Wechselrichter-Probleme: VDE prüft und zertifiziert Balkonkraftwerke als Ganze

Der Branchenverband VDE hat eine Prüfvorschrift entwickelt, um Stecker-Solargeräte "als Gesamtsystem" inklusive Wechselrichter und Anschluss bewerten zu können.

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Balkonkraftwerk ohne Balkon an einem Haus in Bremen.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 3 Min.

Der Elektronik- und IT-Verband VDE hat auf die Meldungen der vergangenen Wochen zu Sicherheitsmängeln bei kleinen Photovoltaik-Anlagen (PV) reagiert und seine Prüfvorschriften angepasst. Er will damit Balkonkraftwerke künftig als Gesamtsystem untersuchen und zertifizieren – nicht mehr nur einzelne Bauteile. Die entsprechenden neuen Vorgaben seien "gemäß der aktuellen Rechtsgrundlage sowie den geltenden Vorschriften und Normen entwickelt" worden, teilte der VDE am Donnerstag mit. Die Vorschrift umfasse nun "alle Komponenten von steckerfertigen Mini-Energieerzeugungsanlagen. Dazu gehören ein oder zwei PV-Module, die Kabel und Stecker, der Wechselrichter, der Netzanschluss sowie das Montagesystem".

Zuvor bangten viele Klein-Energieerzeuger in eigenen Haushalten, ob Balkonkraftwerke mit Wechselrichtern von Deye möglicherweise dauerhaft vom Netz getrennt bleiben müssten. Anfang August hatten sowohl der TÜV Rheinland als auch Intertek einer Kombination des wichtigen Bauteils des chinesischen Herstellers mit externen Relais-Boxen bescheinigt, einen wirksamen Netz- und Anlagenschutz (NA) gemäß der Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 zu bieten. Anfang Juli war bekannt, dass den Deye-Wechselrichtern ein Relais als Teil dieser Sicherheitsvorkehrungen fehlt. Dabei handelt es sich letztlich um einen doppelten Schutz, der aber laut hiesiger Vorschriften Voraussetzung für die Betriebserlaubnis ist. Erst vor wenigen Tagen erhielt Deye die Freigabe für eine Lösung mit einer externen Relais-Box von der Bundesnetzagentur.

Die neue Prüfvorschrift, mit der das gesamte Produkt Balkonkraftwerk bewertet werden kann, hat laut dem VDE den Vorteil, dass nicht nur die einzelnen Bauteile an sich, "sondern auch die Wechselwirkungen der einzelnen Komponenten untereinander berücksichtigt werden". Das erhöhe den Schutz und die Sicherheit für die Anwender. Steckerfertige PV-Anlagen seien sehr beliebt bei Verbrauchern, betonte VDE-Chef Ansgar Hinz. Mit der Nutzung könnten Haushalte nämlich "aktiv an der Energiewende partizipieren". Dies wolle der VDE unterstützen: "Aus diesem Grund ist es uns wichtig, dass die neuen Geräte für den Anwender sicher sind". Hinz sieht den seit über 130 Jahren aktiven Verband als prädestiniert dafür, dies zu gewährleisten.

Der VDE will sich nach eigenen Angaben nach einer Kehrtwende weiter dafür einsetzen, "Installation und Betrieb von Mini-PV-Anlagen zu erleichtern, ohne Abstriche bei der Sicherheit zu machen". Er habe daher Anfang des Jahres in einem Positionspapier Vorschläge für Verbesserungen gemacht, die der Gesetzgeber bei der Arbeit an einfacheren Rahmenbedingungen für solche Energieerzeugungssysteme zum Teil schon aufgegriffen habe. Die VDE-Normungsorganisation DKE arbeite parallel an der ersten Produktnorm für das Gesamtprodukt Balkonkraftwerk. Mit einem Ergebnis sei "noch in diesem Jahr" zu rechnen.

Den entsprechenden Normungsentwurf veröffentlichte der Verband im Oktober. Dazu gingen hunderte Stellungnahmen ein, die Experten in den Fachgremien bewerteten. Bleibe es beim Zeitplan, könnten die Hersteller Anfang 2024 beginnen, ihre Produkte an die Norm anzupassen und zu zertifizieren, weiß die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). Danach werde es aber noch eine ganze Weile dauern, bis wirklich für Endkunden entsprechende Anlagen "gemäß VDE 0126-95" am Markt erhältlich sein dürften. Die Bundesnetzagentur fand zeitweise auch Wechselrichter, die zwar die formalen Anforderungen erfüllten, aber bei einer messtechnischen Überprüfung Mängel etwa bei der elektromagnetischen Verträglichkeit aufwiesen.

(tiw)