Streckenradar "Section Control" in Niedersachsen nicht mehr im Betrieb

Eine Anlage von Jenoptik hat nach Überzeugung dafür gesorgt, dass auf der B6 der Verkehr sicherer wurde. Nun baut der Hersteller sie ab

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Hinweisschild am Beginn des Abschnittskontrollbereichs.

(Bild: Polizei Niedersachsen)

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Das Streckenradar, mit dem seit Ende 2019 an der Bundesstraße B6 bei Laatzen in der Region Hannover Temposünder ermittelt wurden, wird abgebaut. Jenoptik Robot, Hersteller und Betreiber der Section Control genannten Technik, habe dies entschieden, teilte das niedersächsische Innenministerium heise online mit. Hintergrund sei eine neue gesetzliche Bestimmung zum Mess- und Eichverfahren zur Verschlüsselung der gesammelten Daten. Die in Deutschland einmalige Anlage erfülle diese Vorgaben nicht, der Hersteller wolle sie auch nicht entsprechend nachbessern.

Für Section Control werden Fahrzeuge am Beginn und am Ende eines 2,2 km langen Messfelds durch eine mit einem Zeitstempel versehene Heckfotoaufnahme (Spurkamera-Foto) erfasst und kurzfristig anonymisiert gespeichert. Aus der zwischen den Zeitstempeln liegenden Zeitdifferenz und der Länge des vermessenen Streckenabschnitts wird der Wert der Durchschnittsgeschwindigkeit berechnet. Von dieser Technik zeigt sich das Innenministerium überzeugt. Die Abschnittskontrolle zähle mit zu den innovativsten Verkehrsüberwachungstechniken, die alle modernen Anforderungen des Datenschutzes in rechtlicher und technischer Hinsicht berücksichtige.

Nun könne nicht nur die bestehende Anlage an der B6 bei Hannover nicht mehr betrieben werde, auch für andere Streckenabschnitte im Bundesgebiet stehe die bisher einzige Anlage in Deutschland, die von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen ist, nicht mehr zur Verfügung. Damit meint das niedersächsische Innenministerium Überlegungen sowohl innerhalb des Landes wie in Wilhelmshaven/Friesland als auch in Sachsen-Anhalt und Hessen, diese einzusetzen. Die erforderlichen Gesetzesgrundlagen seien in den Ländern bereits eingeführt. Auch hätten sich Stellen unter anderem aus Hamburg und Brandenburg sowie das Bundesverkehrsministerium wegen der Technik an das niedersächsische Innenministerium gewandt.

An der Rechtmäßigkeit der Technik gab es anfangs Zweifel, ein Anwalt hatte datenschutzrechtliche Bedenken angemeldet. Die Anlage wurde zunächst abgeschaltet und ging wieder in Betrieb, als das niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Klage im November 2019 abwies, höchstrichterlich hatte das Bundesverwaltungsgericht im September 2020 keine Einwände gegen den Einsatz von Section Control. Die Anlage lief seit 2021 im Regelbetrieb

Die Polizei Niedersachsen kostete das gesamte Projekt insgesamt eine Million Euro, teilte das Innenministerium heise online mit. Darin enthalten seien gut 800.000 Euro für Mietkosten, weitere Ausgaben beträfen beispielsweise Rechts- und Umweltgutachten, Baugenehmigungsverfahren und Energiekosten. Die Polizei zeigte sich laut NDR mit der Technik zufrieden, sie habe den Verkehr sicherer gemacht. Die Zahl der schweren Verkehrsunfälle auf der betroffenen Strecke sei zurückgegangen. Im vergangenen Jahr wurden 1319 Autos geblitzt.

Für das Innenministerium ist die Abschnittskontrolle eine gerechtere Methode für Verkehrsteilnehmer, da jede Fahrzeuggeschwindigkeit streckenbezogen gemessen und nur die durchschnittliche Überschreitung verfolgt wird. Ein kurzzeitiges – oft gefahrenträchtiges – Abbremsen vor einer herkömmlichen Punktmessung sei mit der Abschnittskontrolle sinnlos. Stattdessen können kurzfristige, kleinere Geschwindigkeitsüberschreitungen im Messbereich ausgeglichen werden.

Update

Jenoptik hat den Dienstleistungsvertrag fristgerecht zum 31.12.2023 gekündigt, teilte eine Sprecherin der Unternehmens heise online mit. Als Hintergrund gab sie an eine technische Richtlinie vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zur Schlüssellänge bei kryptografischen RSA-Verfahren beziehungsweise daraus abgeleiteten Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) für die Zulassung von Verkehrsüberwachungssystemen in Deutschland. "Wir haben uns aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine Weiterentwicklung bzw. technische Nachbesserung dieser einen Anlage entschieden", heißt es von Jenoptik. Nach Ende des Betriebs zum Jahresende 2023 wird bzw. wurde die Anlage schrittweise zurückgebaut.

(anw)