten von 1. August bis 1. Oktober lagen die bei Gericht eingereichten Rechnungen bei 1,3 Millionen US-Dollar – pro Tag, versteht sich. Das Geflecht aus rund 100 Firmen von FTX und dessen Spekulationsschwester Alameda Research ist schwer zu entflechten, diverse Vermögenswerte sind strittig und/oder nicht liquid. Das Konkursgericht muss den Verteilungsplan noch genehmigen, und einige Gläubiger werden ihn anfechten.

Beispielsweise meinen einige Kunden von FTX.us, also des US-Arms von FTX, es sei unzulässig, in Dollar entschädigt zu werden. Sie verweisen auf Nutzungsbedingungen, die Kunden das unmittelbare Recht an ihren eingelegten Kryptomünzen zusprechen; allerdings ist ein Unternehmen im Konkursverfahren nicht mehr an seine Verträge gebunden. Außerdem hat der Insolvenzverwalter den Großteil der vorhandenen Kryptobestände längst verkauft, die Münzen sind also nicht mehr verfügbar.

Nur Non Fungible Tokens (NFT), die Kunden bei FTX eingelegt haben, dürften in der Regel als NFT an diese Kunden zurückgehen. Der Markt für NFT ist jedoch eingebrochen. Immerhin können deren Eigentümer ihre NFT dann abstoßen, und sei es für nur einen Cent. Durch solch eine Veräußerung entsteht Verlust, den Steuerpflichtige gegebenenfalls gegen Kapitalgewinne aufrechnen können.

Keine Anzeichen enthält der Verteilungsplan, dass der Insolvenzverwalter versucht, einen Batzen Geld von der Kryptobörse Binance zurückzuholen. 2019 investierte Binance in FTX, 2021 kaufte FTX diesen Anteil wieder zurück, zum stattlichen Preis von zirka 2,2 Milliarden US-Dollar. Davon stammten 1,2 Milliarden Dollar illegal aus Kundeneinlagen. Da dieser Rückkauf binnen zweier Jahre vor dem Konkursantrag erfolgt ist, könnte FTX versuchen, dieses Geld zurückzubekommen – entweder, wenn nachweisbar ist, dass FTX zu dem Zeitpunkt bereits überschuldet war, oder wenn der Deal dazu angesetzt war, die Gläubiger zu schädigen.

Da Binance nicht freiwillig mehr als eine Milliarde Dollar zahlen wird, müsste FTX zuerst ein Gerichtsverfahren gewinnen, und dann versuchen, das Geld tatsächlich einzutreiben. Das ist bei Kryptobörsen mit verschleierter Firmenstruktur und Vermögenslage schwierig. Wahrscheinlich deswegen dürfte der Insolvenzverwalter auf diesen Rechtsweg verzichten.

Viel schwerwiegender ist der Disput mit dem US-Finanzamt (Internal Revenue Service, IRS). Dieses sieht 45 Fälle von Steuerschulden seitens FTX samt Alameda Research. Ursprüngliche forderte das IRS fast 44 Milliarden Dollar, den Löwenanteil von Alameda Research. Inzwischen hat es seine Forderung auf 24 Milliarden Dollar reduziert. Da Steuerforderungen Vorrang vor allen anderen Forderungen genießen, würde auch dieser Betrag die Masse ruinieren. Für die Betrugsopfer und andere Gläubiger bliebe nichts.

Der Insolvenzverwalter bestreitet die Forderung des IRS. Er führt aus, dass das FTX-Konglomerat in den drei Jahren seines Betriebs etwa elf Milliarden Dollar Verlust gemacht hat. Daher könne das Finanzamt keinerlei Steuernachzahlungen fordern. Überhaupt erkläre die Behörde nicht, wie sie auf ihre Summe komme. Vielmehr verlange sie, dass FTX nachweist, dass die Schuld nicht besteht – was wieder jahrelange Gerichtsverfahren und entsprechend verzögerte und geringere Ausschüttungen bedeuten würde. Dabei seien bereits über 2.300 Anfragen des IRS nach Dokumenten beantwortet worden.

