Meta folgt Oversight Board nicht: Gewaltbereiter Politiker darf weiterposten

Meta setzt mehrere Empfehlungen seines Oversight Board nicht um. Regeln werden nicht verdeutlicht, der mit Gewalt drohende Premier Kambodschas nicht gesperrt.

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Eingang zu Facebooks Europa-Zentrale in Irland

Der Eingang zu Metas Europa-Zentrale in Irland in einer Archivaufnahme

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

Mit Gewalt hat Hun Sen politisch Andersdenkenden gedroht, in einem über Facebook verbreiteten Video. Gewaltandrohung verstößt gegen Metas Richtlinien. Doch das Video blieb zunächst auf Facebook, weil Sen seit 1985 Premiereminister Kambodschas ist. Für Politiker macht Meta Platforms Ausnahmen. Metas Oversight Board ist allerdings zu dem Schluss gekommen, dass Sen auch dafür zu weit gegangen ist. Also nahm Meta das Video offline. Die meisten Empfehlungen des Oversight Board setzt Meta aber ausdrücklich nicht um.

Meta hat das Oversight Board 2020 eingerichtet, um Kritik an seinen Regeln und deren uneinheitlicher Umsetzung Wind aus den Segeln zu nehmen. Allerdings sind nur wenige Entscheidungen des Gremiums für Meta verpflichtend. Die Entscheidung, das Video doch zu sperren, muss Meta demnach umsetzen. Die übrigen Erkenntnisse in diesem Fall sind allerdings nur Empfehlungen; diesen Spielraum nutzt Metas Management jetzt aus.

Lediglich zwei von sechs Empfehlungen will Meta umsetzen, und selbst das nur zum Teil. Über zwei weitere denkt der Datenkonzern noch nach, und die übrigen zwei lehnt er ab.

Das Oversight Board empfahl, die Facebook- und Instagramkonten des kambodschanischen Machthabers für mindestens sechs Monaten zu sperren. Außerdem solle Meta die Regeln über Einschränkungen der Konten öffentlicher Personen verdeutlichen für Fälle, in denen Bürger der fortgesetzten Bedrohung mit Gewalt seitens ihrer Regierungen ausgesetzt sind – wie es beispielsweise in Kamodscha oder Myanmar der Fall ist. Beides lehnt Meta ab. Sein Facebook-Konto hat Sen offenbar selbst geschlossen, sein Instagram-Profil ist weiterhin online.

Wie erwähnt macht Meta für öffentliche Personen wie Politiker Ausnahmen, wenn deren Beiträge gegen die Regeln verstoßen. Bei Meta ist das als "newsworthiness allowance" bekannt. Das Oversight Board empfahl Meta, klarzustellen, dass diese Ausnahme nicht gilt, wenn der Täter direkt zu Gewalt aufruft. Zudem solle Meta Postings von hochrangigen Regierungsvertretern vorrangig überprüfen, wenn deren Beiträge mit Hinweis auf Gewaltbezug gemeldet wurden. Meta unterzieht beide Vorschläge einer Machbarkeitsprüfung.

Die Überprüfung langer Videos solle besser werden, forderte das Aufsichtsgremium – Sens Video dauerte 101 Minuten. Den Zensoren sollte gestattet werden, die Videos etwas schneller laufen zu lassen, und Algorithmen könnten ihnen brisante Passagen vorschlagen. Meta möchte das "teilweise" umsetzen, bleibt aber unkonkret und spricht bloß davon, wiederholt Verbesserungen auszuprobieren.

Schließlich empfahl das Oversight Board mehr Transparenz: Bei Maßnahmen gegen Konten hochrangiger Regierungsvertreter sollte Meta immer öffentlich machen, welche Maßnahmen es warum gesetzt hat. Dem schließt sich Meta nicht an. Solche Veröffentlichungen würden Einzelfallentscheidungen bleiben, um "Transparenz und Sicherheit" auszubalancieren.

Der Fall heißt Cambodian prime minister und trägt das Az. 2023-003-FB-MR.

(ds)