Hello SPS! Teil 3: Automatisierungspyramide – wo lebt eine SPS?

Der dritte Teil der Artikelserie zu speicherprogrammierbarer Steuerung zeigt das Umfeld, in dem SPSen mit anderen Automatisierungskomponenten zusammenarbeiten.

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(Bild: Stokkete/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Dr. Michael Stal
Inhaltsverzeichnis

Nachdem im ersten Teil der Artikelserie die Grundlagen zu speicherprogrammierbarer Steuerung (SPS) gelegt und in Teil 2 der praktische Einsatz von SPS besprochen wurde, widmet sich Teil 3 nun abschließend dem Umfeld, in dem SPSen mit anderen Automatisierungskomponenten kooperieren.

In einer Industrieumgebung können Hunderte von SPSen laufen. Jede dieser Steuerungen individuell zu beobachten und zu kontrollieren, wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Es braucht stattdessen einen zentralen Punkt für die Administration der einzelnen Steuerungen.

Der Pragmatische Architekt – Michael Stal

Prof. Dr. Michael Stal arbeitet seit 1991 bei Siemens Technology. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Softwarearchitekturen für große komplexe Systeme (Verteilte Systeme, Cloud Computing, IIoT), Eingebettte Systeme, und Künstliche Intelligenz. Er berät Geschäftsbereiche in Softwarearchitekturfragen und ist für die Architekturausbildung der Senior-Software-Architekten bei Siemens verantwortlich.

Deshalb sind SPSen häufig an SCADA-Systeme angeschlossen. SCADA steht für Supervisory Control and Data Acquisition. Hier handelt es sich um Level-2-Softwaresysteme (Supervisory Level), die unter anderem PLCs beobachten und steuern. SCADA-Systeme sind in der Regel redundant ausgelegt, bieten Sicherheit (Cybersecurity), repräsentieren eine Integrationsplattform und nutzen Datenbanken als Backend-Speicher. Man könnte auch sagen, SCADA-Systeme fungieren als HMI (Human Machine Interface) für mehrere SPSen.

Ein Anwendungsfall wäre der folgende:

  • Eine SPS beobachtet Vibrationen einer Turbine.
  • Sie versendet auf explizite Anfrage diese Information an das SCADA-System.
  • Das SCADA-System stellt fest, dass sich die Turbine in einem kritischen Zustand befindet.
  • Der Benutzer kann daraufhin gegebenenfalls einen Not-Stopp der Turbine über die SCADA-Oberfläche einleiten.

Die Bedienung des SCADA-Systems funktioniert also auch von einem entfernten Standort aus. Wartungstechniker und Administratoren müssen sich nicht unbedingt vor Ort in der Anlage befinden.

Wer eine kostenlose SCADA-Software sucht, die sich gut mit OpenPLC verträgt, sei auf ScadaBR verwiesen, eine freie Java-8-Software, ebenso wie OpenPLC mit brasilianischen Wurzeln, die unter anderem auf Windows und Linux funktioniert. Die Installation von ScadaBR erfordert aus besagtem Grund natürlich eine vorherige Installation von Java 8.

Mit SCADA-Systemen lassen sich SPSen beobachten und kontrollieren. Ein solches System gibt den SPSen eine Mensch-Maschinen-Schnittstelle.

(Bild: ScadaBR)

SPSen verweilen in der Automatisierungspyramide auf Level 1 (Control Level), während die von ihnen gesteuerte Hardware wie Motoren, Schalter, Ventile, Pumpen auf Level 0 (Field Level) residiert.

Die Automatisierungspyramide definiert fünf Automatisierungsebenen, von Sensorik, Aktorik und SPSen ganz unten über SCADA-Systeme und Manufacturing-Execution-Systemen bis hin zu ERP-Systemen wie SAP an der Spitze.

(Bild: RealPARS)

Oberhalb des SCADA-Systems liegt Level 3 als operative Ebene (Planning Level), die zum Beispiel in einer Produktionsanlage die Produktionsprozesse plant und ausführt. Hier finden sich häufig in Manufacturing-Kontexten MES-Systeme (MES = Manufacturing Execution System).

Auf dem obersten Level 4 (Management Level) läuft Geschäftslogik wie etwa ERP-Systeme à la SAP. Diese verbindet die geschäftlichen Aspekte mit den Automatisierungsprozessen.

Das Engineering einer Anlage erfolgt über Engineering-Werkzeuge, wie dem TIA-Portal (Totally Integrated Automation) von Siemens. Diese sind teilweise in der Lage, auch Software und Hardware unterschiedlicher Hersteller zu integrieren, was die Anlagenbetreiber und -ingenieure von Herstellern unabhängig macht.

Aus dem gleichen Grund existiert ein ganzer Blumenstrauß an Protokollen und Standards wie OPC/UA, Modbus, Profinet, Profibus, BacNet (Gebäudeautomatisierung) und viele mehr, die die verschiedenen Layer oder Geräte innerhalb eines Layers miteinander verbinden.

Neben den SCADA-Systemen gibt es noch eine weitere Option. Prozessleitsysteme (PLS) oder Distributed Control Systems (DCS) bestehen aus einer Menge verteilter Controller, die über I/O-Baugruppen direkt an die Anlagenkomponenten beziehungsweise Maschinen und Maschinenteile angeschlossen sind, etwa über Sensoren und Aktoren. Durch diese direkte Anbindung reduzieren sich die Reaktionszeiten im Netzwerk. Der Einsatz einer DCS rentiert sich oft bei sehr großen Anlagen mit kontinuierlichen (kritischen) Prozessen, bei denen der Kontrollraum lokal in der Anlage residiert, und die hohe Anforderungen bezüglich Zuverlässigkeit und (funktionaler) Sicherheit aufweisen.

