EU-Rat winkt Großteil des Telecom-Pakets durch

Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten haben die neue Zugangsrichtlinie sowie die Direktive zur Einrichtung einer EU-Regulierungsinstanz offiziell angenommen, während der Grundrechtsschutz bei Internetsperren weiter offen ist.

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Der EU-Rat hat weite Teile der vom EU-Parlament im Mai beschlossenen Neufassung der Regulierungsvorschriften für den Telekommunikationsmarkt offiziell angenommen. Die Novellierung der Zugangsrichtlinie sowie die neue Direktive zur Einrichtung einer EU-Regulierungsinstanz (PDF-Dateien) haben somit ihren Lauf durch die Gesetzgebungsinstanzen vollendet. Erstere enthält vergleichbar schwach ausgeprägte Vorgaben zur Netzneutralität und neue Bestimmungen zum Datenschutz in der elektronischen Kommunikation, wonach Telekommunikationsanbieter die Öffentlichkeit erstmals breit über Datenpannen und Sicherheitslecks informieren müssen.

Laut den überarbeiteten Vorgaben zur Wahrung des Prinzips offener Netze müssen Betreiber nur über eingesetzte Verfahren zum "Verkehrsmanagement" informieren. Vor zu starken Begrenzungen einzelner Anwendungen wie zum Beispiel Filesharing oder Internet-Telefonie soll vor allem der Markt die Verbraucher bewahren. Zusätzlich können die nationalen Regulierer Mindestanforderungen an die zu erbringende Dienstequalität aufstellen. Der Kompromiss zur Netzneutralität bleibt zurück hinter den Wünschen der EU-Abgeordneten aus der 1. Lesung des Telecom-Pakets, wonach "der Zugang der Nutzer zu bestimmten Arten von Inhalten oder Anwendungen nicht in unzumutbarer Weise beschränkt" werden sollte. Bürgerrechtler und Oppositionsparteien halten die jetzt vom Rat für allgemeine Angelegenheiten abgesegneten (PDF-Datei) Bestimmungen für zahnlos.

Bei der neuen übergeordneten Regulierungsinstitution konnte sich die EU-Kommission nicht mit ihrem Plan für eine "Superbehörde" mit einem Veto-Recht Brüssels durchsetzen. Der letztlich beschlossenen Körperschaft namens "Body of European Regulators for Electronic Communications" (BEREC) hat der EU-Gesetzgeber lediglich ins Stammbuch geschrieben, den Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt im Blick zu behalten und gegebenenfalls innerhalb von drei Monaten in einem detailliert aufgeschlüsselten Verfahren mit möglichen öffentlichen Anhörungen Sanktionen für regelwidriges Verhalten zu verhängen. Im Kern haben weiter die nationalen Regulierungsbehörden das Sagen.

Die in Frankreich kommenden Internetsperren im Kampf gegen wiederholte Urheberrechtsverletzungen im Internet betrachtet die reformierte Zugangsrichtlinie als nationale Angelegenheit der Mitgliedsstaaten. Über die Frage, welche Mindestvorgaben zum Grundrechtsschutz dabei eventuell einzuhalten seien, ist ein heftiger Streit zwischen Rat und Parlament ausgebrochen. Im Rahmen der inoffiziellen Vermittlungsgespräche beider Seiten konnte darüber keine Einigung erzielt werden. Gegen den Widerstand von Grünen und Linken waren die Verhandlungsführer von Konservativen und Sozialisten der Abgeordneten sowie die Vertreter des Rats dagegen schon zum Start der Sondierungen Ende September übereins gekommen, Aspekte der Netzneutralität nicht auf das gesamte Paket zu erstrecken und an den nun endgültig bestätigten Richtlinien nicht mehr zu rühren.

In der Auseinandersetzung um die Klausel für eine "abgestufte Erwiderung" auf Urheberrechtsverstöße gemäß dem "Three Strikes"-Ansatz in der noch offenen Rahmenrichtlinie hat der Rat einen weiteren Kompromissansatz für die am 4. November startende offizielle Vermittlungsrunde ins Spiel gebracht. Demnach sollen entsprechende Maßnahmen die Anforderungen an ein faires und unparteiisches Verfahren allein "respektieren". Ferner wollen sich die Mitgliedsstaaten weite und unkonkrete Bereiche offen halten, in denen sie Dringlichkeitsmaßnahmen ohne eine entsprechende Berücksichtung der Grundrechte von Nutzern anordnen könnten.

(vbr)