Allerdings bezieht sich der Großteil der Forderungen nicht auf Steuern auf (nicht vorhandene) Gewinne der Unternehmen, sondern auf angeblich nicht bezahlte Arbeitslosenversicherung, Sozialversicherung und vom Arbeitgeber einzubehaltende Einkommensteuer. Da erhebliche Summen abgezweigt wurden, beispielsweise für luxuriöse Wohnimmobilien, Kredite an Manager und Spenden an Politiker, ordnet das Finanzamt einen Teil dieser Mittel vermutlich als Gehälter ein, und errechnet daraus hohe vorläufige Nachforderungen. Weil die Steuerprüfungen noch nicht abgeschlossen sind, möchte der Insolvenzverwalter eine gerichtliche Schätzung erwirken, möglichst auf null Dollar.

Sollte FTX die Forderungen des US-Finanzamtes abwehren können, möchten Insolvenzverwalter und Gläubigervertreter die Masse wie folgt verteilen: Einige Gläubiger sollen komplett leer ausgehen. Das sind alle Aktionäre, Inhaber anderer FTX-Wertpapiere, alle Gläubiger deren Forderung nicht über zehn US-Dollar liegt, sowie jene, die sich nicht korrekt identifiziert haben (Know Your Customer, KYC). Die Identifizierung kann noch nachgeholt werden, muss aber den ursprünglichen Kunden betreffen; da auch mit Forderungen gegenüber FTX spekuliert wird, reicht es nicht, wenn sich ein Käufer einer solchen Forderungen identifiziert.

Diese Gläubiger stehen so weit hinten in der vorgeschlagenen siebzehnstufigen Rangordnung, dass für sie nichts mehr übrig bleiben wird. Kryptozocker, die die von FTX selbst ausgegebene Kryptowährungen FTT gekauft und in derzeit unzugänglichen FTX-Wallets liegen haben, stehen wenig höher auf Stufe 13. Auch sie sollten sich keine Hoffnung darauf machen, ihre Wetteinsätze wiederzusehen.

Einige Gläubiger könnten sogar noch Geld einzahlen müssen. Das kommt so: Abhebungen kurz vor dem Konkursantrag sind anfechtbar. Das Ende war bereits absehbar, so dass FTX keine Auszahlungen mehr hätte tätigen dürfen. Die Gläubigervertreter haben daher die Forderung gestellt, dass diese Auszahlungen rückgängig gemacht werden. Angesichts Tausender betroffener Kunden wäre das schwierig und teuer abzuwickeln.

Daher enthält der Verteilungsplan ein Vergleichsangebot mit Forderungsverzicht: Jene FTX-Kunden, die in den neun Tagen vor Konkursantrag weniger als umgerechnet 250.000 Dollar abgehoben haben, müssen nichts zurückgeben, wenn sie den Verteilungsplan und alle seine Bedingungen annehmen. Ab 250.000 Dollar Abhebungen (abzüglich etwaiger Einzahlungen in dem Zeitraum) werden 15 Prozent dieses Betrages von noch bestehenden Forderungen abgezogen. Ergibt sich daraus ein negativer Betrag, muss der Kunde die Differenz wieder einzahlen, um nicht Gefahr zu laufen, auf die gesamte Abhebung verklagt zu werden.

Ausgeschlossen von diesem Vergleichsangebot mit Forderungsverzicht sind Manager, andere Insider, Mitarbeiter, Kunden, die ihre Registrierungsdaten geändert haben um eine Abhebung zu ermöglichen, Kunden, die noch Geld bekommen haben obwohl andere Kunden bereits keine Auszahlungen mehr erhielten, und alle jene Personen, die wussten oder hätten wissen müssen, dass FTX Kundengelder nicht sauber von eigenem Vermögen getrennt oder sonst veruntreut hat.

Die vorhandene Masse wird in drei Teile geteilt: Ein Topf aus verbliebenem Vermögen von FTX.com, ein Topf aus verbliebenem Vermögen von FTX.us und ein allgemeiner Topf aus sonstigem Massevermögen. Zunächst müssen die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt werden, die erheblich sind. Eine Prüfinstanz hat bereits bemängelt, dass eingereichte Rechnungen zu hoch sind. Doch selbst nach Korrekturen dürfte in Summe mehr als eine Milliarden Dollar dafür aufgehen.

