c't 17/2022
S. 148
Wissen
Weltraumteleskop James Webb
Bild: NASA, Ball Aerospace

Verschärfter Blick ins Universum

So funktioniert das James-Webb-Weltraumteleskop

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das größte Weltraumteleskop, das je gebaut wurde. Mit ihm erhofft sich die Wissenschaft, mehr über den Beginn des Universums, weit entfernte Planeten und unser eigenes Sonnensystem zu lernen. So funktionieren seine Sensoren – und so kommen Sie an die ersten Daten.

Von Sabrina Patsch

Ein gutes Teleskop können begeisterte Sterngucker bereits für wenige hundert Euro kaufen, eine Auswahl haben wir Ihnen bereits vorgestellt [1]. Meist röhrenförmig sind im Inneren Spiegel und Linsen verbaut, die einen Blick auf Planeten oder Kometen erlauben. Den großen Weltraumagenturen reichen solche Gerätschaften nicht. Und so hat die NASA im Dezember 2021 in Kooperation mit der European Space Agency (ESA) und der Canadian Space Agency (CSA) ein 10 Milliarden US-Dollar teures Teleskop in den Weltraum geschossen: das James-Webb-Weltraumteleskop (James-Webb-Space-Telescope, JWST). James Webb war der zweite Administrator der NASA und – im Unterschied zu Edwin Hubble, dem Namensgeber des 1990 gestarteten Hubble-Weltraumteleskops – kein Wissenschaftler, sondern Manager.

Was unterscheidet das JWST von handelsüblichen oder bereits vorhandenen wissenschaftlichen Teleskopen, und welche Durchbrüche erhoffen sich Wissenschaftler davon? Der entscheidende Vorteil von Weltraumteleskopen wie dem JWST und Hubble ist, dass sie sich außerhalb der störenden Erdatmosphäre befinden. Ohne diese könnten wir nicht atmen, für die Astronomie ist sie aber ein Hindernis. Unruhen in der Luft erschweren die Aufnahme von Bildern des Sternenhimmels von der Erdoberfläche aus. Das Problem kann man sogar mit bloßem Auge beobachten: Wenn Sie in einer sternenklaren Nacht in den Himmel blicken, können Sie die Sterne funkeln sehen. Das liegt an unregelmäßigen Luftschichten, die die Lichtstrahlen verzerren und leicht von ihrer Bahn ablenken. Das verringert die Auflösung astronomischer Messungen und die effektivste Methode, sie zu erhöhen, besteht darin, das Teleskop außerhalb der Atmosphäre im Weltall zu stationieren.

Die Bahn des JWST und Lagrange-Punkte

Viele Weltraumteleskope befinden sich wie Satelliten in einer Umlaufbahn um die Erde. Das Hubble-Teleskop umkreist die Erde in einer Distanz von 550 Kilometern in nur knapp anderthalb Stunden. Das JWST hingegen musste einen Monat lang zu seinem 1,5 Millionen Kilometer weit entfernten Ziel reisen. Damit ist es etwa viermal so weit von der Erde entfernt wie der Mond. Das Ziel seiner Reise war der sogenannte Lagrange-Punkt L2. Im System von Sonne und Erde gibt es insgesamt fünf solcher Lagrange-Punkte, die sich dadurch auszeichnen, dass dort ein Kräftegleichgewicht besteht. Die Schwerkraft der beiden Himmelskörper gleicht die Zentripetalkraft der Kreisbewegung exakt aus. Anders ausgedrückt: Sonne und Erde zerren ein Objekt im Lagrange-Punkt genauso stark zu sich hin, wie es durch die Fliehkräfte auf seiner Bahn um die Sonne nach außen gedrückt wird. Befindet sich ein Objekt, zum Beispiel ein Teleskop, in einem Lagrange-Punkt, kann es die Sonne ohne zusätzlichen Antrieb umkreisen. Von der Erde aus gesehen steht das Objekt dabei still – tatsächlich bewegt es sich aber mit der gleichen Umlaufzeit wie die Erde um die Sonne.

Der Lagrange-Punkt L2, in dem sich das JWST seit Ende Januar befindet, liegt von der Sonne aus gesehen hinter der Erde und das Teleskop blickt permanent auf ihre dunkle Seite. Die nach dem Start des Teleskops oft zu lesende Behauptung, im Punkt L2 könne JWST wegen des Kräftegleichgewichts für immer ruhen, stimmt allerdings nicht. Der Punkt L2 gehört zu den metastabilen Lagrange-Punkten. Mit der Zeit driften Objekte weg von diesem Punkt auf eine eigene Umlaufbahn um die Sonne. JWST muss also mit kleinen Stößen aus dem Triebwerk immer wieder seine Position korrigieren. Außerdem ruht es nicht – es kreist vielmehr um L2. Das hat noch einen anderen Vorteil: So kann es den Erdschatten verlassen und sich mithilfe von Solarzellen mit elektrischem Strom versorgen. Die andere Seite des Teleskops zeigt hingegen immer ins Dunkel des Weltalls und wird nicht von der Sonne oder der Erde gestört. Aber was genau beobachten die Sensoren auf der erdabgewandten Seite? Und was hat es mit dem Sonnensegel und dem goldenen Spiegel auf sich, die sämtliche Medien immer wieder zeigen? Um diesen Aufbau zu verstehen, muss man erst die Forschungsziele kennen.

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