Bundeskanzler zur Energiekrise: "Wir sind nicht mehr von Russland abhängig"

Olaf Scholz meint im Bundestag, Deutschland sei in "Windeseile" von Russland unabhängig geworden. CDU/CSU kritisieren mangelnde Erleichterungen für die Bürger.

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Bundeskanzler Olaf Scholz am 20. Oktober im Bundestag.

(Bild: Deutscher Bundestag)

Lesezeit: 4 Min.

"Wir haben uns von der Abhängigkeit befreit und gehen gut vorbereitet in den Winter", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am heutigen Donnerstag in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag. Wladimir Putin, von dessen Gas insbesondere Deutschland abhängig gewesen sei, habe sich verrechnet, er könne Deutschland erpressen. Vielmehr habe Deutschland in "Windeseile" alternative Importstrukturen aufgebaut. Hierzu zählte Scholz das LNG-Terminal in Wilhelmshaven, das zum kommenden Jahreswechsel in Betrieb gehen soll.

Im Laufe des kommenden Jahres komme dann ein Terminal in Lublin hinzu, erstmals überhaupt liefere Frankreich Gas nach Deutschland, sagte Scholz. Deutschland nutze die Kapazitäten in westeuropäischen Häfen, um zusätzliches Gas zu beschaffen, Norwegen habe seinen Lieferumfang erhöht, auf der arabischen Halbinsel seien neue Lieferverträge abgeschlossen worden. Mit diesen und anderen Schritten habe es Deutschland geschafft, jetzt schon einen Gasspeicherfüllstand von 95 Prozent zu erreichen, der für November angepeilt gewesen sei. Das sei im Vorjahr anders gewesen

Kohlekraftwerke gingen wieder ans Netz, die deutschen Atomkraftwerke sollen über den 31. Dezember hinaus laufen, zählte Scholz weiter auf. Dabei sei es immer noch wichtig, dass in Deutschland 20 Prozent Erdgas eingespart wird. Es sei ein starkes Signal europäischer Solidarität, dass sich die EU auf ein Sparziel von 15 Prozent habe einigen können.

Dabei sei auch wichtig, dass die Sicherheitsbehörden wie Bundespolizei und das Bundeskriminalamt alles dafür tun, um gemeinsam mit den Betreibern die kritischen Infrastrukturen zu schützen. Dabei stimme sich Deutschland in der NATO, insbesondere mit Schweden und Dänemark, eng ab. Die Bundespolizei beteilige sich mit allen verfügbaren Kräften an der Aufklärung der Sabotage an den Ostsee-Pipelins Nordstream 1 und 2. Zudem arbeite die Regierung an einem Gesetz zum besseren Schutz kritischer Infrastruktur.

Die momentan viel zu hohen Energiepreise seien eine große Bewährungsprobe für das Land und für Europa, sagte Scholz. Die Regierung habe beschlossen, eine Strompreisbremse einzuführen. Dabei sei die Regierung den europäischen Weg gegangen und es habe sich gezeigt, die EU sei handlungsfähig. Der Gaspreis werde von Knappheiten auf dem Weltmarkt bestimmt, darüber und über den Vorschlag der EU-Kommission, eine Einkaufsgemeinschaft zu bilden, werde im Europäischen Rat gesprochen.

Friedrich Merz, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, sprach von einer "möglicherweise größten Bewährungsprobe" in der Geschichte der EU. Er befürworte den europäischen Weg, es müsse aber deutlich werden, was auf EU-Ebene getan werden könne und was auf nationaler. Hier erwähnte Merz die Menschen, die eine Holzpellets- oder Ölheizung haben und die von bisherigen Vorschläge für Preisbremsen nicht berücksichtigt worden seien. Die Vorschläge der Gas-Kommission zu einer Gaspreisbremse lägen seit zehn Tagen vor. Es gebe aus der Bundesregierung noch keinen Vorschlag, welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden sollen.

Eine Kritik, die Alexander Dobrindt von der CSU bestätigte. Zudem meinte er, das Machtwort des Kanzlers zu den Atomkraftwerken sei halbherzig. Das ifo-Institut habe ausgerechnet, dass die Strompreise durch die Atomkraftwerke merklich beeinflusst würden. Statt "You'll never walk alone" müsse es eher heißen "Dead man walking".

Die Menschen und Unternehmen in Deutschland hätten der Rede des Bundeskanzlers nichts entnehmen können, wie ihnen geholfen werden soll, sagte Merz. In dieser Hinsicht fahre Scholz nicht als gutes Vorbild nach Brüssel, nachdem innerhalb der Regierung in den vergangenen Monaten über die Entlastung der Menschen heftig gestritten worden sei.

Scholz hatte in diesen Tagen betont, er habe sich schon im Dezember 2021 gefragt, was passieren wird, wenn Russland seine Gaslieferungen einstellt. Deshalb sei die Regierung auf die Invasion Russlands in die Ukraine rechtzeitig vorbereitet gewesen. Merz fragte an diesem Donnerstag den Kanzler, warum er dann bis zum Kriegsbeginn an Nord Stream 2 festgehalten und es zu einem privatwirtschaftlichen Projekt erklärt habe.

(anw)