Schiff rammt offenbar Offshore-Windkraftanlage in der Nordsee

Ein stark beschädigtes Frachtschiff läuft in den Hafen ein, der Kapitän schweigt sich über den Vorgang aus. Offenbar hat er eine Windkraftanlage angefahren.

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Das klaffende Loch in der Schiffsaußenhaut

(Bild: Wasserschutzpolizeiinspektion WSPSt Emden)

Lesezeit: 4 Min.

Im deutschen Seegebiet der Nordsee hat ein Frachtschiff offenbar eine Offshore-Windkraftanlage gerammt. Das bestätigte am Mittwochabend in einer Mitteilung das dänische Energieunternehmen Ørsted, das unter anderem die Windparks Godewind 1 und 2 betreibt.

Dass es eine Kollision im Umkreis des Emder Hafens gegeben haben muss, ließ das unerwartete Einlaufen eines beschädigten Frachtschiffes in diesen vermuten. Dort machte der Kapitän des Schiffes – trotz offensichtlicher Beschädigungen an seinem Schiff – keine Angaben zum Unfallort und -verlauf. Positionsdaten halfen bei der Rekonstruktion des Falls.

Wie die Polizei am vergangenen Dienstag festhielt, lief ein beschädigtes, etwa 70 Meter langes Seeschiff in den Emder Hafen ein. Das unter der Flagge Antiguas fahrende Schiff startete in Stettin und sollte eigentlich Antwerpen erreichen – beladen mit 1500 Tonnen Getreide. Am Vorschiff (steuerbord, in Fahrtrichtung rechts) konnte die Polizei ein circa 5 mal 3 Meter großes Loch in der Außenhaut des Schiffsrumpfs registrieren.

Das Frachtschiff musste nach der Beschädigung den Emder Hafen anlaufen.

(Bild: Wasserschutzpolizeiinspektion WSPSt Emden)

Berichten zufolge, erklärte der 59-jährige russische Kapitän des Frachters zunächst nicht, woher die Beschädigung stammte. Gängige Meldeketten auf See vermied der Kapitän offenbar, so wurde etwa die Seeraumüberwachung nach dem Unfall nicht kontaktiert. Unter anderem AIS-Positionsdaten (Automatic Identification System) ließen aber darauf schließen, dass der Frachter weit ab von seinem eigentlichen Kurs unterwegs gewesen sein musste.

Um Windparks herum gibt es Schutzzonen, die überwacht werden, sowohl vom Betreiber selbst als auch von der Verkehrszentrale des Bundes. Innerhalb von Windparks dürfen Schiffe ebenfalls nicht einfach verkehren, selbst eigene Service-Schiffe nicht. Dringt ein Schiff in die Schutzzone ein, wird es normalerweise von den überwachenden Stellen kontaktiert. Der Windparbetreiber Ørsted habe dies jedoch nicht gemacht, erklärte Deutschland-Chef Malte Hipp gegenüber dem NDR, obwohl das betriebsinterne Kontrollzentrum laut dpa die Einfahrt des Schiffes dokumentierte. Das Schiff sei nur kurz in den Bereich eingedrungen und nach der Kollision abgedreht. Die Verkehrszentrale Deutsche Bucht will sich aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht äußern, ob auch sie nicht das Schiff kontaktierte.

Dass Ørsted dem Vorfall zunächst nicht weiter nachgegangen ist, könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass das Windrad weiterhin wie gewohnt Strom lieferte. Da Windpark-Betreiber Standzeiten ihrer Windräder vermeiden möchten, überwachen sie unter anderem die Produktivität der einzelnen Anlagen sehr genau. Die Kollision wird demnach die erbrachte Leistung des offenbar angefahrenen Windrads nicht oder nur kaum eingeschränkt haben. Dazu passt auch die Meldung von Ørsted, dass bisher nur geringe Beschädigungen festgestellt wurden, das Windrad aber nun überprüft wird.

In den Godewind-Parks 1 und 2 stehen Monopiles. Dementsprechend wird das Frachtschiff gegen die unten liegende, gelbe Plattform eines Windrads gefahren sein, die auch für die Anfahrten von Service-Schiffen konstruiert sind, die bei stärkerem Wellengang auch stark gegen die Plattformen gedrückt werden können.

Windkraftanlagen aus dem Windpark Meerwind Süd/Ost. Der gelbe Teil des Windrads ist ein Transition-Piece mit Plattform. An dieses docken auch Service-Schiffe an. Die Monopiles in diesem Park wurden 30 Meter im Meeresboden versenkt. Mehr zu diesen Anlagen und dem Windpark-Management können Sie in unserer Artikelserie zu dem Thema lesen.

(Bild: heise online / Johannes Börnsen)

Das Schiff soll laut dpa im Automatik-Modus unterwegs gewesen sein. Die Wasserschutzpolizei in Emden übernehme nun nach Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft in Hamburg die Ermittlungen zu dem Unfall. Nach Einschätzung der Wasserschutzpolizei handle es sich um den ersten Vorfall, bei dem ein größeres Frachtschiff vor der deutschen Nordseeküste mit einer Windkraftanlage zusammengestoßen ist. Eine Sprecherin von Ørsted sagte, es habe bereits vor einigen Jahren einen Unfall bei dem Aufbau von Windkraftanlagen gegeben. Dabei habe es sich allerdings um einen Zusammenstoß zweier Schiffe gehandelt.

Der Unfall im Offshore-Windpark erfolgte offenbar zeitnah zum "North Sea Summit" in Ostende. Bei diesem hatten sich die Nordsee-Anrainerstaaten gerade auf eine engere Zusammenarbeit bei der Offshore-Windkraft eingeschworen, erste Kooperationsprojekte vorgestellt und gemeinsame Erklärungen unterzeichnet.

Update

Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) konnte die Kollision eines Schiffes mit einer Windkraftanlage in der Nordsee mittlerweile bestätigen. Die Polizei ermittelt weiter gegen den Kapitän der "Petra L". Der Unfall habe sich bereits am Montagabend kurz nach 20 Uhr ereignet, erklärte der Leiter der BSU, Ulf Kaspera, gegenüber der dpa.

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(kbe)