Martha Stewart steigt gegen Patenttroll in den Ring

Nachdem Apples Intervention gegen den Patentverwerter Lodsys vorerst erfolglos war und die von Google initiierte Prüfung der strittigen Patente noch andauert, wirft Martha Stewart dem Schrecken aller App-Entwickler den Fehdehandschuh hin.

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Inhaltsverzeichnis

Ein US-Bundesgericht in Texas hat Apples Intervention in einem von Patentverwerter Lodsys gegen sieben App-Entwickler angestrengten Patentverletzungsverfahren zurückgewiesen. Da die Streitigkeiten mit den betroffenen Entwicklern inzwischen beigelegt wurden, sei der Einspruch ohne Belang, heißt es in der vergangene Woche veröffentlichten Begründung des Gerichts. Apple hatte versucht, die Ansprüche des Patentverwerters grundsätzlich in Frage zu stellen. Auch Google geht gegen Lodsys vor – und neuerdings hat US-Haushalts-Ikone Martha Stewart den Fehdehandschuh geworfen.

Lodsys hält vier US-Patente und führt mit diesen seit einigen Jahren zahlreiche Prozesse gegen verschiedene Softwarehersteller, um sie zu Lizenzvereinbarungen zu zwingen. Im vorliegenden Fall hatte das Unternehmen im Sommer 2011 gegen sieben App-Entwickler geklagt und forderte unter anderem Lizenzzahlungen für ein Patent, das ein Verfahren zur Verarbeitung von Kundenaufträgen auf Geräten in einem Netzwerk beschreibt (US-Patent-Nr. 7,620,565). Dieses Patent sollen die Softwarehersteller mit den in ihren Apps möglichen Transaktionen (In-App-Purchase) verletzen. Später hatte Lodsys die Klage erweitert und nun auch "Angry Birds"-Entwickler Rovio sowie Electronic Arts angegriffen.

Im April 2012 hatte das Gericht Apple erlaubt, dem Verfahren beizutreten. Der iPhone-Hersteller hat die strittigen Patente für iOS lizenziert und ist der Ansicht, dass die Nutzung der entsprechenden iOS-Funktionen durch Apps damit abgedeckt ist. Apple argumentiert dabei mit der Rechtsdoktrin, dass Ansprüche gegen Anwender von einer Lizenz des Herstellers gedeckt sind ("Exhaustion Doctrine"). Angesichts der inzwischen beigelegten Klagen hat das Gericht den Einspruch Apples allerdings abgewiesen, ohne die vorgebrachten Argumente abzuwägen.

Dabei wollte das Gericht auch nicht der Darstellung Apple folgen, dass die Frage der Lizenzgültigkeit über den konkreten Fall hinaus für alle App-Entwickler wesentlich und deshalb eine Bewertung angebracht sei. Die grundsätzliche Entscheidung eines Bundesgerichts, dass bei In-App-Transaktionen die "Exhaustion Doctrine" greift, hätte Lodsys weitere Klagen erschwert. Apple kann die Frage nun in anderen, noch laufenden Verfahren erneut aufwerfen. Gelegenheit dazu gibt es genug.

Auch Android wurde von Lodsys angegriffen. Google – selbst auch Lizenznehmer – hat im Gegenzug versucht, die Gültigkeit der Patente neu prüfen zu lassen. Das US-Patentamt USPTO hat Googles Antrag inzwischen stattgegeben und sich die strittigen Patente erneut vorgenommen. Dabei haben die Prüfer offenbar zahlreiche der in beiden Patenten formulierten Ansprüche auf der Streichliste. Inwiefern sich das auf die Funktion der In-App-Käufe auswirkt, ist noch nicht klar. Eine rechtsgültige Entscheidung gibt es noch nicht, daher gelten die Patente weiter wie erteilt.

Lodsys klagt unterdessen munter weiter: Im April dieses Jahres hat der Patentverwerter erneut verschiedene Entwickler vor Gericht gezerrt, darunter Walt Disney und Gameloft. Seither liegen weitere Klagen gegen Softwarehersteller wie PopCap ("Plants vs Zombies"), Instamatic, Evernote oder Capcom vor. Lodsys setzt bei seinen Klagen auf eine möglichst schnelle und geräuschlose Einigung. Der Verwerter fordert nicht zu hohe Summen und bietet seine Lizenzen auch schon für 5000 US-Dollar pro Patent an.

So ein Angebot hat auch Martha Stewart bekommen. Die amerikanische Haushalts-Göttin führt das Medienimperium MSLO, das zahlreiche Apps im Portfolio hat. Stewart will sich aber nicht freikaufen, sondern geht aktiv gegen Lodsys vor: Ihr Unternehmen hat in der vergangenen Woche eine Klage gegen Lodsys vor einem Bundesgericht in Wisconsin eingereicht. MSLO will gerichtlich feststellen lassen, dass die eigenen Produkte die vier Lodsys-Patente nicht verletzen, und sie darüber hinaus für ungültig erklären lassen.

Inzwischen ist auch klar, dass die Lodsys-Patente zuvor einem anderen Patentverwerter gehörten: Intellectual Ventures (IV). Das vom ehemaligen Microsoft-Manager Nathan Myhrvold gegründete Unternehmen gehört zu den größten Patentbesitzern und soll Investoren wie Microsoft, Intel, Sony, Nokia, Apple, Google und Yahoo im Rücken haben. Bisher hat sich IV stets damit gebrüstet, keine Patentverfahren zu führen und Kritik am Geschäftsmodell zurückgewiesen. Szenekenner vermuten, dass Lodsys als eine von vielen Strohfirmen für IV handelt.

Myhrvold selbst hat nun in einer von Groklaw ausgegrabenen gerichtlichen Eingabe bestätigt, das die Lodsys-Patente früher IV gehörten. Myhrvold will verhindern, persönlich in eine der Patentauseinandersetzungen um Lodsys hineingezogen zu werden. In Zeiten, in denen sich die US-Handelsaufsicht FTC die Patenttrolle zur Brust nehmen will, bleibt man lieber auf Distanz. (vbr)