Urheberrecht: OLG Dresden stuft DNS-Resolver bei Verstößen nicht als Täter ein

Das Oberlandesgericht Dresden entscheidet im Urheberrechtsstreit Sony vs. Quad9, dass DNS-Resolver neutrale Vermittler und von der Haftung freizustellen sind.

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(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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DNS Resolver sind nicht selbst Täter, wenn über eine Domain im Netz Urheberrechte verletzt werden. Sie sind als neutrale Mittler vielmehr nach EU- und deutschem Recht von der Haftung freizustellen. Nach dem Oberlandesgericht (OLG) Köln kam heute auch das OLG Dresden in seiner Entscheidung in Sachen Sony ./. Quad9-Stiftung zu diesem Schluss. Es hob vorinstanzliche Urteile aus Hamburg und Leipzig vollumfänglich auf und brummte Sony die Kosten des Verfahrens auf.

Für Quad9 ist dies ein Sieg auf ganzer Linie. Die Richter des OLG Dresden haben der Berufung der privaten, in der Schweiz ansässigen Stiftung vollumfänglich stattgegeben.

Im Juni 2021 hatten Anwälte von Sony Deutschland beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen Quad9 erwirkt. Der öffentliche und datenschutzfreundliche DNS-Resolver sollte demnach die Auflösung der Warez-Domain Canna.to unterbinden.

Die Hamburger Richter sprachen dem verblüfften Resolver-Betreiber die für Zugangsvermittler verbrieften Haftungsprivilegien ab. Im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Leipzig wurde die Stiftung sogar zum Täter der von Sony beklagten Urheberrechtsverstöße gestempelt. Quad9 hatte dementsprechend zunächst einen per GeoIP auf Deutschland bezogenen Filter eingezogen. Nach Androhung eines Ordnungsgeldes wurde Canna.to schließlich weltweit gesperrt.

Der 14. Senat am OLG widersprach nun den Richtern in Hamburg und Dresden. "Ein DNS-Resolver-Dienst nimmt keine Handlung der Wiedergabe vor, wenn er nach einem Hinweis auf eine Rechtsverletzung die Übersetzung in die IP-Adresse nicht blockiert", heißt es in der Urteilsbegründung.

Die Richter rückten zurecht, welche Rolle rekursive Resolver im Zusammenspiel mit anderen Dienstleistern für Nutzer im Netz übernehmen. DNS-Resolver würden eben keine Inhalte übermitteln und diese auch nicht speichern. Vielmehr erlaubten sie schlicht die Übersetzung von Domains in IP-Adressen.

Von der eigentlichen Tat der Urheberrechtsverletzung ist Quad9 daher weiter entfernt als ein Zugangsprovider, führen die Richter aus. Die kommen laut dem "Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten", nach dem Telemediengesetz (Paragraph 8.1) und Digital Service Act (Artikel 4.1) aber sehr wohl in den Genuss der Haftungsprivilegierung.

Erwägungsgrund 29 des Digital Service Act (DSA) hat den Status von DNS-Resolvern noch einmal explizit klargestellt, so der Verweis aus Dresden. Neben Registries und Registraren, Zertifizierungsstellen und anderen Infrastrukturdienstleistern sind auch Resolver lediglich durchleitende Vermittler.

Die Inanspruchnahme von Plattformen wie Youtube als Täter auf Basis neuer BGH-Rechtssprechung bleibt laut dem Urteil auf Hostinganbieter beschränkt.

Bedeutsam im Dresdner Urteil ist für Quad9 auch der Satz, dass die Filterung von Schadsoftware, die der Resolver-Betreiber anbietet, "nicht zu einer aktiven Rolle und damit nicht zum Verlust des Haftungsprivilegs führt." Sonys Anwälte hatten argumentiert, dass ohnehin bereits Filtereinstellungen von Quad9 vorgenommen würden.

Ein negativer Präzedenzfall, wie ihn die Gesellschaft für Freiheitsrechte befürchtet hat, ist damit abgewendet. Die Sorge war, dass Rechteinhaber oder Trittbrettfahrer, wie Anti-Terror-Kämpfer, DNS-Resolver künftig als neue Sperrinstanzen heranziehen könnten.

Gänzlich gebannt ist die Gefahr allerdings nicht. Denn im letzten Teil des Urteils erkennt der Senat die Möglichkeit an, Resolver auf Basis des Paragraphs 7 Absatz 4 als "letzten Ausweg" zur Blockierung zu zwingen – also dann, wenn er seine Ansprüche auf keine andere Weise durchsetzen kann. Im Verfahren gegen Quad9 hat es sich Sony Deutschland aber doch zu einfach gemacht, urteilte das Gericht. Eine E-Mail und ein nicht ausreichender Zustellungsversuch reichen nicht aus.

Sonys Anwälte hatten sich etwa mit einmaligen Zustellungsversuchen beim Domaininhaber beziehungsweise den Hostern begnügt, die gescheitert warten. Auch die .to-Registry, der Domainregistrar oder die für die Vergabe von IP-Adressen zuständige IP-Adress-Registry nahm Sony gar nicht erst in den Blick, obwohl diese, anders als der Resolver, eine Geschäftsbeziehung zum mutmaßlichen Rechtsverletzer gehabt hätten.

Eine Revision gegen das eindeutige Urteil hat der 14. Senat in Dresden erst einmal nicht zugelassen. Dennoch könnten Sonys Anwälte gegen diesen Spruch mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof vorgehen. Eine Anfrage von heise online bei der Sony vertretenden Kanzlei Rasch wurde bislang nicht beantwortet.

Eine solche Nichtzulassungsbeschwerde visiert dagegen Cloudflare an. Der Anbieter von CDN-Diensten (Content Delivery Network) hat Anfang November ebenfalls ein Urteil zugunsten seines DNS-Resolvers 1.1.1.1 erstritten. Dieser DNS-Resolver habe für den Zugang zu rechtsverletzenden Inhalten der streitbefangenen Domain "keine nennenswerte Relevanz", erklärte das OLG Köln im Berufungsverfahren.

Als Vertragsdienstleister für eine verletzende Webseite kommt Cloudflare "als Täter" für die "Verletzungshandlungen des öffentlichen Zugänglichmachens" aber laut dem Kölner Urteil infrage. Diese Entscheidung habe aktuell keine unmittelbaren praktischen Auswirkungen, schreibt nun Cloudflare. Denn die Webseite, um die es ging, ist längst offline.

Trotzdem will das Unternehmen in der nächsten Instanz klären lassen, welche Rolle CDN spielen und inwieweit sie Haftungsprivilegien genießen. "Soweit die Entscheidung so verstanden werden kann, dass sie eine umfassendere Verpflichtung von Pass-Through-Sicherheits- und CDN-Diensten zur Kontrolle von Online-Inhalten impliziert, steht dies im Widerspruch zur Art unserer Dienste und zum DSA, der CDN-Dienste ausdrücklich als Caching-Dienste mit Haftungsprivileg ausweist." Daher plant Cloudflare, gegen diesen Aspekt der Entscheidung Berufung einzulegen.

(bme)