Abgesehen davon stehen die Ansprüche der US-Steuerbehörde an oberster Stelle der Hackordnung. Ob und wie hoch diese sind, darüber wird, wie gesagt, noch gestritten. Darauf folgen bestimmte Ansprüche einfacher FTX-Mitarbeiter und einige Sonderpositionen. Auf Stufe drei stehen besicherte Forderungen, gefolgt von bestimmten Ansprüchen einzelner FTX-Gesellschaften gegen andere Teile des FTX-Konglomerats. Solche Forderungen von Tochtergesellschaften werden dann für deren Kosten, Steuerforderungen und Gläubiger aufgebraucht.

An fünfter Stelle stehen die Kunden, die ihre Einlagen nicht zurückerhalten haben. Dabei wird zwischen Kunden der internationalen Krypto-Optionenbörse FTX.com und der US-Kryptobörse FTX.us unterschieden. Kunden sollen zunächst aus dem Topf "ihrer" Börse entschädigt werden, wobei es aber keine Entschädigung für die von FTX ausgegebenen Kryptotokens FTT geben soll.

Vorrang genießen kleine Kunden: Wer weniger als zehntausend Dollar unbesichert fordert, soll zuerst ausbezahlt werden. Danach dürften von rund 1,5 Millionen Gläubigern weniger als 200.000 übrig bleiben. Sie müssen Abstriche hinnehmen, denn sie werden anteilig bezahlt, solange die jeweilige Börse Massevermögen hat. Der Insolvenzverwalter schätzt, dass bei FTX.com 8,9 Milliarden Dollar fehlen werden, bei FTX.us 166 Millionen Dollar.

Im nächsten Schritt soll der allgemeine Topf geöffnet werden. Aus ihm würden wiederum nach Konkurskosten und Steuern zunächst kleine Gläubiger mit weniger als 10.000 Dollar unbesicherten Ansprüchen bedient. Vom verbleibenden Rest werden zwei Drittel exklusiv für noch nicht gedeckte Forderungen von FTX-Kunden ausgeschüttet.

Für das letzte Drittel des allgemeinen Topfes zieht der Insolvenzverwalter dann Bilanz. Noch immer nicht gedeckte Forderungen von FTX-Kunden sowie sonstige Forderungen, darunter unbezahlte Rechnungen von Lieferanten und -Dienstleistern, werden aufsummiert. Diese offenen Beträge werden dann zum selben Prozentsatz beglichen, bis alles Geld weg ist.

Zusammengefasst bedeutet dies: Sollte FTX die Forderungen des US-Finanzamts abwehren können, und der Verteilungsplan wie vorgelegt genehmigt werden, dürften größenordnungsmäßig 90 Prozent des Massevermögens (nach Abzug der Kosten des Insolvenzverfahrens und bestimmter Arbeitnehmeransprüche) geschädigten Kunden zu Gute kommen. Nur das restliche Zehntel würde an andere Gläubiger verteilt. Sonderbestimmungen sind für Gläubiger ausgesuchter FTX-Tochterfirmen vorgesehen, beispielsweise jener Gesellschaft, der wertvolle Immobilien auf den Bahamas gehören.

Dass das Geld bald fließt, ist unwahrscheinlich. Da es in Summe um viel geht und kaum jemand mit dem Verteilungsplan zufrieden sein wird, sind ausführliche Streitverfahren vorprogrammiert. Ja, der Verteilungsplan ist ein wichtiger Meilenstein. Doch es wäre eine Überraschung, würden FTX-Kunden am zweiten Jahrestag des FTX-Insolvenzantrags am 11. November 2024 nicht mehr auf ihre Ausschüttung warten müssen.

Nicht jeder hat so langen Atem, was erklärt, warum manche FTX-Gläubiger ihre Forderungen an andere Spekulanten verkaufen. Dafür sind eigene Marktplätze entstanden. Übrigens: Gut möglich ist, dass die US-Finanz von Ausschüttungen an ausländische FTX-Kunden 30 Prozent Quellensteuer einbehält. Wer meint, weniger oder keine Steuer zahlen zu müssen, oder von einem Doppelbesteuerungsabkommen profitieren zu können, müsste dann beim IRS die Erstattung der Differenz beantragen.

(ds)