Kinonikons und Leica-Vollformat – die Fotonews der Woche 10/2024

Dem deutschen Fotomarkt geht es gut, Nikon kauft Red, und Leica stellt die SL3 vor. Gute Nachrichten allenthalben – bis auf die unselige Fototapete.

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Eine Red One mit viel Zubehör beim Dreh. Die eigentliche Kamera ist nur der kleine Kasten rechts hinter der Hand des Kameramanns.

(Bild: Ralph von Zündt / Andreas Brauner)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Konnte man über die CES noch enttäuscht sein, und bei der CP+ die ganz großen Neuigkeiten vermissen: Die vergangene Woche brachte alles mit, was eine starke Nachrichtenwoche für Fotografen und Filmer ausmacht. Es gibt einiges zu sortieren, und hätten wir nicht in unserer Kolumne nicht schon das What-a-Week-Meme erwähnt, dann wäre jetzt die Gelegenheit dafür.

Langfristige Auswirkungen auf gleich mehrere Branchen dürfte Nikons Übernahme der Firma Red haben. Was da passiert ist, erklärt unsere ausführliche Meldung, daher jetzt ein wenig Einordnung. Denn auf den ersten Blick ist die Sache nicht so einfach, als dass sich Nikon nur in den lukrativen Markt der Kameras für Serien- und Filmproduktion eingekauft hat. 4K und mehr bei guter Bildqualität können schließlich auch alle modernen Systemkameras wie in dem Fall Z 8 und Z 9.

An eine professionelle Kinokamera stellen Nutzer jedoch ganz andere Anforderungen. Und wie eine herkömmliche Fotokamera sehen die meist kastenförmigen Geräte auch nicht aus. Sie stellen wie das Motherboard eines PCs nur die Basis dar, um die der Operator, vulgo: Kameramann, dann die Funktionen baut, die gerade benötigt werden. Unzählige Ports, Adapter für verschiedene Objektivbajonette, mehrere Toneingänge, externe Stromversorgung, Timecode-Synchronisation mit anderen Geräten und viele mechanische Montagepunkte für Griffe und anderes Zubehör sind nur ein Teil der Anforderungen, wie auch das Titelbild dieses Artikels zeigt.

All das bringt Red mit, und vor allem auch die Entwicklung eigener Sensoren. Bei den High-End-Kameras war Nikon hier zunehmend von Sony abhängig. Deren Sensor mit Global Shutter in der A9 III gibt es bisher bei keiner anderen Kamera, Red hat jedoch Global Shutter in der Kamera V-Raptor XL zu bieten. Und zwar in Verbindung mit dem, was man in der Filmbranche "Large Format" nennt, ein Querformat breiter als 16:9, aber nicht ganz 21:9. Vielmehr hat der Sensor der Raptor ein Verhältnis von rund 18:9, bei 8192 × 4320 Pixeln Auflösung. Den genauen Bildausschnitt legt in der Regel der Regisseur je nach gewünschtem Bildeindruck fest.

Man sieht schon: Bei einer ganz aufs Filmen ausgelegten Kamera ist auch am Sensor vieles anders. Sowie beim Bajonett: Quasi-Standard ist hier das von Arri entwickelte "positive lock"-System, allgemein als "PL mount" bekannt. Dafür gibt es viele als "Cine" bezeichnete Objektive. Andere – wie Canons EF-Bajonett – werden über Adapter an den PL-Mount angeflanscht. Das ist üblich. Durch die hohe Auflösung von früher Film und heute 8K-Sensoren ist der veränderte Bildkreis kein großes Problem.

Das muss nicht heißen, dass die von manchen spontan vermuteten Cine-Objektive von Nikon für die Red-Kameras nie erscheinen. Nikon hat bei der Optik Red so ziemlich jedes Know-How voraus und ist ja auch in anderen Bereichen wie Medizin, Meßstechnik und weiteren Feldern mit optischen Geräten erfolgreich. Gut möglich, dass man sich da den einen oder andern optischen Trick für Cine-Linsen ausborgt. Auf viele motorisierte Nikkore fürs Filmen sollte man jedoch nicht hoffen, die Entwicklung ist komplex – Stichwort Fokusstabilität – und die zu erwartende Stückzahl gering.

Weil Filmgerät oft sehr teuer und rar ist, wird es meist vermietet, und nicht gekauft. Dazu braucht es ein Servicenetz vor allem in den Filmmetropolen. Das konnte Red in den nur 17 Jahren seines Bestehens nicht aufbauen, aber Nikon hat eines. Diese Nikon Professional Services sind zwar bisher vor allem auf Fotografen ausgelegt, jedoch: Die Strukturen und Standorte existieren. Die Messlatte liegt dabei ziemlich hoch. Wer beispielsweise schon einmal in München gedreht hat, und bei Arri Rental guter Kunde ist, bekommt gegen entsprechende Bezahlung zu jeder Zeit frisch gewartete Mietgeräte direkt ans Set geliefert.

