Kove 450 Rally: Dakar-erprobte Sportenduro zum Einstiegstarif aus China

Auf der Rallye Dakar als Aufmerksamkeits-Multiplikator hat Kove schon 2023 gezeigt, dass ihr Material offenbar etwas taugt. Günstig sind ihre Sportenduros auch.

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Kove 450 Rally

(Bild: Kove)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Die wenigsten Motorradfahrer in Europa dürften mit dem Namen Kove etwas anfangen können. Kein Wunder, denn die chinesische Marke existiert erst seit 2017, bietet aber bereits eine beachtliche Modellpalette an. In China ist Kove laut eigener Angabe Marktführer bei Hubräumen über 300 cm3. Das will jetzt nicht allzu viel heißen, weil die meisten chinesischen Motorräder unter dieser Hubraumgrenze liegen. Trotzdem ist die Marke Kove sicher keine Blenderin, denn sie trat mit drei 450er-Werksmaschinen im Januar 2023 zur Rally Dakar an und die drei chinesischen Fahrer – alles Ersttäter – kamen ins Ziel. Zwar auf den Plätzen 67, 68 und 77 und mit weit über 20 Stunden Rückstand, aber vollzählig. Immerhin sind 49 von 139 gestarteten Motorradfahrern auf der berüchtigtsten Rally der Welt ausgeschieden. Es war eine kleine Sensation, denn nicht viele hatten damit gerechnet, dass auch nur eines der Rallye-Bikes von Kove bei ihrer ersten Dakar durchhalten würde. So viel zur Qualität moderner Motorräder aus China.

Das jüngste Modell von Kove nennt sich daher mit Fug und Recht "Rally". Es überzeugt mit einem Design, wie es die Rallye-Fahrer schätzen: ein fast senkrecht stehender Windschild, eine Vollverkleidung mit zwei LED-Spots und ein hochgesetzter Kotflügel über dem Vorderrad. Komfort bietet die schmale Sitzbank kaum, sie reicht aber bis zu den beiden vorderen Tankdeckeln, um in Kurven die Front belasten zu können. Dazu gibt es von Kove einen großen Motorschutz, schlanke Seitencover und einen knappen Heckfender mit einem kleinen Rücklicht.

Kove 450 Rally (8 Bilder)

Der chinesische Hersteller Kove baut mit der 450 Rally nicht nur ein attraktives, sondern auch ein sehr günstiges Offroad-Bike.
(Bild: Kove)

Der Motor ist ein wassergekühlter Einzylinder mit 449 cm3 Hubraum und zwei obenliegenden Nockenwellen, Ausgleichswelle und Sechsgang-Getriebe, so wie ihn viele Konkurrenten schon lange bauen. Auch das Bohrungs-Hub-Verhältnis bewegt sich mit 94,5 x 64 mm im klassenüblichen Rahmen. Kove gibt eine Leistung von 42 PS bei 8500/min und 35 Nm bei 6500/min an. Da liegen die etablierten Sportenduros zwar deutlich drüber – die KTM 450 EXC-F erreicht als Klassenbeste stolze 57 PS – aber eben nur in ihrer offenen Wettbewerbsausführung.

Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass die Kove 450 Rally mit 42 PS bei 8500/min in der EU homologiert ist. Die Rivalinnen müssen für eine Straßenzulassung dagegen arg gedrosselt werden und sich mit rund 20 PS (KTM 450 EXC-F: 16 PS) in den Fahrzeugpapieren zufriedengeben, die Emissionswerte lassen keine höhere Leistung zu.

Die volle Leistung dürfen ihre Motoren nur bei offiziellen Rennen freisetzen – auf öffentlichen Straßen ist das verboten. In Italien, Frankreich und der Schweiz wird die Kove 450 Rally von den Importeuren für 2024 bereits mit 42 PS in Euro-5-Norm mit Straßenzulassung angeboten. Ihr Motor ist damit legal mehr als doppelt so leistungsfähig wie die 450er-Konkurrentinnen.

Eine sehr interessante Idee ist es, die 450 Rally in drei Varianten anzubieten. Die "High" verfügt über 305 mm Federweg vorne und 300 mm hinten, die "Low" über 260 und 250 mm Federwege. Der Fahrer hockt auf der "High" in luftigen 960 mm, die Sitzhöhe der "Low" fällt mit 910 mm deutlich niedriger aus. Beide Varianten verfügen über eine voll einstellbare Upside-down-Gabel von KYB mit 49 mm Durchmesser und ein Federbein, das sich über Umlenkhebel an der Aluminium-Schwinge abstützt. Die dritte Modell-Variante bildet die 450 Rally Pro, die einer "High" mit teureren bzw. zusätzlichen Komponenten entspricht. So verfügt sie über andere KYB-Federelemente, die auf noch härtere Beanspruchung ausgelegt sind, einen Titan-Auspuff, Lenkungsdämpfer, ein Roadbook und zwei Tripmaster im Cockpit, einen griffigeren Sitzbankbezug, ein Wasserreservoir, eine zweite Rückleuchte, geschlossene Handprotektoren sowie Motor- und Kühlerschutz und Roadbook-Halterung aus Kohlefaserlaminat.

