Elektroteile für Putins Krieg? Razzia bei deutscher Firma in der Nähe von Köln

Smart Impex soll elektronische Komponenten für Computer und Waffen über die Türkei nach Russland verkauft und so EU-Sanktionen umgangen haben.

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(Bild: Novikov Aleksey/Shutterstock.com)

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Die Kölner Staatsanwaltschaft lässt seit Donnerstagmorgen die Geschäftsräume dreier Gesellschaften in Kerpen und Hürth (Rhein-Erft-Kreis) südlich von Köln sowie die Wohnräume von drei Beschuldigten durchsuchen. Dies berichtet das ARD-Magazin "Monitor", das Rechercheergebnisse zu dem Fall am selben Tag veröffentlichte. Gegenstand der seit Januar laufenden Ermittlungen sind Geschäftsbeziehungen in Form von Verkauf, Ausfuhr und Lieferung von Waren aus dem IT- und Elektrobereich mit einem Volumen von 15,5 Millionen US-Dollar einer Kerpener Gesellschaft mit einem Unternehmen in der Türkei.

Dabei steht der Vorwurf im Raum, dass über ein Dreieckskonstrukt die Wirtschaftssanktionen gegen Russland umgangen werden, die die EU nach dem Angriff auf die Ukraine verhängte. Bei der Kerpener Firma handelt es sich laut dem Bericht um den Import-Export-Betrieb Smart Impex, der sich selbst als "Großhändler für IT-Produkte" beschreibt. Das Unternehmen steht im Verdacht, über die türkische Firma AZU International elektronische Bauteile nach Russland verkauft zu haben, die für Computer – auch militärisch – genutzt werden können. Solche Komponenten fanden sich bereits in Überresten russischer Raketen, die Experten in der Ukraine untersuchten. Sicherheitsforscher bezeichnen sie als "Herzstück" von Waffen in der Hand Wladimir Putins.

Bei der russischen Empfängerfirma handelt es sich laut "Monitor" um Fast Impex in Moskau. Deren Mitgründer Jaroslaw Z. ist zugleich einer der Gesellschafter von Smart Impex. Das deutsche Unternehmen lieferte dem Bericht nach die Technologie bis kurz vor Kriegsbeginn direkt nach Moskau. Das Geschäft soll über AZU aber weitergelaufen sein. Gründer dieser Firma mit Sitz in Istanbul ist Göktürk A., der zugleich Geschäftsführer und Gesellschafter der deutschen Smart Impex ist. 2022 soll der türkische Zwischenhändler elektronische Komponenten im Wert von über 20 Millionen US-Dollar nach Moskau verkauft haben.

Smart Impex teilte den WDR-Reportern mit, man lasse die Vorwürfe derzeit genauestens prüfen. Bisherige Sondierungen legten nahe, "dass unsere verkauften Güter nicht sanktioniert waren/sind". "Monitor" zufolge wurden in den vergangenen Wochen aber Anteile verkauft, ein Firmenname sowie Gesellschafterstrukturen in der Türkei und Russland geändert. Die Beteiligten seien offenbar sehr bemüht, die Spuren des Geschäftskonstrukts zu verwischen.

Von einem Einzelfall kann angeblich keine Rede sein. Fast ein Jahr nach der russischen Invasion werde der Angreifer weiter mit Technologie aus westlichen Ländern versorgt, heißt es in dem Bericht. Seit Februar 2022 sei das Ausfuhrvolumen der Türkei im Sektor Halbleiter und elektronische Schaltkreise quasi explodiert: von rund 300.000 US-Dollar im Jahr 2021 auf mehr als 86 Millionen US-Dollar im vorigen Jahr.

"Wir sehen einen massiven Anstieg der Exporte dieser Komponenten aus der Türkei nach Russland", erklärte die Ökonomin Elina Ribakova, die russische Importe untersucht hat. Vor allem von Unternehmen, die noch nie mit dieser Art von Bauteilen gehandelt hätten, seien dafür mitverantwortlich. Die Forscherin bewertet das als Hinweis auf eine mögliche systematische Umgehung der EU-Sanktionen. Dass Russland nach Halbleitern, Transformatoren, Steckern, Gehäusen, Transistoren und Isolatoren aus dem Westen für den Krieg sucht, ist bekannt. Um Nachschub sicherzustellen, soll Moskau sich auch Beispiele aus dem Lehrbuch von Staaten wie dem Iran abschauen.

(mho)