Arri ist der Gigant der Filmbranche, wohl keine andere Firma hat mehr Technik-Oscars gewonnen. Ebenfalls etabliert sind Canon und Sony, letztere können noch auf die lange Erfahrung mit den Betacams bei Fernsehproduktionen und den entsprechenden Ruf zurückgreifen. Und so ziemlich die gesamte Filmbranche befindet sich in einem Rechtsstreit mit Red, denn diese Firma erhielt 2012 ein Patent für die Aufzeichnung von nur leicht verlustbehaftet komprimierten Raw-Videos in einer Kamera.

Dabei geht es dem Patent zufolge jedoch nicht um einen bestimmten Algorithmus, sondern um das generelle Verfahren, das unter anderem mit dem Subsampling von Farben auch in anderen Kompressionsmethoden steckt. Ein YouTube-Video von Frame Voyager erklärt das anschaulich. Weil das Patent so allgemein gehalten ist, versuchen viele Hersteller, es durch eigene Kompressionsformate zu umgehen. Red klagte dagegen in der Vergangenheit regelmäßig, auch kurz nach dem Erscheinen von Nikons Z 9, die ebenfalls eine interne Raw-Aufzeichnung bietet. Überraschend einigten sich die beiden Firmen aber vor knapp einem Jahr dann außergerichtlich.

Ob das Red-Patent einem langen Gerichtsprozess standhalten würde, ist damit noch nicht geklärt. Wie in solchen Fällen üblich wurde auch nicht bekannt, ob Nikon seitdem an Red Lizenzgebühren zahlt. Weil man sich jedoch schon einigen konnte, und seitdem mit der Z 8 eine weitere Nikon mit Raw-Aufzeichnung dazukam, kann der Patentstreit kaum als Hauptgrund für die Übernahme von Red angesehen werden. Im Übrigen gilt das Patent noch bis 2028, aus Reds Sicht war also keine Eile geboten. Es ist auch bisher nicht abzusehen, ob Nikon jetzt das Red-Patent bei der Konkurrenz eintreiben will.

Warum ausgerechnet Nikon, und nicht die drei anderen Filmkameragrößen, Arri, Canon und Sony sich Red geschnappt haben, liegt auf der Hand: Die haben schon entsprechende Produkte und würden einen internen Verdrängungswettbewerb anzetteln. Das hat Nikon kaum zu befürchten, allenfalls könnte die rüde US-amerikanische Startup-Kultur mit konservativem japanischem Geschäftsgebaren kollidieren. Wachstum im neuen Markt dürfte sich Nikon vor allem vom ungebrochenen Streaming-Boom versprechen, denn der Bedarf nach immer mehr Material bleibt bei Amazon, Disney, Netflix, Paramount und Co. ungebrochen.

Ein Wachstum konnte der deutsche Kameramarkt 2023 nicht verzeichnen, aber in den Zahlen stecken einige andere gute Nachrichten. An erster Stelle ist da das Gesamtvolumen zu nennen: Fotokameras, Camcorder, Actioncams und Zubehör für zusammen 636 Millionen Euro wurden verkauft. Das sollte man immer bedenken, wenn andere wieder unken, richtige Kameras seien durch das Smartphone längst obsolet. Zum anderen zeigt sich auch hier der Trend zu immer teureren Geräten: zwar gingen die Stückzahlen um 8,2 Prozent zurück, aber der Umsatz nur um 1,6 Prozent. Überholt sind jedoch die DSLRs, es wurden nur noch 61.000 Stück verkauft, 28,3 Prozent weniger als zuvor. Einen Boom erleben dagegen Sofortbildkameras, die auf 490.000 Stück kamen.

Vielleicht am Umsatz, aber wohl kaum an den Stückzahlen, dürfte dabei Leica beteiligt sein. Teuer ist auch die neue SL3 für rund 6.800 Euro. Der Sensor soll mit 15 Blendenstufen Dynamikumfang gleich alle anderen Vollformatkameras schlagen, und mit 60 Megapixeln liegt er auch am oberen Ende der Skala bei vergleichsweise kompakten Geräten. Den Trends der Zeit kann sich auch Leica beim Nachfolger der SL2 nicht verschließen, Schwenkdisplay und Wetterfestigkeit zeugen davon – und vor allem der KI-Autofokus, den inzwischen alle neuen Kameras besitzen. Der Rest der Ausstattung und Funktionen findet sich hier.

So richtig schlechte Nachrichten gab es in dieser Woche jedoch auch, und zwar von der unendlichen Geschichte der unseligen Fototapete. Weil das Drama um einen fleißig abmahnenden deutschen Fotografen inzwischen rechtlich komplex geworden ist, stellt es gleichzeitig auch unsere Empfehlung für einen Long Read zum Wochenende dar. In einem aktuellen Artikel von Daniel AJ Sokolow geht es primär darum, dass der Fall nun vor dem Bundesgerichtshof landet. Wie es soweit kam, erschließt sich aber erst, wenn man den ganzen darin enthaltenen Links folgt. Für Eilige: Fotos von Fototapeten sollte man besser nicht machen. Zumindest so lange, wie eine offensichtliche Rechtslücke noch besteht.

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