Die beiden Standard-Versionen besitzen drei Tanks (zwei vorne nebeneinander und einer im Heck) mit insgesamt 30 Liter Volumen und Kove beziffert die Reichweite auf 500 km. Die Pro verfügt ebenfalls über drei Tanks, aber mit 31 Liter Fassungsvermögen und 400 km Reichweite. Der Mehrverbrauch resultiert wohl aus ihrer Leistung von 54 PS bei 9500/min und 42 Nm bei 7000 Touren. Die Pro ist wirklich nur für Rallies gedacht und mit voller Leistung nicht zulassungsfähig. Kove gibt übrigens bei allen drei Modellen die Höchstgeschwindigkeit mit 170 km/h an, was aber wohl nur die Pro erreichen dürfte, für 42 PS erscheint dieses Tempo ein wenig zu optimistisch. Der Radstand ist mit 1490 mm für eine Enduro relativ kurz und der Lenkkopfwinkel von 62 Grad eher flach. Interessant wird es bei der Gewichtsangabe: 145 kg Leergewicht, also mit zu 90 Prozent vollen Tanks. Vermutlich hat da jemand bei Kove Leer- und Trockengewicht verwechselt, denn die KTM 450 Rally Replica bringt trocken 139 kg auf die Waage, da ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die Kove inklusive 30 Liter Benzin etwa genauso viel wiegt.

Kove 450 Rally (7 Bilder)

Ausflug der Kove-450-Rally-Besitzer. Offensichtlich hat sie in China schon viele Fans.
(Bild: Kove)

Ein Stahlrahmen mit einem Brustrohr umschließt den Motor und sorgt für Stabilität. Einig sind sich alle drei Rally-Varianten bei den Nissin-Bremsen mit einer Doppelkolben-Bremszange an der Front und einer Einkolben-Bremszange hinten, jeweils an einer Bremsscheibe im durchlöcherten Wave-Design. Sportenduros sind von der ABS-Pflicht in der EU ausgenommen, dennoch verfügt die Kove 450 Rally über ein ABS von Bosch. Die Enduroreifen stammen vom chinesischen Hersteller CST und haben die im Offroad-Sport üblichen Dimensionen 90/90-21 vorne und 140/80-18 hinten. Gezackte Fußrasten liefern den Cross-Stiefeln sicheren Halt. Der Luftfilter soll in nur zwei Sekunden zugänglich sein, vermutlich sind die Seitencover nicht angeschraubt, sondern nur eingesteckt. Sämtliche Beleuchtung an der 450 Rally – Scheinwerfer, Rücklicht und Blinker – sind mit LEDs bestückt.

All die aufgeführten Features der Kove 450 Rally wären ja schon interessant genug, aber der Hammer kommt zum Schluss: die Kove 450 Rally kostet in Italien 8990 Euro, in der Schweiz umgerechnet 9295 Euro und in Frankreich 9990 Euro, die 450 Rally Pro gibt es für 14.990 Euro. Zum Vergleich: Die KTM 450 Rally Replica kostet hierzulande 30.821 Euro, die Fantic XEF 450 Rally (mit Yamaha-Motor) gibt es ab 16.630 Euro plus Rally-Kit für weitere 6990 Euro. Natürlich würde die Kove mit hoher Wahrscheinlichkeit einen direkten Vergleich mit den beiden europäischen Motorrädern verlieren, aber der unschlagbar niedrige Preis dürfte viele Rallye-Fahrer mit knappem Budget überzeugen, zum China-Bike zu greifen. Teilnahmen an Rallys – ganz besonders an der Dakar – sind teuer und die Kove bietet die Möglichkeit, Tausende von Euro zu sparen. In Deutschland wird die Kove 450 Rally leider noch nicht angeboten, doch die Marke sucht nach eigener Aussage bereits einen Importeur.

Man könnte jetzt natürlich zu Recht darauf hinweisen, dass es sich bei Rallye-Motorrädern um eine winzige Nische handelt. Doch das ist nicht der Punkt, warum sich die europäischen Motorradmarken Sorgen machen sollten. Chinesische Motorradhersteller lernen schnell und bauen immer größere und leistungsstärkere Motoren, auch in anderen Motorradsegmenten. Bislang konnte man in Europa darauf verweisen, die bessere Qualität zu bieten, aber das Argument zieht nicht mehr bei einem chinesischen Motorrad, das die härteste Rallye der Welt schadlos übersteht. In Kombination mit den wesentlich niedrigeren Produktionskosten und den daraus resultierenden günstigeren Preisen ist der zukünftige Erfolg von chinesischen Motorrädern in Europa kaum noch aufzuhalten.

Hersteller Kove
Modell Rally 450
Motor und Antrieb
Motorart Otto
Zylinder 1
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 499
Bohrung x Hub in mm 94,5 x 64
Leistung in kW (PS) 31 (42)
bei U/min 8500
Drehmoment in Nm 35
bei U/min 6500
Antrieb Dichtringkette
Getriebe Sequenzielles Schaltgetriebe
Gänge 6
Fahrwerk
Rahmen Stahlrohrrahmen
Radaufhängung vorn Upside-Down-Telegabel
Radaufhängung hinten Zweiarmschwinge mit Feder-Dämpferbein
Reifengröße vorn 90/90-21
Reifengröße hinten 140/80-18
Bremsen vorn Doppelkolben, Einzelscheibe
Bremsen hinten Einzelkolben, Einzelscheibe
Lenkkopfwinkel in Grad 62
Federweg in mm v/h 305 / 300 oder 260 / 250
Maße und Gewichte
Radstand in mm 1490
Gewicht leer in kg 145
Tankinhalt in Litern 30
Sitzhöhe in mm 960 oder 910
Daten Stand Januar 2024

(fpi)