Brillanter Blödsinn: "Dungeons & Dragons" im Kino

Man hält es kaum für möglich, aber "Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben" funktioniert sowohl für Rollenspiel-Nerds als auch für den stinknormalen Kinogänger.

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Tiefling-Druidin Doric, Simon the Sorcerer, der Barde Edgin Darvis und Barbarin Holga Kilgore würfeln für ihre Initiative im Endkampf des Films.

(Bild: Paramount Pictures)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Jahrzehntelang war das "Pen & Paper"-Rollenspiel "Dungeons & Dragons" fast ausschließlich die Domäne von verträumten Nerds. Man traf sich, mehr oder weniger verkleidet, bei Kerzenschein, trank Met, warf mehrseitige Würfel und erlebte zusammen die Fantasy-Abenteuer, die man seit der ersten Lektüre von "Der Herr der Ringe" im eigenen Kopf mit sich rumschleppte. Das änderte sich in den späten Neunzigern, als Videospiele wie "Baldur's Gate", "Icewind Dale" und "Neverwinter Nights" das D&D-Regelwerk ohne Würfel und komplizierte Regeln auf den PC brachten und die Schwertküste einer ganz neuen Generation von Spielern erschlossen. Spätestens seit der Streaming-Sensation "Critical Role" wurde Dungeons & Dragons dann sogar cool und man könnte fast sagen, D&D ist im Mainstream angekommen. In Deutschland ist das amerikanische "Pen & Paper"-Rollenspiel sogar dabei, das hierzulande eigentlich bis dato beliebtere Spiele-System "Das Schwarze Auge" abzulösen.

Das haben wohl auch die Produzenten in Hollywood gemerkt und versuchen nun, fast 50 Jahre nach dem Erscheinen der ersten D&D-Ausgabe, erneut das altehrwürdige Rollenspiel-Franchise ins Kino zu bringen, nachdem ein erster Versuch im Jahr 2000 gefloppt war. Der neue Film – "Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben" – sah sich bei Fans von Anfang an einiger Skepsis ausgesetzt, vor allem angesichts der beteiligten Schauspieler, die eher dem coolen neuen Image von D&D entsprechen als dem, was sich wohl viele Old-School-Fans vorgestellt hatten. Kann ein solcher Film gleichzeitig die Nerds und ganz normale Kinogänger, die einfach nur einen lustigen Action-Film sehen wollen, beglücken? Wir beleuchten dieses gewagte Experiment und versuchen zu beurteilen, für wen dieser Film, wenn überhaupt, sehenswert ist.

Hinweis: Die folgende Rezension ist, so weit das möglich ist, spoilerfrei.

Im ersten Moment würde man es für fast unmöglich halten, dass ein und derselbe Film sowohl D&D-Nerds als auch ganz normale Action-Fans zufriedenstellen kann. Allerdings schafft es "Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben" von der ersten Szene an, Elemente für beide Zielgruppen miteinander zu verknüpfen. Die Geschichte ist weniger episch, als man es bei dem Quellmaterial vielleicht erwarten würde und konzentriert sich zuerst einmal eher auf die persönliche Geschichte der beiden Hauptfiguren. Eine dämonische Gefahr, die den Helden die Gelegenheit gibt, die Welt zu retten, spielt zwar auch eine Rolle, wird aber erst nach und nach zum Ende des Films wichtig – und das persönliche Drama der Figuren bleibt eigentlich immer im Vordergrund, wie es sich für eine gute Rollenspiel-Erfahrung gehört.

Der Film schafft es auf erstaunliche Weise, die Gefühle hervorzurufen, die D&D-Spieler beim Spielen am heimischen Wohnzimmertisch haben. Den Drehbuchautoren gelingt das, in dem sie ihre Geschichte geschickt an ein typisches D&D-Abenteuer anlehnen: Eine zusammengewürfelte Truppe aus Helden, alle mit eigenen Fehlern und Schwächen, begeben sich auf eine fast unmögliche Mission – und dann geht fast alles schief, was schiefgehen kann. Und natürlich geht jede der Figuren mit unterschiedlicher Motivation an die Sache heran. Die Geschichte, die wir in diesem Film erleben, könnte auch einer heimischen D&D-Küchentisch-Kampagne entstammen und genau das ist die größte Stärke dieses Films. Er gibt den Zuschauern, die selbst D&D spielen, in vielen Situationen das Gefühl, auch schon mal etwas Ähnliches erlebt zu haben. Der Film hat ein paar eindeutige Momente, in denen eine der Figuren ganz klar eine natürliche 1 oder eine natürliche 20 geworfen hat. Und ein oder zweimal denkt man sich: "Oha, jetzt wollte der Dungeon Master es aber wissen!"

