Regulierer will Zügel der Telekom in mehr Städten lockern

Beim umstrittenen Regulierungsvorschlag für den Bitstrom-Zugang ist nun Brüssel am Zug. Ursprünglich sollte die Bundesnetzagentur die Regulierung des Zugangs zum Telekomnetz in 15 Städten lockern, jetzt sind es deutlich mehr.

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Netzwerkstecker

In zahlreichen Städten will die Regulierungsbehörde die Auflagen für den Zugang zum Telekom-Netz lockern.

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Die Bundesnetzagentur hat ihren umstrittenen Vorschlag, die Preisvorgaben für die Telekom in bestimmten Regionen zu lockern, den EU-Aufsichtsbehörden vorgelegt. Der Regulierungsvorschlag für den Bitstrom-Zugang sei vor kurzem in Brüssel vorgelegt worden, sagte ein Behördensprecher am Montag der dpa. Damit geht das umstrittene Vorhaben, das Wettbewerber der Telekom als “Dammbruch” in der Regulierungspolitik geißeln, auf die Zielgerade.

Der Plan der Regulierungsbehörde ist, die Regulierung des Telekom-Netzes in inzwischen 20 städtischen Regionen zu lockern. Dort herrscht nach Ansicht der Regulierer ausreichend Wettbewerb, sodass die Telekom ab 2016 von der Pflicht entbunden werden kann, ihren Wettbewerbern einen Bitstrom-Zugang zum Kernnetz (Layer 3) zu regulierten Konditionen zu geben, wenn sie einen regulierten Zugang auf Zugangsnetzebene (Layer 2) ermöglicht.

Das soll laut ursprünglicher Planung in Bochum, Bottrop, Bremerhaven, Gelsenkirchen, Herne, Karlsruhe, Kiel, Köln, Leipzig, Leverkusen, Mannheim, Osnabrück, Pforzheim, Recklinghausen und Reutlingen gelten. Im Laufe des nationalen Konsultationsverfahrens kamen noch Flensburg, Gladbeck, Troisdorf, Tübingen und Zwickau dazu. Die Großstädte Berlin, Hamburg und München
zählen nicht dazu.

Beim Layer-2-Zugang können die Unternehmen an rund 900 Übergabepunkten ans Telekom-Netz andocken und müssen dafür dort eigene Infrastruktur aufbauen. Das ist aufwändiger als ein Layer-3-Zugang, den es an weniger Übergabepunkten gibt, dafür lässt Layer 2 mehr Spielraum bei der Gestaltung der Produkte. Die Regulierungsbehörde geht davon aus, dass Layer-2-Bitstrom angesichts der zunehmenden Verbreitung von Vectoring an Bedeutung gewinnt und “die entbündelte Teilnehmeranschlussleitung als Vorleistungsprodukt ablösen” wird.

Das lässt bei den Telekom-Konkurrenten die Alarmglocken schrillen. In der Lockerung der Bitstrom-Regulierung sehen die Wettbewerber den Einstieg in den Ausstieg aus der Regulierung der Teilnehmeranschlussleitung (TAL), die für die Unternehmen unverzichtbar ist. Der heutige Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt ist im Wesentlichen der “Entbündelung” dieser letzten Kabelmeile in den Haushalt zu verdanken. Die Telekom muss die TAL zu festen Konditionen an einen Wettbewerber übergeben, wenn der Kunde Telefon und Internet lieber von diesem als von der Telekom beziehen möchte.

Die Wettbewerberverbände Breko und VATM warnen vor einem “Dammbruch zu Lasten des Wettbewerbs” und sehen ihre Befürchtungen auch dadurch bestätigt, “dass die Bundesnetzagentur noch während des laufenden Verfahrens bereits die Zahl der Gebiete für eine Deregulierung der Telekom erweitert”, wie es VATM-Chef Jürgen Grützner formuliert. Der Wettbewerb, den die Bundesnetzagentur in den Städten vorfindet, sei nicht selbsttragen, sondern vielmehr das Ergebnis erfolgreicher Regulierung. Die jetzt zurückzufahren sei falsch: “Ohne eine klare Marktregulierung kann die Telekom dort ihre Marktmacht zukünftig wieder ausspielen”, fürchtet Grützner.

Mit großen Änderungen an der Vorlage ist nicht mehr zu rechnen. In Brüssel hat nun das Gremium Europäischer Regulierungsstellen (GEREK) die Gelegenheit zur Stellungnahme. Erst danach kann die Bundesnetzagentur ihren Vorschlag in Kraft setzen. Die Behörde verabschiedet sich damit von einer national einheitlichen Linie, die bisher die Regulierungspolitik bestimmt hat. Vorgaben zu Zugangsmöglichkeiten und Preisen galten bundesweit. Mit der Lockerung der Preisregulierung in 20 Großstädten berücksichtigt die Bundesnetzagentur erstmals regionale Märkte in ihre Entscheidungen. (vbr)