Cell Broadcast: Katastrophen-Warnsystem war 2023 240-mal im Einsatz

Allein an den Weihnachtstagen haben die Behörden in betroffenen Gebieten zehnmal per DE-Alert vor Hochwasser und Flut gewarnt. NRW nutzt das System am meisten.

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(Bild: Simone Hogan/Shutterstock.com)

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Seitdem das Warnsystem Cell Broadcast am 23. Februar offiziell in Betrieb ging, lösten die Behörden bereits 240-mal in einzelnen Städten, Landkreisen oder Regionen den kaum überhörbaren Handy-Alarm aus. Allein an den Weihnachtstagen erhielt die Bevölkerung hierzulande zehnmal Warnungen vor Hochwasser und Überflutungen über das offiziell "DE-Alert" genannte Alarminstrument in den betroffenen Gebieten etwa in Niedersachsen, Sachsen und Thüringen. In der Statistik hat Nordrhein-Westfalen inzwischen Rheinland-Pfalz gegenüber einer ersten Bilanz im Juni mit 60 gegenüber 39 Einsätzen abgelöst. Auf den oberen Rängen folgen Bayern (28), Niedersachsen (25), Hessen (23) vor Schleswig-Holstein (22).

Anlass für die Einführung von Cell Broadcast war die verheerende Flutkatastrophe an der Ahr in NRW und Rheinland-Pfalz im Sommer 2021. Bei DE-Alert handelt es sich um die deutsche Umsetzung des European Public Warning System (EU-Alert). Einen ersten großen Belastungstest absolvierte die hiesige Cell-Broadcast-Variante beim bundesweiten Warntag am 14. September 2023: Mehr als 50 Millionen Handys schrillten damals gleichzeitig. Laut dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) erreichten dabei Warnungen über DE-Alert 75 Prozent der Bürger. Zusammen mit Sirenen, Rundfunk, TV und Apps wie Nina und Katwarn lag die Abdeckung bei 97 Prozent. Beim Warntag 2022 lag der Anteil der über Cell Broadcast bei einem Test erreichten Personen noch bei 53 Prozent.

Mit dem neuen Ansatz "wird die Bevölkerung in betroffenen Gebieten auf ihren Handys jetzt gezielt und schnell vor Unwettern, Großbränden, Erdbeben, Überflutungen, Bombenentschärfungen oder anderen akuten Gefahren gewarnt", betonte Vodafone-Netzchefin Tanja Richter anlässlich der Präsentation der Jahreszahlen. Inzwischen könnten auch ältere Mobiltelefone und Tablets die Warnungen empfangen. Die Bundesnetzagentur hatte zunächst nur vierstellige Message Identifier (IDs) für das System definiert. Derart lange Kennungen sind in älteren Handys etwa von Nokia oder Ericsson aber gar nicht vorgesehen. Auch viele iPhones blieben zunächst außen vor. Inzwischen ist über die dreistellige Message ID 919 ein weiterer Broadcast-Kanal dazugekommen.

Vodafone hat das neue System nach eigenen Angaben in jede der über 26.000 eigenen Mobilfunkstationen eingebaut. DE-Alert funktioniert ohne spezielle App. Anders als bei einer SMS werden bei Cell Broadcast alle empfangsbereiten Geräte in einer Funkzelle adressiert, ähnlich wie beim Radioempfang. Bei lokalen oder überregionalen Ereignissen wird eine einschlägige Nachricht an die entsprechenden Funkzellen gesendet und verteilt. Je nach Warnstufe geben die Geräte selbst im lautlosen Modus einen Warnton aus. Parallel zeigen sie eine Textnachricht mit Infos zum weiteren Verhalten und bieten zudem gegebenenfalls Links für den Hintergrund des Geschehens an.

Insgesamt hat laut Vodafone das Handy verstärkt als mobile Notrufsäule gedient. Allein über das eigene Mobilfunknetz seien rund 6 Millionen Notrufe abgesetzt worden. Davon erreichten rund 3,2 Millionen Notrufe an die 112 die örtlichen Rettungsleitstellen der Feuerwehr, während der Polizeinotruf 110 rund 2,8 Millionen Mal erfolgreich angewählt wurde. Bei einem Handy-Notruf an die 112 wird der genaue Standort des Anrufers inzwischen überall in Deutschland automatisch mit übertragen. Dadurch können Notärzte und Rettungssanitäter den Unglücksort schneller finden. Als "kurios" wertet der Netzbetreiber unter anderem einen Anruf wegen zweier umgefahrener Pinguine, die sich als schwarz-weiße Leitpfosten entpuppten, sowie einen Großeinsatz in Kleve, den der Wurf eines Smartphones auf den Boden bei einem Streit eines Pärchens mit kurz übertragendem Weinen beim automatisch abgesetzten Notruf ausgelöst habe.

(olb)