Diese Anlehnung an eine heimische D&D-Kampagne, im Gegensatz zu einer typischeren Geschichte, wie sie vielleicht in einem D&D-Computerspiel vorkommen würde, ist zugleich aber auch die größte Schwäche des Films. Einige Szenen, und auch Teile der Hintergrundgeschichte, sind gänzlich unplausibler Blödsinn. D&D ist nun einmal ein Spiel, das dem Spieler ein heroisches Gefühl vermitteln soll und dabei Realismus eher in den Hintergrund treten lässt. Aber was in einer geselligen Runde unter Freunden funktioniert, gibt noch lange kein Drehbuch für einen erfolgreichen Blockbuster ab. In der heimischen Runde verzeiht man dem Spielleiter, wenn er ein legendäres magisches Artefakt einfach so hervorzaubert oder Entfernungen, die eigentlich monatelanges beschwertes Reisen mit sich bringen würden, unter einem fadenscheinigen Vorwand drastisch abkürzt. In einem Film wirkt das alles viel weniger glaubwürdig.

Wir reden hier nicht von magischen Fähigkeiten, unglaublichen Orten oder abwegigen Monstern – so etwas ist Teil jeder Fantasy-Geschichte und der Zuschauer lässt sich darauf in dem Moment ein, in dem er oder sie den Kinosaal betritt. Aber es gibt Dinge, die sind auch innerhalb der internen Logik einer Welt, so fantastisch sie auch sein mag, weit hergeholt oder gar absoluter Blödsinn. In einer D&D-Runde unter Freunden lacht man über so etwas und geht darüber hinweg, aber im Kino benötigt es schon einiges an gutem Willen, solche Vorkommnisse in den eigenen Glauben in die gezeigte Fantasiewelt zu integrieren. D&D-Spielern wird das in diesem Film einfacher fallen, da sie solche WTF-Momente bereits aus ihren eigenen Kampagnen gewöhnt sind. Beim Otto-Normal-Kinogänger braucht es etwas mehr guten Willen. Nichtsdestotrotz gelang dies auch Zuschauern, die mit uns diesen Film gesehen haben und vorher noch nicht einmal von D&D gehört hatten.

Ein Grund, warum dieser Film auch für normale Action- und Fantasy-Freunde funktioniert ist seine Besetzung. Chris Pine und Michelle Rodríguez machen durchweg eine gute Figur und stellen ihre Charakter-Klassen als Barde und Barbar sehr glaubhaft dar. Chris Pine singt vielleicht ein bisschen zu wenig, vor allem angesichts der Tatsache, dass der Mann offensichtlich Talent in dieser Richtung hat, aber Rodríguez legt definitiv die richtige Mischung aus schweigendem Stoizismus und unbändiger Rage an den Tag. Gefallen hat uns auch Sophia Lillis als Tiefling-Druidin, die mit ihren Tiergestalten in mehreren Szenen die Show stielt. Besondere Erwähnung gebührt Regé-Jean Page, der den Honig-triefenden Paladin fast schon zu gut verkörpert. Seine Figur ist so abstoßend gut und selbstgerecht, dass sich jeder D&D-Spieler wohl sofort an den einen oder anderen nervigen Paladin aus einer vergangenen Spiele-Runde erinnert fühlt.

