Japans Mondprinzessin reist nach Hause

Die japanische Raumfahrtbehörde Jaxa hat gestern erfolgreich das größte Mondfahrtprogramm seit dem Apollo-Projekt der USA gestartet.

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Von
  • Martin Kölling

Die Reise zum Mond begann vom japanischen Raumfahrtzentrum Tanegashima aus. 45 Minuten nach dem Start der H-2A-Rakete meldete dann der Live-Kommentator der Jaxa: "Kaguya hat sich glatt von der Rakete getrennt."

Japan will mit dem 55 Milliarden Yen (350 Millionen Euro) teuren Prestigeprojekt die Oberfläche, das Magnetfeld und auch die Bodenstruktur selbst auf der Rückseite des Erdtrabanten untersuchen, um der Welt die Daten für künftige Mondlandungen und eventuelle Stationen zu liefern. "Wir wollen ja so eine Mondstation nicht gerade in ein Erdbebengebiet setzen", erklärt ein beteiligter Wissenschaftler.

Japan will mit dem Projekt im Wettlauf um den Mond zwischen den USA, Europa, China und Indien ein gewichtiges Wort mitreden. China möchte seinen eigenen Orbiter "Chang'e 1" ebenfalls bald starten. Weltweit ist der Traum der Raumfahrtplaner, vom Mond Reisen zum Mars zu starten. Doch bislang verfügen sie nur über punktuelle Daten über die Mondgeologie und Rohstoffvorkommen aus der Zeit der amerikanischen Mondlandungen.

Japans Programm will diese Lücke umfassend mit einer Reihe von Pioniertaten füllen. Das ursprünglich nach der griechischen Mondgöttin Selene ("Selenological and Engineering Explorer") benannte Projekt besteht aus drei miteinander kommunizierenden Satelliten. Das hat in dieser Form noch niemand gewagt. Der 2,1 mal 2,1 mal 4 Meter große Hauptsatellit trägt die meisten der insgesamt 15 Geräte. Bei seinem Einschwenken in die Umlaufbahn soll er zwei nur 50 Kilogramm schwere, achteckige, antriebslose Zylinder loskegeln, die rundherum mit Solarzellen bepackt sind. Durch einen Spin von 10 Umdrehungen pro Sekunde im elliptischen Orbit werden sie stabilisiert.

Bei dem einen Mini-Orbiter handelt es sich um einen VRAD-Satelliten ("Very Long Baseline Interferometry Radiosource") zur Messung des Gravitationsfelds und der Ionosphäre des Mondes. Seine Umlaufbahn schwankt zwischen 100 und 800 Kilometern. Der zweite fungiert in einem Orbit von 100 mal 2400 Kilometern als Relay-Satellit. Durch ihn können die Forscher auch dann Kontakt zum Hauptorbiter halten, wenn dieser die erdabgewandte Seite des Mondes überfliegt. Objekte dort befanden sich bisher im Funkschatten.

Im großen Missionsmodul sind fünf über zehn Meter lange Antennen, ein Solarpanel und 13 insgesamt 300 Kilogramm schwere Instrumente untergebracht. Darunter befinden sich Laser-Altimeter und eine Stereokamera, die mit einer Auflösung von zehn Metern die schärfsten jemals geschossenen dreidimensionalen Bilder der Mondoberfläche liefern soll. Feinere Fotos schoss nur die Apollo-Mission, jedoch nicht in 3-D.

Röntgen- und Gamma-Strahlen-Spektrometer sollen die Verteilung von Elementen wie Aluminium, Silizium oder Uran klären, ein Spektral-Profiler und ein Multiband-Imager die von Mineralien. Mit Magnetometer, Plasma-Imager und -Analyzer und Partikelspektrometer werden das magnetische Feld und die Verteilung des Plasmas zwischen Mond und Erde untersucht.

Ein weiterer Clou ist der so genannte "Lunar Radar Sounder", eine 15 Meter lange Antennenkonstruktion aus gekreuzten Dipolen. Anhand der Reflexionen ihrer Fünf-Mhz-Radiowellen können die Wissenschaftler die geologische Struktur des Mondes bis in fünf Kilometer Tiefe errechnen. Dies könnte wertvolle Hinweise über mögliche geologische Aktivitäten geben.

Außerdem kann durch das Set-up mit drei Satelliten die Flugbahn der Hauptsonde genau und erstmals auch auf der Rückseite des Mondes nachgezeichnet werden. Dies dient der Vermessung des Gravitationsfeldes des Mondes, das durch die Sonnenwinde und das Fehlen einer Atmosphäre sehr unregelmässig ist. Wenn der Orbiter über die Verzerrungen fliegt, macht er die Unregelmässigkeiten mit. Im Gegensatz zu den Apollo-Missionen hat Selene eine polare Umlaufbahn und kann damit den ganzen Mond gleichmäßig kartographieren. Die US-Sonden kreisten in Äquatornähe, da sich dort einfacher landen ließ.

Die selbst auferlegten Ansprüche an die Daten stellt hohe Anforderungen an das Design und den Bau der verwendeten Geräte. Um die sehr schwachen elektromagnetischen Signale des Himmelskörpers empfangen zu können, muss der Satellit elektromagnetisch extrem gut abgeschirmt werden. Die Nähte zwischen den Bauelementen müssen daher möglichst genau schließen. Die Kanten haben die Japaner zusätzlich mit einem speziellen Band abgeklebt, um keine Welle aus dem Satelliten an die empfindlichen Sensoren dringen zu lassen. Auch die Magneten wurden so konzipiert, dass sie sich gegenseitig aufheben. Der Clou: Fernsehkameras sollen außerdem atemberaubende, hoch auflösende Bilder von Erde und Mond auf heimische Mattscheiben schicken. (bsc)