"Befreiung von Twitter": X-CEO Linda Yaccarino erklärt Umbenennung

Die X-Chefin erklärt den Entschluss ihres Unternehmens, das Twitter-Branding abzuschaffen. Nebenbei kündigt sie die Möglichkeit von Videocalls in der App an.

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X-Logo auf dem Twitter-Profil Elon Musks

(Bild: Svet foto/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Knobloch
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Die Entscheidung von X Corp., das Twitter-Branding loszuwerden, und in X umzubenennen, spiegele die Vision, die Besitzer Elon Musk für die App habe, wider. Das erklärte Linda Yaccarino, CEO von X, am Donnerstag gegenüber dem US-Nachrichtensender CNBC.

"Elon [Musk, Anm.] hat schon sehr lange über X, die App für alles, gesprochen", sagte Yaccarino in dem CNBC-Interview. "Schon als wir meinen Eintritt ins Unternehmen ankündigten, trat ich dem Unternehmen bei, um gemeinsam mit Elon Twitter in X, die App für alles, zu verwandeln."

Musk hatte die ehemalige Top-Werbefachfrau Linda Yaccarino im Mai als Twitter-Chefin eingestellt. Vor ihrem Wechsel zu Twitter hat Yaccarino mehr als elf Jahre bei der CNBC-Muttergesellschaft NBCUniversal gearbeitet und dort unter anderem das weltweite Werbegeschäft verantwortet.

Mittlerweile hat Musk Twitter in X umbenennen lassen, um eine "Super-App" nach dem Vorbild der chinesischen WeChat-App zu schaffen, die einen Messenger enthält, über den man dank Bezahlfunktion auch direkt seine Stromrechnung begleichen kann, aber auch Lebensmittel von einem Supermarkt bestellt. Der ikonische kleine blaue Vogel verschwand als Logo und wurde durch ein "vorläufiges" X-Logo ersetzt

In dem CNBC-Interview verwies Yaccarino nun auf die seit ihrem Jobantritt eingeführten Änderungen bei dem früheren Kurznachrichtendienst hin zu längeren Videos und Artikeln. Bald würden die User Videocalls führen können, so Yaccarino, "ohne jemandem auf der Plattform Ihre Telefonnummer geben zu müssen". Sie wies zudem auf die Pläne des Unternehmens hin, Zahlungen zwischen Nutzern und Freunden und Urhebern [von Inhalten, Anm.] zu ermöglichen.

"Das Rebranding war wirklich eine Befreiung von Twitter", sagte sie. "Eine Befreiung, die es uns ermöglichte, uns über eine veraltete Denkweise hinaus zu entwickeln." Hätte man die Marke Twitter beibehalten, wäre Veränderung nur schrittweise umsetzbar gewesen, so Yaccarino auf Nachfrage. "Bei X denken wir darüber nach, was möglich ist" und nicht darüber, "was nicht machbar ist". Die jüngsten Produktänderungen und Infrastrukturverbesserungen beantworteten "die Frage 'Warum ein Rebranding?'", sagte sie.

In der öffentlichen Wahrnehmung allerdings dominieren vor allem die immer wiederkehrenden Diskussionen um die Accout verifizierenden blauen Haken. Die galten früher bei Twitter als ein wichtiger Indikator für Glaubwürdigkeit. Seit der Übernahme von Twitter Ende letzten Jahres aber hat Musk die blauen Haken löschen lassen; mittlerweile ist es jedem und jeder erlaubt, durch ein Blue-Abonnement "verifiziert" zu werden. Vielen Abonnentinnen und Abonennten aber ist es offenbar peinlich, wenn für alle ersichtlich ist, dass sie für ein Blue-Abonnement bezahlen. Auch scheinen manche User aus Prinzip jene zu blockeren, die für den Dienst bezahlen. Wohl um diese Effekte zu umgehen, Twitter seit Kurzem die Möglichkeit, das blaue Häkchen zu verbergen.

Yaccarino sagt, sie habe "Autonomie" unter Musk. "Meine und Elons Rollen sind sehr klar", betonte sie. "Elon arbeitet daran, das Rebranding zu beschleunigen und an der Zukunft zu arbeiten. Und ich bin für den Rest verantwortlich. Ich leite das Unternehmen, von Partnerschaften über die Rechtsabteilung bis hin zu Vertrieb und Finanzen."

Die frühere Werbefachfrau fügte hinzu, dass sich Werbekunden bei der Rückkehr auf die Plattform wohlfühlen sollten. Dazu sollen neue Tools zur Kontrolle von Inhalten beitragen. Einzelheiten nannte Yaccarino nicht.

Seit der Übernahme durch Musk hat das Werbegeschäft von Twitter gelitten. In den fünf Wochen zwischen dem 1. April und der ersten Maiwoche gingen die Werbeeinnahmen in den USA um 59 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. In den Tagen und Wochen, nachdem Musk die Kontrolle über die Plattform übernommen hatte, häuften sich Hassreden und potenziell illegale Inhalte, nachdem entsprechende Kontrollmechanismen abgeschafft wurden. Marken wollten nicht riskieren, dass ihre Werbung in der Nähe betroffener Inhalte erscheint, was zu einer massiven Abwanderung von Werbekunden führte.

Schließlich verteidigte Yaccarino die Massenentlassungen, seit Musk das Ruder übernahm. Die Zahl der Mitarbeiter habe sich bei 1.500 stabilisiert – gegenüber 8.000 vor der Übernahme. Die Entlassungen, die vor Yaccarinos Amtszeit erfolgten, nannte sie eine "sehr notwendige Kosteneinsparung".

(akn)