MIT Technology Review 5/2023
S. 3
Editorial
, Foto: Ricardo Wiesinger
Foto: Ricardo Wiesinger

Liebe Leserinnen und Leser,

kaum ist die Pandemie vorbei, sind die Menschen wieder verstärkt unterwegs. Doch die wachsende Mobilität hat Folgen: Allein der Verkehr ist weltweit für 23 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich. In Deutschland gehen zwei Drittel davon auf das Konto privater Pkw.

Das Auto ist Dreh- und Angelpunkt vieler Diskussionen über die Zukunft der Mobilität. Denn neben den Emissionen sind auch verstopfte Städte ein Problem: 8 bis 15 Prozent der Fläche einer deutschen Großstadt sind heute allein Parkfläche.

Gleichzeitig sind viele Menschen auf das Auto angewiesen. Gerade außerhalb der Städte ist der ÖPNV nicht so ausgebaut, dass er eine echte Alternative zum Auto wäre.

Wie aber kann eine Mobilität aussehen, die nicht so autozentriert ist (Seite 14)? Mehr Geld für den öffentlichen Verkehr allein reicht jedenfalls nicht aus, sagen Verkehrsforscher – und fordern ein generelles Umdenken: ein radikaleres Personenbeförderungsgesetz, das die drei Silos Linienverkehr, Taxi und Mietwagen auflöst; Busse und Bahnen vor allem in Ballungsräumen, bedarfsgesteuerter Verkehr wie Rufbusse auf dem Land.

Und es gibt zwei unterschätzte Verkehrsmittel: Das Fahrrad, das laut Forscher Marco te Brömmelstroet (Seite 48) nicht einfach nur ein Fortbewegungsmittel ist, sondern „für eine puristische, nahezu perfekte Sache steht: was den Ressourcenverbrauch, das Verhältnis von Energieeinsatz zu Entfernung und das Verhältnis von individuellem Nutzen zu gesellschaftlichen Kosten betrifft“.

Und natürlich unsere Füße (Seite 44). Sie werden fast nur als „Brückentechnologie“ zwischen Verkehrsmitteln genutzt. Dabei sind die eigenen Beine durchaus für mehr zu gebrauchen. Doch sobald einzelne Straßen in den Städten für Autos gesperrt werden, sind die Proteste der Geschäftsleute und Anwohner nicht weit.

„82 Prozent der Menschen wollen grüne Städte, aber trotzdem einen Parkplatz vor der Tür“, heißt es in einer Studie des Umweltbundesamtes. Es ist wie so oft im Leben: Der Idealismus ist da, aber sobald es um die persönlichen Bedürfnisse geht, bitte keine Kompromisse.

„Wir haben keine Vision für Veränderungen“, beklagt Anne Klein-Hitpaß vom Deutschen Institut für Urbanistik. Doch genau die brauchen wir, um nicht nur mehr für den Klimaschutz zu tun, sondern auch unsere Städte lebenswerter zu machen.

Ihr

Luca Caracciolo

@papierjunge