Zu riskant: Atomkraftwerk-Betreiber lehnt Reservebetrieb von Isar 2 ab

Zwei von drei noch aktiven Kernkraftwerken in Deutschland sollen im Winter als Reserve vorgehalten werden. Doch ein Betreiber erteilt dem Plan eine Absage.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 520 Kommentare lesen
Kernkraftwerk Isar

Das Kernkraftwerk Isar in Bayern

(Bild: PreussenElektra)

Lesezeit: 3 Min.

Der Plan des Bundeswirtschaftsministeriums, zwei Atomkraftwerke in Deutschland über den geplanten Atomausstieg Ende Dezember hinaus bis Mitte April 2023 als Reserve vorzuhalten, droht zu scheitern. Der Kraftwerksbetreiber PreussenElektra hat der Bundesregierung mitgeteilt, dass "Kernkraftwerke aus technischen Gründen nicht für einen Reservekraftwerksbetrieb geeignet sind", wie eine Sprecherin auf Anfrage von heise online erklärte. Das Betreiberunternehmen will mit dem Bund aber über mögliche Alternativen für einen Weiterbetrieb sprechen.

Der Bayerische Rundfunk berichtet über einen Brief der Geschäftsführung an Staatssekretär Patrick Graichen im Bundeswirtschaftsministerium, demzufolge die Atompläne des Bundes technisch unmöglich seien. Schon im August habe PreussenElektra mitgeteilt, dass ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht umsetzbar wäre. Bei einer komplett heruntergefahrenen Anlage sei ein Wiederanfahren nicht kurzfristig innerhalb einer Woche umzusetzen. Das Unternehmen habe zudem keine Erfahrungswerte mit dem sogenannten Streckbetrieb. Der Kraftwerksbetreiber hält den Plan des Bundes nicht mit seiner Sicherheitskultur für vereinbar.

Der Plan, zwei von drei Kernkraftwerken im Winter als Reserve weiter vorzuhalten, ist die Konsequenz eines weiteren Stresstests der Stromversorgung in Deutschland. Dabei war herausgekommen, dass unter den aktuell erschwerten Bedingungen in Extremszenarien teils massive Engpässe drohen. Hinzu kommt das Problem, dass Hochspannungsleitungen zwischen Nord- und Süddeutschland nicht in ausreichender Zahl und Ausstattung vorhanden sind. Deshalb sollten zwei süddeutsche Atomkraftwerke in Reserve gehalten werden, um bei Bedarf einer Unterdeckung entgegenzuwirken. Das Atomkraftwerk im Emsland soll hingegen planmäßig stillgelegt werden.

Mit Blick auf geplante Gespräche mit der Bundesregierung will PreussenElektra aktuell nicht detaillierter Stellung nehmen. Mit der Bundesregierung wolle das Unternehmen über "die Möglichkeiten und Grenzen des Weiterbetriebs" sprechen. Befürworter einer Laufzeitverlängerung der verbliebenen Atomkraftwerke hatten sich für einen Regelbetrieb ausgesprochen und auch für den Einsatz neuer Brennstoffe, um die Kraftwerke noch mehrere Jahre in Betrieb zu halten.

Genau dies möchte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) jedoch nicht. Er erklärte, die Kraftwerke sollten nur in Betriebsbereitschaft gehalten werden und bei Bedarf zur Stromproduktion beitragen.

Der Block 2 des Kernkraftwerks Isar in Niederbayern wurde im Jahr 1988 in Betrieb genommen. Block 1, der 1979 erstmalig in Betrieb ging, wurde schon im März 2011 stillgelegt. Für Isar 2 fand zwischen Ende September und Mitte Oktober 2021 eine letzte Revision statt. Damals wurde der Reaktor mit 48 neuen Brennelementen beladen. Der Druckwasserreaktor mit 1410 Megawatt Leistung produziert nach Angaben des Betreibers im Jahr rund 11 Milliarden kWh Strom. Im Januar musste das Kraftwerk wegen einer Störung kurzfristig abgeschaltet werden.

Update

Inzwischen nahm auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Stellung zu dem Brief. "Ich habe den Brief von Preussenelektra mit einiger Verwunderung zur Kenntnis genommen", sagte er am Mittwoch in Berlin. So warf Habeck dem Konzern vor, das Konzept der Notfallreserve nicht verstanden zu haben. Denn ein Hoch- und Herunterfahren der Anlagen sei nicht geplant. Vorgesehen sei vielmehr, "einmal zu entscheiden, ob man die Kraftwerke braucht oder nicht". Das könne im Dezember, Januar oder Februar geschehen. "So ist es immer vorgestellt worden, das ist offensichtlich so nicht richtig verstanden worden", schreibt das Bundeswirtschaftsministerium

Zudem verwies Habeck auf einen früheren Brief des Energiekonzerns von August, in dem dieser mitgeteilt habe, dass es auch im Fall eines längeren Streckbetriebs einen kurzfristigen Stillstand brauche. Nach Habecks Darstellung widersprechen sich diese Angaben des Konzerns. Nun solle in neuen Gesprächen geklärt werden, was gelte, sagte Habeck. Der Wirtschaftsminister wies zudem darauf hin, dass auch bei einem Streckbetrieb, "also dem offensichtlichen Wunsch von Preussenelektra", eine Revision nötig gewesen wäre.

(mki)