Gen-Editier-Methode CRISPR: US-Patentamt trifft überraschende Entscheidung

Feng Zhang entwickelte die CRISPR-Technologie nicht als Erster, konnte sich aber durchsetzen gegenüber zwei Forscherinnen, die dafür den Nobelpreis gewannen.

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Gene, DNA
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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

In dem seit knapp zehn Jahren ausgefochtenen Patentstreit um die bahnbrechende Geneditier-Methode CRISPR hat das US-Patentamt eine überraschende Entscheidung getroffen. Es kürte das Broad Institute of MIT and Harvard zum Rechteinhaber der Technologie. Die Begründung: Broad-Forscher Feng Zhang habe als erster den Einsatz der Technologie in eukaryotischen Zellen publiziert, also solche mit einem Zellkern. Dazu gehören auch menschliche Zellen.

Damit gehen nicht nur die eigentlichen Entdeckerinnen der Methode, Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier sowie die University of California in Berkeley (UC Berkeley) als Patenthalterin vorerst leer aus. Auch die Biotech-Unternehmen wie CRISPR Therapeutics und Intellia Therapeutics, die sich eine Berkeley-Lizenz für die Entwicklung von Humantherapien gesichert hatten, müssen nun möglicherweise mit dem Broad Institute neu verhandeln und gegebenenfalls erneut bezahlen. Nur Editas Medicine kann sich freuen, da es eine Exklusivlizenz für CRISPR-Humantherapien vom Broad Institute besitzt. Allerdings wirft die Entscheidung des US-Patentamtes Fragen auf.

Ein kurzer Rückblick: Die beiden Forscherinnen hatten im Juni 2012 in einem wegweisenden Science-Fachartikel als erste beschrieben, wie sich mit CRISPR gezielt DNA zerschneiden lässt. Doudna forschte damals an der University of California Berkeley und Charpentier an der schwedischen Universität Umeå. Bei CRISPR handelt es sich im Grunde um eine molekulare Schere, mit der sich Bakterien gegen eindringende Viren und ringförmige Bakterien-DNA (Plasmide) wehren. Der CRISPR-Komplex besteht vereinfacht gesagt aus dem Enzym Cas9 und einer individuellen RNA-Sequenz. Erkennt die RNA eine korrespondierende Fremdsequenz, schneidet sie das dranhängende Enzym in Stücke.

Gen-Editiermethoden - eine kleiner Einblick (6 Bilder)

Das System aus CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) und der Cas9-Nuklease haben die Molekularbiologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier 2012 entdeckt. Dank seiner einfachen Handhabe und geringer Kosten erlebt die Gentherapie derzeit ein Revival.
(Bild: Text: Inge Wünnenberg; Grafik: Brian Sipple)

Mit ihrer Veröffentlichung legten Doudna und Charpentier den Grundstein für zukünftige Humantherapien, bei denen maßgeschneiderte RNA-Squenzen für DNA-Schnitte sorgen. An diesen Bruchstellen lassen sich dann neue DNA-Abschnitte einfügen oder schadhafte entfernen.

Feng Zhangs erste CRISPR-Publikation erschien hingegen einige Monate nach der von Doudna und Charpentier, und beschrieb in der am 3. Januar 2013 erschienen Ausgabe von Science den ersten Einsatz der Technologie in Maus- und Menschenzellen.

Beide Forschergruppen hatten zuvor bereits US-Patente angemeldet: Doudna mit der UC Berkeley und Charpentier für den CRISPR-Einsatz in allen Zellen, Zhang speziell für höherentwickelte Eukaryotenzellen. Das Patentrennen gewann Zhang, sein später eingereichter aber beschleunigter Antrag wurde Ende 2012 zuerst bewilligt.

Daraufhin wogte jahrelang ein komplizierter Patentstreit hin und her, in dem UC Berkeley wiederholt versuchte, das Broad-Patent für ungültig erklären zu lassen, Zhangs Institut aber immer wieder die Oberhand behielt. So urteilten etwa 2017 Patentrichter, dass die beiden Erfindungen unabhängig voneinander waren, Zhangs Patente also eine ausreichend unterschiedliche Entwicklung repräsentieren.

Das hätte je nach Auslegung bedeutet, dass das Broad Institute die Rechte für den Eukaryoteneinsatz – und damit auch für Humantherapien – besitzt und UC Berkeley nur die übrigbleibenden Einsatzgebiete, oder dass Lizenznehmer sich mit allen Patentinhabern abstimmen müssen.

Die Sachlage wurde zwischenzeitlich noch komplizierter, denn 2019 erhielt die UC Berkeley zusammen mit Charpentiers früherem Arbeitgeber, der Universität Wien, ein weiteres US-Patent, das auch den CRISPR-Einsatz in Eukaryoten abdeckte. Es reichte allerdings nicht dafür, die Broad-Patente invalidieren zu lassen.

Zu guter Letzt versuchten die UC Berkeley und die Universität Wien das Argument ins Feld zu führen, dass Zhangs Versuchserfolg auf einem unzulässigen Vorabzugang zu dem grundlegenden aber noch unveröffentlichten Science-Artikel von Doudna und Charpentier beruhte, wie das Biotech-Nachrichtenportal StatNews schreibt (Paywall).

Gerichtsunterlagen zufolge erhielt ein Kollaborationspartner Zhangs, Luciano Marrafini von der Rockefeller University, das Manuskript als Gutachter und spielte dem Broad-Forscher daraus Schlüsselinformationen über die RNA-Struktur von CRISPR und eine Abbildung zu. Das sei unerlässlich für Zhangs Erfolg gewesen, argumentierten die Anwälte der Universität Wien und von Charpentier (in den Gerichtsunterlagen mit CVC abgekürzt).

Es sollte keine Rolle spielen. Die Richter urteilten trotzdem, dass Zhang das erste funktionierende CRISPR-System für Eukaryoten entwickelt habe. Doudna und Charpentier kündigten an, erneut in Berufung zu gehen. Die Entscheidung des US-Patentamtes "ist überraschend und steht den Entscheidungen von mehr als 30 Ländern sowie der des Nobelpreis-Komitees entgegen, was die Erfindung der CRISPR-Cas9 Genomeditier-Technologie in allen Zelltypen, darunter auch Humanzellen, betrifft", sagte Doudna gegenüber StatNews.

Damit geht der Patentstreit weiter. Doudna und Charpentier bleibt am Ende möglicherweise nur die Genugtuung, dass viele in der Wissenschaftsgemeinde ihre Forschungsarbeiten für die wirklich wegweisenden halten, für die sie 2020 den Chemie-Nobelpreis erhielten. Zhang wurde damals überraschend nicht mitausgezeichnet.

(jle)