MIT Technology Review 7/2023
S. 34
Titel
Medizin
Der Eindruck täuscht: Die AR-Brille behindert nicht Mazda Farshads Sicht, sondern liefert dem Chirurgen sogar wichtige Zusatzinformationen.
Der Eindruck täuscht: Die AR-Brille behindert nicht Mazda Farshads Sicht, sondern liefert dem Chirurgen sogar wichtige Zusatzinformationen.
Foto: © Universitätsklinik Balgrist | Sabina Bobst

Operieren an Leib und Seele

VR- und AR-Brillen sollen Operationen sicherer machen, Schlaganfallpatienten, Demenzkranken und Menschen mit psychischen Störungen helfen. Es gibt viele Erfolgsmeldungen, aber auch Bedenken.

Andrea Hoferichter

Ein Operationssaal in der Universitätsklinik Balgrist in Zürich. „Ein Millimeter, 14 Grad – zeigt Grün, zeigt: Go!“, sagt Mazda Farshad mit breitem Schweizer Dialekt und setzt einen sirrenden Bohrer an der Wirbelsäule des Patienten an, der vor ihm auf dem OP-Tisch liegt. Die Knochen wurden durch einen handlangen Schnitt freigelegt. Winkel und Bohrtiefe werden Farshad über eine AR-Brille eingeblendet, die wie ein riesiges Facettenauge zwischen grüner OP-Haube und Mundschutz sitzt. „Feedback des Chirurgen: Sehr gut!“, kommentiert er. „Jetzt kann die Schraube gesetzt werden.“

Es gilt, zwei übereinanderliegende Wirbel zu versteifen, mit zwei Schrauben pro Wirbel und zwei Stangen parallel zur Wirbelsäule. Die perfekte Stangenform wird von der Brillen-Software errechnet und in ein leuchtend blaues Hologramm übersetzt. Die Chirurgen biegen eine Stange aus Titan, gleichen sie immer wieder mit dem Hologramm ab, bis alles passt, und implantieren sie schließlich. Die AR-Brille kann Farshad außerdem eine 3D-Simulation von Knochen, Venen und Gewebe des Patienten einblenden. „Sie wirkt wie ein zusätzlicher Sinn“, sagt er. Bisher musste er bei OPs immer wieder zwischen Patient und Monitoren hin- und herschauen, um das eigene Tun mit Bildern aus Computer- oder Magnetresonanztomographen abzugleichen.