Hyperloop ohne Röhre: Wie Magnetschwebebahnen auf normalen Gleisen schweben

Zwei Start-ups wollen Magnetschwebebahnen auf normale Gleise bringen. Anders als bei Hyperloop-Projekten lassen sie die Vakuumröhren einfach weg.

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Der Schlitten von IronLev.

(Bild: IronLev)

Lesezeit: 4 Min.

Das zentrale Problem bei Magnetschwebebahnen ist, dass sie aufwendige eigene Trassen brauchen. Zwei Start-ups entwickeln nun Lösungen, Magnetschwebetechnik auch auf normalen Gleisen einzusetzen. Beide haben sich ursprünglich an Hyperloop-Projekten beteiligt und sich irgendwann entschieden, die Vakuumröhre einfach wegzulassen. Damit enden die Gemeinsamkeiten der beiden aber auch schon.

Das schlichtere Verfahren verfolgt das italienische Start-up IronLev. Es lässt seine Fahrzeuge auf Permanent-Magneten schweben, welche die Schienen wie ein umgekehrtes U umschließen. Auf einer zwei Kilometer langen Versuchsstrecke in Venetien hat es kürzlich einen Versuchsschlitten auf 70 km/h beschleunigt.

Zumindest für das Schweben ist dabei keine Energie nötig. Für den Antrieb natürlich schon. Wie dieser genau funktioniert, erklärt IronLev nicht. Ein Foto (siehe unten) des unverkleideten Schlittens gibt aber einen Hinweis: E-Motoren treiben ihn offenbar mit Reibrädern an den Innenseiten der Schiene ab. Der Strom stammt wohl aus Akkus.

(Bild: IronLev)

Aufwendiger ist das Verfahren des polnisch-schweizerischen Unternehmens Nevomo. Den Antrieb übernimmt eine Magnetspule zwischen den Schienen, in Kombination mit Permanentmagneten in den Fahrzeugen. Bei niedrigen Geschwindigkeiten rollen die Fahrzeuge auf ganz normalen Rädern. Mit zunehmendem Tempo bauen Permanentmagnete einen Wirbelstrom auf, der ein Magnetfeld erzeugt, das ab etwa 70 km/h das Fahrzeug zum Schweben bringt. Getestet wurde das Ganze im vergangenen September auf einer 700 Meter langen Versuchsstrecke im Südosten Polens. Dabei erreichte das zwei Tonnen schwere Versuchsfahrzeug eine Geschwindigkeit von 135 km/h. Das Ziel für den kommerziellen Einsatz liegt bei 550 km/h.

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Beide Ansätze klingen technisch elegant. Doch welche Probleme genau lösen sie? Dadurch, dass sie auf Vakuumröhren verzichten, halten sich die Start-ups zwar eine Menge technischer Komplexität vom Hals. Aber dafür entgeht ihnen auch der eigentliche Vorteil des Hyperloops: der wegfallende Luftwiderstand. Die Magnetschwebetechnik senkt zwar den Rollwiderstand, aber der ist bei einem Rad-Schiene-System ohnehin recht gering. Der Luftwiderstand hingegen wächst quadratisch mit der Geschwindigkeit. Der Nutzen für die Energiebilanz ist also, gerade im Highspeed-Bereich, begrenzt. Allerdings sind schwebende Züge bequemer, leiser und verschleißärmer unterwegs – keine ganz unwesentlichen Argumente. Ob die Systeme insgesamt wirklich nachhaltig sind, hängt auch von der benötigten Menge an Permanentmagneten ab. Sie brauchen zwar keinen Strom, aber wertvolle Seltenerdmetalle.

Bleibt die Frage nach der Integration in das bestehende Bahnnetz. Auf den ersten Blick hat das System von IronLev hier die besseren Karten, denn es ist nicht auf die teure Nachrüstung von Antriebsspulen angewiesen. Diese soll laut Nevomo etwa fünf Millionen Euro pro Kilometer kosten.

Nevomo kann hingegen damit punkten, dass sich die Züge, wenn sie ihr Tempo vorübergehend senken, wie normale Schienenfahrzeuge verhalten. "Ein Zug startet immer auf Rädern und endet immer auf Rädern, wir können über jede Weiche und in jeden Bahnhof fahren", sagte Stefan Kirch, Chief Commercial Officer & Co-Founder, im Deutschlandfunk. Ob die Reibrollen von IronLev durch Weichen passen, oder ob das Start-up für kommerzielle Systeme eine andere Antriebstechnik im Blick hat, ist offen. IronLev hat bis Redaktionsschluss nicht auf eine entsprechende Anfrage reagiert.

Arndt Stefan, Professor für elektrische Bahnen an der TU Dresden, sieht noch ein weiteres Problem bei der Integration der Schwebetechnik ins bestehende Bahnnetz: "Die Eisenbahn strengt sich im Moment ja an, ihre Trassen so dicht zu besetzen, dass da eigentlich nichts mehr dazwischen passt. Das ist ein Zielkonflikt", sagt er gegenüber dem Deutschlandfunk.

Derzeit sucht Nevomo nach einer längeren Versuchsstrecke. Es ist nach eigenen Angaben bereits mit französischen und italienischen Bahngesellschaften im Gespräch. IronLev will als nächsten Schritt ein 20-Tonnen-Fahrzeug auf 200 km/h beschleunigen. Zudem entwickelt es einen Antrieb für selbstfahrende Güterwaggons (auf Rädern, ohne Schwebekufen). Er soll in diesem Jahr marktreif sein. Von IronLev sind die ersten Produkte bereits erhältlich – als Schienen für Schiebefenster.

(grh)