Hugh Grant war eine große Überraschung. Hätte uns vor "Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben" jemand erzählt, dass Hugh Grant in einem D&D-Film mitspielt und in diesen auch noch hineinpasst wie die Faust aufs Auge, hätten wir wohl laut aufgelacht. Aber es stimmt: Hugh Grant hat in diesem Film eine Rolle, die ihm genauso gut an den Leib geschneidert ist wie das opulente Kostüm und er überzeugt auf voller Linie. Die Besetzung ist es vor allem, die diesen Film Mainstream-tauglich macht. Die Schauspieler schaffen es, ihre D&D-Charaktere dem Quellmaterial entsprechend darzustellen, ohne dabei übertrieben oder lächerlich zu wirken. Das ist eine beeindruckende Leistung, die nicht zu unterschätzen ist. Das einzige, was diese Besetzung noch besser gemacht hätte wäre, wenn The Rock, Vin Diesel, Judi Dench oder Karl Urban mit dabei gewesen wären – alle diese Schauspiel-Stars sind bekennende D&D-Spieler.

"Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben" macht einige offensichtliche Konzessionen an neuere Hintergrund-Materialen von Wizards of the Coast, mit denen die D&D-Macher versucht haben, die Rollenspiel-Welt von einigen Fantasy-Vorurteilen zu befreien und einem breiteren Publikum zu öffnen. Das spielt mit Hollywoods neuerlicher Fixierung auf gleichberechtigtere und inklusivere Besetzungen zusammen und sorgt in diesem Film dafür, dass die Babaren-Klasse von einer Frau repräsentiert wird und die Figur von Chris Pine eine ethnisch gemischte Tochter hat. Außerdem treffen wir auf mehrere dunkelhäutige Vertreter der Elfen und Halbelfen, unter anderem den Ururenkel des legendären D&D-Zauberers Elminster Aumar. Im Gegensatz zu manch anderem aktuellen Hollywood-Erzeugnis wirken diese Besetzungsentscheidungen allerdings nicht erzwungen und fügen sich nahtlos in eine Welt ein, in der auch Katzenwesen, intelligente Vogelrassen und Halblinge herumlaufen. Alles in allem ist dieser Film ein gutes Beispiel dafür, wie man einen derartigen Abenteuerfilm recht vorurteilsfrei besetzen kann, ohne dabei peinlich rüberzukommen.

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Wer noch nie etwas von Dungeons & Dragons gehört hat und gerne Fantasy-Aktion erlebt, ist mit "Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben" durchweg gut bedient. Unter der Bedingung, dass es hauptsächlich darum geht, Spaß zu haben und dass man über den einen oder anderen abwegigen oder fadenscheinigen Plot-Aspekt wohlwollend hinwegsehen kann. Für echte Fantasy-Nerds oder Leute, die Hard Fantasy à la "Game of Thrones" bevorzugen, ist dieser Film nichts.

Außer natürlich, man ist D&D-Nerd. Dann bekommt man einiges geboten. Inklusive legendärer Monster wie den Gallertwürfel, die Mimik-Schatztruhe, den Intellektverschlinger und einige andere. Auch ein Drache darf natürlich nicht fehlen. Wobei es die Drehbuchschreiber geschafft haben, den hier vorkommenden Drachen ziemlich bemerkenswert zu gestalten – wofür sie definitiv Bonuspunkte verdient haben. Da der Film vor der bekannten Kulisse der Forgotten Realms spielt, werden fast alle D&D-Spieler und so manch ein Videospiele-Veteran die berühmte Schwertküste, die Stadt von Neverwinter und das Underdark direkt wiedererkennen, was wiederum viel Nostalgie mit sich bringt. So oder so kommen D&D-Fans auf ihre Kosten.

Eine gute schauspielerische Leistung der gesamten Besetzung und brauchbare bis gute Dialoge runden das Gesamtpaket ab. Man sollte nichts Großartiges erwarten, aber insgesamt – und in vielen der genannten Einzelaspekte – übertrifft "Ehre unter Dieben" vieles, was in den letzten Jahren im Fantasy-Genre von Hollywood produziert wurde. Und was Neues ist es, angesichts der ganzen Comic-Verfilmungen, allemal. Zum Schluss kann man nur noch einmal betonen, wie überraschend es ist, dass dieser Film es schafft, sowohl eingefleischte D&D-Spieler als auch ganz normale Kinozuschauer zu begeistern. Bei unserem Kinobesuch hat der Film beiden Gruppen sichtlich Spaß gemacht.

"Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben" läuft momentan in den deutschen Kinos. Für unsere Rezension haben wir den Film in Originalsprache gesehen.

(vbr)