Web-Apps außer Funktion: iOS 17.4 Beta bereitet Entwicklern große Sorge

Mit Beta 2 von iOS 17.4 funktionierten plötzlich Web-Apps nicht mehr auf dem iPhone. Auch Beta 3 bringt keine Besserung. Entwickler fragen sich: Was ist da los?

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iOS 17

(Bild: Apple)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Entwickler und Nutzer von Web-Apps blicken aktuell mit großer Sorge auf Veränderungen im iPhone-Betriebssystem iOS. In den jüngsten beiden Beta-Versionen von iOS 17.4 haben die browserbasierten Apps auf dem iPhone viele ihrer Funktionen eingebüßt, berichten zahlreiche Entwickler übereinstimmend. Dies konnte auch von heise online in Versuchen bestätigt werden. Die Änderung scheint im Zusammenhang mit Apples Anpassungen an den Digital Markets Act (DMA) in der EU zu stehen, da sie offenbar nur Nutzer im Gebiet des Staatenbundes betrifft. Das Unternehmen mit Sitz in Kalifornien äußerte sich auf Anfrage von heise online nicht dazu.

Update

Inzwischen hat sich Apple geäußert: Web Apps werden im EU-Gebiet tatsächlich nicht mehr in der gewohnten Weise nutzbar sein. Das US-Unternehmen begründet dies mit Erfordernissen des Digital Markets Act der EU.

Als eine der ersten hatten zwei Sicherheitsforscher, die sich Mysk nennen, auf die Veränderung in iOS 17.4 beta 2 hingewiesen. Die zweite Beta enthält unter anderem die von Apple angekündigte neue Möglichkeit, die Browser-Engine im Betriebssystem wechseln zu können. Bislang steht hierfür nur Safari WebKit zur Verfügung. Künftig bekommen Nutzer einen Auswahldialog angezeigt, wo sie einen Standardbrowser wählen können.

In eigenen Tests fand heise online heraus, dass unter iOS 17.3 einwandfrei ausgeführte Web-Apps nach Aufspielen von iOS 17.4 beta 3 nicht mehr funktionieren. Zu bemerken ist dies bereits durch den Verlust des Standalone-Modus – nach dem Aufruf der Verknüpfung auf dem Homescreen wird stets die URL-Adressleiste angezeigt. Weitergehende Funktionen wie Offline-Fähigkeiten oder Web-Push-Benachrichtigungen gingen nach dem Update nicht mehr.

Web Apps in iOS 17.4 Beta 2 und 3 (3 Bilder)

Im Test mit iOS 17.3 funktioniert diese Web App mit der Möglichkeit, Pushnachrichten zu empfangen, noch einwandfrei auf dem iPhone.

Mit der Öffnung für weitere Browser-Engines stand Apple, so vermuten die Entdecker von Mysk, vor der Herausforderung, wie Web-Apps mit ihren erweiterten Fähigkeiten künftig mit verschiedenen Engines auf dem Gerät funktionieren sollen. Diese benötigten nämlich einen so genannten Service Worker, ein JavaScript, das unabhängig vom Hauptthread des Webbrowsers läuft und damit Funktionen wie das Herunterladen von Inhalten im Hintergrund, das Cachen für die Offline-Nutzung von Web-Apps oder Pushbenachrichtigungen ermöglicht.

Mysk vermutet, dass Apple keinen Weg gefunden habe, anderen Browsern das Erstellen von Service-Workern zu ermöglichen, ohne sein striktes Sandboxing – also die Abschottung von Apps gegenüber dem System – aufzuweichen. Um Safari aber nicht wettbewerbswidrig einen Vorteil gegenüber anderen Engines einzuräumen, könnte sich Apple entschieden haben, die Progressive Web-Apps (PWA) bis auf Weiteres im EU-Gebiet für alle zu deaktivieren. Ob dies ein Übergangszustand ist, bis eine Lösung gefunden wurde, oder für EU-Nutzer auf Dauer so sein wird, lässt sich nicht ergründen, da sich Apple zu dem Vorgang nicht äußert und bislang auch Bug-Reportings nicht beantwortet wurden.

Progressive Web Apps (PWAs) sind Webanwendungen, die in Aussehen und Steuerung nativen Apps gleichen, aber über einen Webbrowser ausgeführt werden. Auf dem iPhone können Web-Apps über die Teilen-Funktion im Browser auf dem Homescreen hinterlegt werden und öffnen sich fortan ohne Einblendung der URL-Adresszeile. Je nach Funktionsumfang können sie auch ohne Internetverbindung betrieben werden. Über Schnittstellen können PWAs auch Zugriff auf das Dateisystem des Geräts nehmen, auf die Mediensteuerung, App-Badges anzeigen oder mit der Zwischenablage arbeiten. Entwickler haben den Vorteil, dass sie Web-Apps einfacher plattformübergreifend anbieten können und zudem nicht dem Regelwerk des App Stores von Apple unterliegen.

Einige Entwickler von Web-Apps, wie das Bündnis Open Web Advocacy, waren schon vor der jetzigen Änderung nicht gut auf Apple zu sprechen. Sie werfen dem Unternehmen vor, dass es zwar immer wieder mal auf die Möglichkeit von Web-Apps hinweise, im Vergleich zu anderen Betriebssystem aber lange PWAs nur mit Einschränkungen ermöglicht habe. Das änderte sich erst vor einigen Monaten mit Erweiterungen von WebKit, die zum Beispiel auch Pushnachrichten ermöglichen, wie sie bei nativen Apps schon seit langem möglich waren. Diese Fortschritte sorgten zunächst für Aufatmen bei Entwicklern von Web-Apps. Die aktuelle Entwicklung bewertet Open Web Advocacy im Moment noch als Bug, der aber zeige, wie Apple mit Web-Apps im Allgemeinen umgehe.

Unter iPadOS bestehen die Probleme mit Web Apps übrigens nicht, wie Entwickler heise online mitteilten. In der aktuellen Beta 2 von iPadOS 17.4 funktionierten die Apps wie gewohnt. Mit seinen Arbeiten an iOS 17.4 muss sich Apple beeilen: Zum Stichtag 7. März 2024 müssen die neuen Vorgaben des Digital Markets Act (DMA) befolgt werden, der unter anderem das Zulassen alternativer App Stores oder Sideloading vorsieht. Mit einer Veröffentlichung der finalen Version 17.4 ist also spätestens Anfang März zu rechnen.

(mki)