Prozessleitsysteme sind überwiegend in der Verfahrens- und Prozessindustrie anzutreffen. Beispieldomänen sind: chemische Anlagen, AKWs, Wassermanagement oder Fahrzeugherstellung.

Jeder Controller durchläuft eine Schleife – die Control Loop – und beobachtet die verfahrenstechnischen Abläufe in der Anlage. Eine Kommunikation zwischen Controllern untereinander oder zwischen Controllern und übergeordneten Softwaresystemen basiert auf hochperformanten Verbindungen. Aus Gründen der Fehlertoleranz sind die entsprechenden Kabel an kritischen Stellen oft zweifach vorhanden. Zudem gilt: Fällt ein Controller aus, läuft immer noch der Rest des Systems weiter, was die Zuverlässigkeit zusätzlich steigert. SCADA-Systeme sind im Gegensatz dazu meistens zentral ausgelegt. Fällt das entsprechende System aus, ist häufig die gesamte Anlage nicht mehr betriebsbereit.

Die Prozessoren der I/O-Baugruppen bei einem Prozessleitsystem lesen Information über die Eingänge ein, verarbeiten die Information und entscheiden über diejenigen Kontrollsignale, die sie über ihre Ausgänge nach außen übermitteln, wobei analoge oder digitale Signale vorliegen können. Über sogenannte Setpoint-Controls (Setpoint = Sollwert) kontrollieren die Prozessleitsysteme den Materialfluss in der Anlage. Ein Beispiel hierfür ist ein PID-Controller, der den Durchfluss misst und diesen über ein Kontrollventil regelt. Der Sollwert definiert also den gewünschten Durchfluss und lässt sich von zentralen Computersystemen an den betreffenden Controller übermitteln, der dann für die Einhaltung dieses Durchflusses sorgt. PID steht für Proportional–Integral–Derivative. In PID-Steuerungen untersucht die Software, wie weit sich der gewünschte Wert (Setpoint = Sollwert) vom tatsächlich gemessenen Wert unterscheidet. In einer Kontrollschleife setzt der betreffende Controller so lange Gegenmaßnahmen ein, bis der gemessene Wert nach einer Einschwingphase mit dem Sollwert übereinstimmt.

Zu den Kernkomponenten einer DCS gehören auch grafische Terminals mit verschiedenen Überwachungskomponenten sowie eine Visualisierung der gesamten Anlage. Es integriert zudem Datenbanken, um Informationen zu analysieren und zu speichern. Moderne Prozessleitsysteme unterstützen in der Regel innovative Technologien wie künstliche neuronale Netze oder Fuzzy Logic.

SCADA-Systeme und PLSen haben heutzutage also ähnliche Funktionalität, unterscheiden sich aber in den Anwendungsdomänen.

Auch für ein PLS lässt sich eine Automatisierungspyramide erstellen:

  • Level 0 (Field Level): besteht aus Feldgeräten wie Sensoren, Kontrollventilen …
  • Level 1 (Direct Control): beinhaltet I/O-Baugruppen sowie Controller beziehungsweise Prozessoren.
  • Level 2 (Plant Supervisory): Überwachungscomputer, der die Controller überwacht, aber auch Bedienfenster zur Verfügung stellt.
  • Level 3 (Production Control): überwacht die Produktion und die Zielkomponenten.
  • Level 4 (Production Scheduling): dient der zeitlichen Organisation der Produktion.

Beispiele:

  • Tango (freie DCS-Software, Open Source)
  • Siemens PCS 7 (kommerzielles Produkt)

Eine SPS repräsentiert einen fundamentalen Baustein aller Automatisierungsdomänen wie Gebäudeautomatisierung, Industrieautomatisierung, Energieautomatisierung oder Bahn- und Zugtechnik. Sie erlaubt systemnahe I/O-Operationen mit standardisierten oder proprietären Sprachen. Waren unter dem Begriff SPS in der Vergangenheit herstellerabhängige Hardwarekomponenten gemeint, so existieren inzwischen rein in Software ablaufende Komponenten beziehungsweise Softwarelösungen, die aus preisgünstiger Standardhardware eine SPS machen. Dank der Open-Source-Software OpenPLC erschließt sich dieses Gebiet nun auch denjenigen, die PLCs für eigene Zwecke kennenlernen und nutzen wollen, ohne dafür größere Investitionen tätigen zu müssen.

Wer OpenPLC für eigene Experimente einsetzt, lernt viel dazu und gewinnt tiefere Einblicke in das Thema. Schließlich geht es nicht immer um die Umsetzung von vollständigen Automatisierungslösungen über alle Ebenen der Automatisierungspyramide, auch wenn dies grundsätzlich möglich wäre. Für triviale Probleme bedeutet die Verwendung einer PLC freilich "mit Kanonen auf Spatzen schießen". Sobald etwas komplexere Szenarien ins Spiel kommen, was bei der Heimautomatisierung der Fall ist, spielen SPSen jedoch ihre Stärken aus. Einer meiner früheren Arbeitskollegen steuert sogar seine Modelleisenbahnanlage komplett über Siemens-Simatic-Hardware. Mag ein Overkill sein, macht ihm aber Spaß.

  • Im Internet finden sich nicht nur eine Fülle von Tutorien und Erläuterungen zum Thema SPS oder SPS-Programmiersprachen, sondern auch zahlreiche YouTube-Videos über OpenPLC.
  • Wärmstens ans Herz gelegt seien dabei die Tutorien des OpenPLC-Kanals.
  • Der Quellcode von OpenPLC liegt in einem GitHub-Repository.
  • Einiges Lernmaterial und Tutorien zur Programmierung von PLCs gibt es auf der Website der PLC Academy.

(mdo)