Kommentar: Mastodon muss etwas kosten, um auf lange Sicht zu bestehen

Das Wachstum von Mastodon beruht auf viel freiwilliger Arbeit. Das reicht nicht, meint Martin Holland. Sichere Finanzierungsmodelle sind nötig.

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(Bild: T. Schneider/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Die Twitter-Alternative Mastodon will zwar einiges anders machen, als die etablierten sozialen Netze, aber nach dem jüngsten Ansturm werden jetzt auch ganz eigene Probleme der alternativen Struktur offenbar. Innerhalb weniger Tage wurde die Schließung von gleich zwei sogenannten Instanzen angekündigt. Zwar sind nicht alle Hintergründe ersichtlich, aber die Admins von mastodon.lol und mostodon.au schmeißen offenbar aus Frust über Streits mit Nutzenden beziehungsweise mangelnden Hilfestellungen von Mastodon-Gründer Eugen Rochko hin. Zwar können die betroffenen Accounts leicht umgezogen werden, aber die Vorgänge machen deutlich, dass der Enthusiasmus von Freiwilligen nicht ausreichen wird, damit es die Twitter-Alternative tatsächlich mit dem großen Vorbild aufnehmen kann.

Natürlich ist die Schließung einer Instanz auch für die dort registrierten Nutzer und Nutzerinnen keine Katastrophe. Ihnen bleibt genug Zeit für einen Umzug, dabei können sie sogar ihre Follower mitnehmen. Das ist im Ergebnis nicht anders als der Wechsel einer E-Mail-Adresse, außer dass man die neue Heimat hier nicht aufwendig bekannt machen muss. Für die Betroffenen ist das zwar nicht schön, aber wenn man sich vor Augen hält, dass die allermeisten Mastodon-Instanzen von Freiwilligen betrieben werden, die sich über Spenden lediglich die Serverkosten bezahlen lassen, sind solche Unannehmlichkeiten zu verschmerzen. Im Fall von mastodon.au wurde außerdem offenbar eine Lösung gefunden, die dank Besitzerwechsel ohne eine Schließung auskommt.

Aber das zugrunde liegende Problem bleibt natürlich: Mastodon mit seinen inzwischen fast 10 Millionen Accounts beruht zu großen Teilen auf viel Enthusiasmus und unbezahlter Arbeit. Dass sich Admins dann aber auch nicht mit wenig zielführenden Streitigkeiten zu Hogwart's Legacy (im Fall von mastodon.lol) oder mangelnder Hilfe durch Mastodon-Gründer Rochko (im Fall von mastodon.au) auseinandersetzen wollen oder können, ist verständlich. Gleichzeitig ist Mastodon aber explizit so aufgebaut, dass Geschäftsmodelle wie etwa das von Twitter nicht funktionieren: Über Werbung wird sich der Betrieb nicht finanzieren lassen. Soll die Plattform weiter wachsen, müssen Finanzierungsmodelle her, damit die Verantwortlichen auch an einem schlechten Tag nicht gleich alles hinschmeißen.

Ein Kommentar von Martin Holland

Martin Holland schreibt seit 2012 für heise online und c't. Lange Zeit beschäftigte er sich vor allem mit den NSA-Enthüllungen des Edward Snowden und deren Folgen. Nachdem die längst Geschichte sind, haben sich neben weiteren IT-Themen, vor allem auch zu gesellschaftlichen Folgen von Internet, Social Media, Künstlicher Intelligenz & Co. schließlich Astronomie und Raumfahrt als wichtige Schwerpunkte etabliert.

Einige Hoffnung wird noch darauf verwendet, dass Unternehmen und Organisationen Instanzen einrichten, über die ihre Angestellten auf Mastodon kommen. Hier wäre zwar die Finanzierung geklärt, aber bis auf einzelne Branchen mit Angestellten in der Öffentlichkeit – wie etwa bei der Presse – sehe ich keinen Grund, warum Firmen das in großem Umfang machen sollten. Stattdessen wird es Zeit, dass bei Mastodon die Kosten weitergegeben werden. Darauf, dass nicht nur Mastodon mit der Gratismentalität im Internet nicht geholfen ist, hat an dieser Stelle bereits Golo Roden hingewiesen. Alternative Modelle werden dort schon ausprobiert, so will der Verein Digitalcourage monatlich einen Euro für einen Account auf der eigenen Instanz. Bislang hat sich das zwar nicht breit etabliert, aber wäre auch dem Internet zu wünschen, wenn das noch passiert. Immerhin wird dadurch auch sichtbar, welche Kosten mit unserem Onlineleben verbunden sind.

Eine weitere Alternative gibt es aber, auch die wäre nicht gratis, aber dafür bezahlen wir längst: Erst vor wenigen Tagen hat das ZDF publik gemacht, dass an der Entwicklung einer Twitter-Alternative gearbeitet wird. Aber warum denn eigentlich? In Mainz sollte man die Energie und den Arbeitsaufwand nicht darauf verwenden, das Rad neu zu erfinden. Stattdessen sollte der öffentlich-rechtlichen Sender eine eigene Mastodon- oder eine kompatible Fediverse-Instanz für die Gebühren zahlende Allgemeinheit einrichten. Gefühlt wäre die zwar auch kostenlos, aber eben nicht wirklich. Ferner könnte sich dann mit dem ZDF auch eine öffentlich-rechtliche Einrichtung an der Weiterentwicklung von Mastodon beteiligen. Da gibt es nämlich noch einige Baustellen und es würde einmal nicht in den USA entschieden, wo die Entwicklung sozialer Netze hingeht.

(mho)