Entwurf für Medizinforschungsgesetz beschlossen, neuralgische Punkte bleiben

Die Bundesregierung hat einen Entwurf für ein Medizinforschungsgesetz beschlossen. Künftig sollen Forschungsanträge im Eilverfahren genehmigt werden können.

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Geld und Pillen

(Bild: InfinitumProdux/Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung hat für ihre Pharmastrategie einen Entwurf für ein Medizinforschungsgesetz beschlossen. Damit will das Bundesgesundheitsministerium "Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen sowie Zulassungsverfahren von Arzneimitteln, Medizinprodukten und forschungsbedingten Strahlenanwendungen" beschleunigen und entbürokratisieren. Bei der Vorstellung des Referentenentwurfs Ende des Jahres hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach bereits angekündigt, die Pharmainvestitionen nach Deutschland zurückzuholen.

An der Umsetzung ist auch das Bundesumweltministerium beteiligt, da neben Änderungen im Arzneimittelgesetz und im Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz auch welche im Strahlenschutzgesetz vorgesehen sind. "Wir sorgen für schnelle, verlässliche und unbürokratische Verfahren", wirbt das BMG in einer Pressemitteilung. So sollen Forscher und Unternehmen Sicherheit bei der Planung erhalten. Außerdem werden strahlenschutzrechtliche Anträge für Forschungsvorhaben im Medizinbereich über die gleichen Portale erfolgen wie andere medizinische Studien.

Mit dem Gesetz sollen Forschungsanträge bei einer "spezialisierten Ethik-Kommission" im Eilverfahren genehmigt werden können, beispielsweise Studien der Emergency Taskforce der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Für Fälle, die nicht "besonders eilig" oder anspruchsvoll sind, bleibt die Zuständigkeit bei den Ländern. Diese Ethik-Kommission, die in einem früheren Entwurf noch Bundes-Ethik-Kommission hieß, soll beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingerichtet werden. Die Bundesärztekammer (BÄK) kritisiert das, wie sie gegenüber dem Ärzteblatt äußerte.

Darüber hinaus soll es nach Anhörung des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), dem Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, bei bestimmten Verfahren – je nach "medizinischen Indikatoren, Bevölkerungsgruppen oder Studienphasen- oder -typen" – weitere spezialisierte Ethik-Kommissionen geben.

Im Vorfeld hatten unter anderem die BÄK und der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (Vfa) Kritik an einer fehlenden Unabhängigkeit der Bundes-Ethik-Kommission geübt, die in der Folge zur "spezialisierten Ethik-Kommission" umbenannt wurde. Laut BÄK-Stellungnahme stelle eine beim BfArM eingerichtete Ethik-Kommission die "Unabhängigkeit bei der ethischen Bewertung von Studienvorhaben in Frage". Ebenso bestünde laut BÄK, der Initiative Studienstandort Deutschland und dem Vfa zufolge die Sorge vor Parallelstrukturen.

Weitere Änderungen gibt es auch beim Genehmigungsverfahren für Strahlenanwendungen in klinischen Studien. Dabei soll das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eingebunden werden und erhält eine Anfrage von BfArM und PEI. Während das BfS das begrüßt, gibt es Kritik von dem Vfa: In anderen Staaten übernehme diese Aufgabe lediglich die Arzneimittelbehörde oder die Ethik-Kommission, heißt es in einer Stellungnahme. BfS-Präsidentin Dr. Inge Paulini zeigt für diese Forderung wenig Verständnis. "Die geplanten Neuregelungen zum Strahlenschutz für klinische Studien, bei denen ionisierende, also besonders energiereiche Strahlung eingesetzt wird, bieten dagegen einen guten Rahmen", sagt Paulini.

Deutschland ist, heißt es auch im Gesetzentwurf, der einzige EU-Mitgliedstaat, der mit dem BfArM und PEI über zwei Zulassungsbehörden mit unterschiedlichen Zuständigkeiten verfügt. Daher komme es zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Prüfung von Arzneimitteln. Um den Antragsstellern möglichst schnell und ohne großen Aufwand Rückmeldung zu geben, soll das BfArM künftig zentraler Kontaktpunkt für Zulassung und klinische Prüfung aller Arzneimittel werden.

Die Krankenkassen hingegen befürchten eine weitere finanzielle Mehrbelastungung mit dem Medizinforschungsgesetz. So begrüßt der AOK-Bundesverband zwar die Verbesserungen für den Forschungsstandort Deutschland. Er sieht allerdings "keinerlei Verhältnismäßigkeit mit Blick auf die zu erwartenden erheblichen finanziellen Belastungen für die Solidargemeinschaft durch vertrauliche Preise. Es drohen finanzielle Mehrbelastungen der Beitragszahlenden in Milliardenhöhe – ohne Mehrwert für die Patientinnen und Patienten", heißt es von Carola Reimann, Geschäftsführerin des AOK-Bundesverbands.

Bei der Mitte Dezember 2023 beschlossenen Pharmastrategie spielt das Medizinforschungsgesetz eine zentrale Rolle. Wo geforscht wird, finde nachher auch die Produktion statt, hatte Lauterbach bei der Vorstellung der Strategie betont. Mit der Hoffnung auf das Gesetz gebe es wieder mehr "Pharmaansiedlungen". Zu der Strategie gehören laut BMG "mehr als 40 Einzelmaßnahmen", etwa auch die beschleunigte Digitalisierung des Gesundheitswesens.

(mack)