Elektroauto: Deutsche Hersteller kommen nicht auf Touren in China

In China wächst der Anteil der E-Autos rapid. Davon profitieren vor allem chinesische Produzenten. Die Verkäufe der deutschen Hersteller stagnieren bestenfalls.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 79 Kommentare lesen

Vom Elektro-SUV BMW iX (Test) wurden in China laut staatlicher Versicherung nur 1684 Stück angemeldet.

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Angesichts der Zulassungszahlen aus China dürften den deutschen Herstellern schwierige Zeiten bevorstehen, besonders bei den Elektroautos. Die Wirtschaftszeitung Handelsblatt veröffentlichte gerade Zahlen zu deren Marktanteilen, unterfüttert mit der Statistik der staatlichen Pflichtversicherung, welche recht genaue Rückschlüsse auf die Anteile von Marken und Modellen zulassen soll. Demnach steigt der Anteil der Elektromodelle schneller als von allen Beteiligten erwartet. Die sind allerdings gerade nicht die Erfolgsdomäne der deutschen Hersteller. Sie verlieren an Boden.

Beispiel Volkswagen, mit seiner Gesamtpalette noch immer Marktführer in China: Seit 40 Jahren in China wächst der Konzern dort, der Markt für Autos chinesischer Marken allerdings gewinnt deutlich schneller an Größe. Nach Jahrzehnten der Marktführerschaft verkauft Volkswagen dort nun nur mehr jedes vierte Auto aus seiner Produktion. 2022 waren das rund 3,2 Millionen Stück, was einer anhaltenden Stagnation gleichkommt – ganz im Gegensatz zum chinesischen Markt, der währenddessen auf mehr als 23 Millionen wuchs. Weil sich China dem Wirtschaftswachstum mit nahezu allen Mitteln verschrieben hat, es nach dem Motto "in China für China" staatlich unterstützt und immer noch ein hohes Konsumpotenzial vorhanden ist, überrascht das nicht.

Bemerkenswert ist dagegen, wie wenig Volkswagen bei den Elektroautos mithalten kann: 2022 war der rein chinesische Konzern BYD mit etwa 1,9 Millionen E-Autos ganz vorn, Tesla erreichte noch rund 440.000 Stück, VW als Marke kam abgeschlagen auf circa 150.000 Elektroautos. Das entspricht einem Marktanteil von 2,4 Prozent. Immerhin, könnte man sagen, angesichts derer von BMW mit 0,8 Prozent, Mercedes mit 0,3 und Audi mit 0,1 Prozent – Elektroautos, wohlgemerkt. Tesla und Mercedes haben daraufhin ihre Verkaufspreise in China teils drastisch gesenkt.

Der Markt der in China sogenannten NEV, also New Energy Vehicles mit Elektro- oder Hybridantrieb hat sich nach den Zahlen des chinesischen Herstellerverbands CAAM (China Association of Automobile Manufacturers) allerdings zwischen Mitte 2021 und 2022 mehr als verdoppelt. Die Zahl der batterieelektrischen Autos soll 2022 laut CPCA (China Passenger Car Association) inzwischen 5,7 Millionen erreicht haben. Hier tut sich eine erkennbar schnell wachsende Lücke zwischen den europäischen und den einheimischen Elektroautos auf.

Als Gründe für ihren Erfolg nennen Berater und Branchenkenner die Reife der chinesischen Elektroautos. Doch haben sie nicht nur zum Branchenstandard aufgeschlossen, etwa mit der schnellen und effizienten 800-Volt-Spannungsebene. Sie bieten mit der Integration von Apps wie Alipay oder Taobao und der Steuerung von Funktionen eine sehr genau auf den Lifestyle der lokalen Kundschaft zugeschnittene Digitalisierung. Darüber hinaus sind sie meist preisgünstiger und in Segmenten unterhalb von "groß und luxuriös" verfügbar, die europäische Hersteller noch gar nicht kostendeckend anbieten können.

Im Gegenteil. So entwickelte und produziert Dacia seinen elektrischen Kleinstwagen Dacia Spring mit Dongfeng (in China ist es ein Dongfeng EX1 Nano), um ihn in Europa anbieten zu können. Das meistverkaufte batterieelektrische Auto in China ist ein Kleinwagen im Kei-Car-Format: Mehr als 570.000 verkaufte Wuling Hong Guang Mini EV (Wuling ist eine Tochter/Marke von SAIC). Teslas Model Y erreichte mit 455.000 Stück den zweiten Rang, Platz drei ging an den BYD Song DM, ein Mittelklasse-SUV mit Plug-in-Hybridantrieb, der 410.000 Kunden fand.

Mit der unerwartet rasch zunehmenden Elektrifizierung in China verlieren die Hersteller aus Deutschland den über Jahrzehnte entwickelten Vorsprung, den sie gewissermaßen als Erfinder des fossil angetriebenen Autos zweifelsfrei hatten. Die Elektrifizierung hat den Zähler just in dem Moment auf null gesetzt, in dem die chinesische Industrie bei der Entwicklung von Elektroautos praktisch die gleichen Chancen hatte wie ihre deutschen Pendants. Ihre zusätzlichen Vorteile sind die staatliche Förderung und ihre Nähe zu ihren Zielgruppen.

Doch nicht nur diese haben die großen Hersteller im Visier. BYD, Great Wall, Nio und Xpeng, um nur die hier bekannten zu nennen, entwickeln Autos, die auch auf den internationalen Märkten funktionieren. Wahrscheinlich bald auch hierzulande.

(fpi)