Ungewöhnlich ruhige Hurrikan-Saison

Bislang sind Voraussagen einer überdurchschnittlichen Hurrikan-Aktivität nicht eingetroffen. Die saisonale Aktivität liegt 50 Prozent unter dem normalen Niveau.

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(Bild: Jeiner Andres HP/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Knobloch

Das Wetter macht wieder mal, was es will, und straft alle Experten Lügen – zumindest bislang. Die US-Behörde, die sich mit der Erforschung des Wetters, der Ozeane und der Atmosphäre befasst, die National Ocean and Atmospheric Administration (NOAA), und einige der angesehensten Hurrikanexperten hatten eine Saison mit überdurchschnittlicher bis weit überdurchschnittlicher Aktivität an Wirbelstürmen im Atlantik vorhergesagt.

So prognostizierte die NOAA für die vom 1. Juni bis zum 30. November dauernde atlantische Hurrikansaison 2022 eine 65-prozentige Chance auf eine überdurchschnittliche Saison, eine 25-prozentige Chance auf eine nahezu normale Saison und eine 10-prozentige Chance auf eine unterdurchschnittliche Saison. Der wichtigste Faktor hinter diesen Vorhersagen war die Erwartung, dass das Wetterphänomen La Niña im Pazifischen Ozean anhalten würde, was zu atmosphärischen Bedingungen im tropischen Atlantik führen würde, die die Bildung und Verstärkung von Stürmen begünstigen. La Niña hat angehalten, aber die Stürme sind bislang ausgeblieben.

Bis heute hat der Atlantik fünf benannte Stürme verzeichnet, was nicht allzu weit von den "normalen" klimatologischen Durchschnittswerten von 1991 bis 2020 entfernt ist. Im Schnitt verzeichnet der Atlantik bis Anfang September acht benannte tropische Stürme und Hurrikane.

Die Diskrepanz werde noch deutlicher, wenn man die Dauer und Intensität der Stürme, die so genannte akkumulierte Wirbelsturmenergie, als Maßstab heranzieht, schreibt der Autor Eric Berger in dem Technologie-Blog Ars Technica. Bei dieser aussagekräftigeren Messgröße liegt der Wert für die Saison 2022 bei 29,6 und damit bei weniger als der Hälfte des Normalwerts von 60,3.

In der Regel läuft die am 1. Juni beginnende Atlantiksaison langsam an, mit vielleicht einem Sturm hier oder da im Juni und einem oft ruhigen Juli, bevor die Winde im August ins Rollen kommen. In den 14 Wochen vor dem 10. September ist in der Regel etwa die Hälfte aller Stürme aktiv, und die meisten der verbleibenden Stürme entwickeln sich dann in rascher Folge bis Ende Oktober. In diesem Jahr aber war der August erstmals seit 25 Jahren ohne benannten Wirbelsturm geblieben. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr erlebte der Atlantik eine ausgeprägte Hurrikan-Saison mit 21 benannten Tropenstürmen, davon sieben schweren Hurrikans, die schwere Schäden verursachten.

Auch wenn September und Oktober in der Regel die aktivisten Monate sind, gebe es im Moment keine Anzeichen für ein "verrücktes Finale", wie Ars Technica schreibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein solches entwickelt, sei relativ gering. Die Karte der NOAA zeigt kaum Aktivitäten.

Eine detaillierte Analyse über die Ursachen wird erst nach der Saison möglich sein, so der Bericht, "aber bis jetzt haben wir viel Staub in der Atmosphäre gesehen, der die Bildung von Stürmen verhindert hat". Hinzu komme, dass die Winde in den oberen Schichten der Atmosphäre der Bildung von Stürmen im Allgemeinen abträglich sind – sie scheren die Spitzen aller sich entwickelnden tropischen Systeme ab.

Während die saisonale Vorhersage noch eine sich entwickelnde Wissenschaft ist, haben die Meteorologen bei der Vorhersage der Zugbahnen von Tropenstürmen und Hurrikanen, die sich bereits gebildet haben, große Fortschritte gemacht, stellt Berger fest. "Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, darunter leistungsfähigere Supercomputer, die in der Lage sind, Vorhersagemodelle mit höherer Auflösung zu berechnen, ein besseres Verständnis der Physik tropischer Systeme und bessere Instrumente zur Erfassung von Echtzeitdaten über die atmosphärischen Bedingungen und zur schnelleren Einspeisung dieser Daten in Vorhersagemodelle."

Und noch ist die diesjährige Hurrikan-Saison lange nicht zu Ende. Wie heißt es so schön: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Es kann also durchaus noch böse Überraschungen geben.

(akn)