Kalifornier erhalten Anspruch auf Ersatzteile und Software

Der größte US-Staat führt eine Verpflichtung zur Unterstützung von Reparaturen ein. Es ist die bislang strengste US-Regelung, mit überraschenden Ausnahmen.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Ein Mann hockt vor einem Kardanadapater und schraubt daran

Das Symbolbild zeigt Wartungsarbeiten an einer kardanischen Kamera-Aufhängung der neuseeländischen Firma Shotover.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Kalifornien gibt sich ein Right to Repair. Das neue Gesetz verpflichtet Hersteller elektronischer und anderer Geräte, deren Wartung und Reparatur zu unterstützen – nicht gratis, aber zu "fairen und vernünftigen Bedingungen". Konkret müssen sie ausreichende Dokumentation, Funktionsteile, Werkzeuge und Software (samt Updates) zur Verfügung stellen, um Diagnose, Wartung und Reparatur zu ermöglichen.

Ansprüche haben ab 1. Juli 2024 sowohl die Eigentümer der Geräte selbst als auch unabhängige Reparaturanbieter und Ersatzteilhändler. Er gilt für sieben Jahre ab dem letzten Tag, an dem das Gerät hergestellt wurde, für alle Geräte, die frühestens zum 1. Juli 2021 erstmals in Kalifornien genutzt oder verkauft wurden. Kostet das Gerät im Großhandel weniger als 100 US-Dollar, reduziert sich die Dauer des Anspruchs auf drei Jahre ab letztem Herstellungstag, unter 50 Dollar Großhandelspreis gibt es keinen Anspruch.

Der Gesetzesantrag SB 244 wurde vom kalifornischen Unterhaus mit nur einer Gegenstimme, im Oberhaus sogar ohne Gegenstimmen verabschiedet. Gouverneur Gavon Newsom hat zwar noch ein Vetorecht, doch ist höchst unwahrscheinlich, dass er es ausübt. Prominente Unterstützung erhielt das Gesetz erst vor wenigen Wochen seitens Apple: Der Konzern ist nun für ein Recht auf Reparatur in Kalifornien. Bis dahin hatte Apple jahrelang gegen diesen Verbraucherschutz lobbyiert.

Allerdings gibt es im Gesetz eine Reihe von Ausnahmen. Kein Recht auf Reparatur gibt es für Konsolen für Computerspiele, Alarmanlagen samt Feuerschutzsystemen, und jene Teile von Geräten, die einem vom Eigentümer aktivierten Diebstahlschutz dienen. Die größte Ausnahme ist vielleicht, dass Hersteller keine Ersatzteile liefern müssen, wenn sie sie nicht mehr herstellen und auch selbst nicht einbauen und auch ihren Partnerwerkstätten nicht mehr zur Verfügung stellen.

Außerdem erfasst das kurze Gesetz eine weite Bandbreite bestimmter Apparate nicht, für die es bereits eigene, umfangreiche Regeln zu Vertrieb und Ersatzteilhandel gibt. Das sind All Terrain Vehicles (ATV) sowie alle Maschinen und Vorrichtungen, die eingesetzt werden für oder bei Landschaftspflege, Gärtnerei, Golfplätzen, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bergbau, Hochbau, Tiefbau, Fabriken oder der Versorgung mit Strom, Wasser oder Gas. Sehr wohl erfasst das neue Gesetz aber Straßenfahrzeuge, auch wenn sie für diese Zwecke vorgesehen sind.

Keinen Anspruch gibt es auf die Herausgabe von Sourcecode. Ebenfalls geheim halten dürfen Hersteller Dokumentation oder Software, die sie zur gebührenfreien Fehlerdiagnose mittels Telekommunikation einsetzen, sofern sie diese Dokumentation oder Software auch sonst keinem Dritten zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sind ausgenommen Dokumentation, Werkzeuge und Software, wenn diese ausschließlich für Maschinen genutzt werden, die mehrere Geräte gleichzeitig reparieren; der Hersteller muss dann aber andere Dokumentation, Werkzeuge und gegebenenfalls Software herausgeben, damit Dritte Probleme am betroffenen Gerät diagnostizieren und reparieren beziehungsweise dieses warten können.

Das Gesetz sieht Geldstrafen für Hersteller vor, die sich nicht an das Recht auf Reparatur halten. Aktiv klageberechtigt sind dafür der Staat Kalifornien sowie dessen Countys und Städte. Beim ersten Verstoß droht dem Hersteller eine Geldstrafe von maximal 1.000 US-Dollar täglich, beim zweiten Verstoß doppelt so viel, und ab dem dritten Verstoß können 5.000 Dollar pro Tag verhängt werden.

Haftung unterliegen Hersteller und dessen Partner keiner. Geht bei der Reparatur durch den Geräteeigentümer oder Dritte etwas schief, können sie nicht zur Verantwortung gezogen werden. Unabhängige Reparaturwerkstätten müssen ihre Kunden im Voraus darauf aufmerksam machen, dass sie kein Partner des jeweiligen Herstellers sind.

Kalifornien ist der dritte US-Staat, der Bürgern und Organisationen ein weitreichendes Recht auf Reparatur garantiert. Minnesota und New York haben ähnliche Gesetze, die ebenfalls nächstes Jahr in Kraft treten. Allerdings währt der Anspruch in Kalifornien länger; in New York konnten Lobbyisten in letzter Minute mehr Schlupflöcher ins Gesetz einfügen. In etwa 20 weiteren US-Staaten wurden Gesetzesanträge für ein Right to Repair eingereicht. Auch in der EU wird über ein Recht auf Reparatur verhandelt.

In Massachusetts haben die Wähler 2020 durch eine Volksabstimmung ein Recht auf Autoreparaturen beschlossen; Hersteller, die ihre Kfz in dem US-Staat anbieten, müssen eine standardisierte Datenplattform unterstützen, über die sowohl Eigentümer als auch unabhängige Werkstätten auf Telemetriedaten für Diagnose, Wartung und Reparatur zugreifen können. Die Bundesbehörde für Straßenverkehrssicherheit blockierte dieses Gesetz zunächst, hat ihren Widerstand aber diesen August aufgegeben.

Tesla muss sich am US-Bundesbezirksgericht für das nördliche Kalifornien zwei Sammelklagen stellen. Die Kläger werfen dem Kfz-Hersteller vor, Wettbewerbsrecht verletzt zu haben, indem er den Wettbewerb um Ersatzteile und Reparatur seiner Elektroautos, sowie den Zugriff auf deren Daten, behindert habe (Lambrix v Tesla, Az. 23-cv-01145, und Orendain v Tesla, Az. 23-cv-01157).

(ds)