Analyse: AMD und Intel können ihre Bananen behalten
AMD und Intel liefern sich ein Rennen um Marketing für den schnellsten Spiele-Prozessor. Das kann so nicht funktionieren und produziert Bananenware.
Bananenware reift beim Kunden. Soweit die klischeehafte Einordnung dessen, was AMD und Intel sich jetzt bei Desktop-Prozessoren seit einigen Monaten liefern: Nämlich ein Rennen um die beste Gaming-CPU. Dabei lassen sie außer Acht, dass Prozessoren jenseits der 500-Euro-Marke nicht nur für Spieler interessant sein müssen, sondern auch für Menschen, die damit ihre Arbeit verrichten und sich auf die PCs verlassen müssen.
Dass es sich wirklich um unfertige, also: noch nicht marktreife, Produkte handelt, ist seit dem vergangenen Wochenende nicht mehr nur Spekulation, sondern von höchster Stelle, nämlich Intels Director für Technical Marketing Robert Hallock eindeutig beschrieben: Intel und AMD treiben sich mit ihren Launch-Terminen im Rennen um den jeweils schnellsten Prozessor vor sich her. Hallock sagte in einem ausführlichen Interview zur teils enttäuschenden Spiele-Performance des neuen Core Ultra 9 285K: "Das sind selbstverursachte Probleme, und wir müssen sie lösen." Er will da zwar "keinen externen Druck" verspürt haben, um die Arrow-Lake-CPUs noch im Oktober 2024 auf den Markt zu bringen, sondern sieht eher die Ergebnisse des vierten Quartals in Intels Bilanz als Grund, aber eigentlich ist die Sache klar.
Ein Rennen mit Fehlstart nach dem anderen
Im Juli wollte AMD seine neue Generation Granite Ridge mit dem Topmodell Ryzen 9 9950X auf den Markt bringen. Der war eine Woche vor dem geplanten Termin um vier Wochen verschoben worden, also noch nicht fertig. Und brachte dann eher durchwachsene Performance beim Spielen. Zugleich kündigte AMD die gerade fürs Gaming interessanteren X3D-Versionen der Ryzen 9000 mit Stapelcache an. Der inzwischen verfügbare 9800X3D ist der neue Gaming-King.
In das kleine Zeitfenster zwischen den Ryzens musste Intel wohl kraft Marketing-Gesetzen den 285K quetschen. Der erschien mit allerlei Kinderkrankheiten wie Bluescreens, nicht-startenden Rechnern und auch so kurzfristig, dass die unabhängigen Tester nicht genügend Zeit hatten, das letzte bisschen Performance aus den Chips zu kitzeln. Auch das musste Robert Hallock einräumen. Er gibt dort auch an, dass die zahlreichen neuen Möglichkeiten des Übertaktens durch die kurzen Testzeiträume noch gar nicht erforscht sein könnten.
Und darum geht es eben bei einem "Unlocked"-Prozessor eben auch, das ist nicht nur Alltagswerk- sondern auch Technik-Spielzeug. Es spricht Bände, dass Intel ganze zwei Tage vor dem Launch-Termin noch eine Krisensitzung mit Hardware-Testern einberief, an der auch unser Verlag teilnahm, aber da war es für Nachtests viel zu spät. Ähnlich war das bei AMD zuvor: Da versuchte der Hersteller auch erst nach den Tests zu erklären, dass man mit speziellen Einstellungen im eigenen Labor höhere Benchmarkwerte erzielt hatte.
Spiele-Marketing funktioniert nicht mehr
Was bei Spielen schnell ist, taugt auch zum Arbeiten, so die überholte Annahme, also werden die Produkte auch so vermarktet. Das ist die Marketing-Strategie, die seit gut 30 Jahren – also seit PCs für private Nutzung kraft Internet und Spielen attraktiv wurden – prima funktioniert hat. Heute befindet sich die Technik, und auch die öffentliche Wahrnehmung, gleich auf mehreren Ebenen im Umbruch.
Wie schon seit rund zehn Jahren bei ARM setzen auch x86-Prozessoren auf große und schnelle, sowie kleine und effiziente Kerne. Das kannte Windows bisher so nicht. Also muss Microsoft mithelfen, das betrifft beide CPU-Hersteller. Man erinnere sich an die Krücke der Windows-Game-Bar, die immer laufen musste, damit die 7000er-Serie der Ryzens mit Stapelcache möglichst oft die Kerne mit dem Cache belegte, und nicht die ohne. Auch da sind nicht alle Kerne gleich, so wie bei Intel mit seinen Performance- und Efficiency-Cores.
Es ist offensichtlich, dass die Entwicklung von Windows und der Firmware nicht mehr mit den Neuerungen der Prozessoren hinterherkommt. Aber auch das, so Robert Hallock, liegt nicht an Windows. Auch Intels Firmware, also das BIOS, soll dem 285K bis Dezember zu mehr Leistung verhelfen. Viel mehr als in der Vergangenheit müssen AMD, Intel und Microsoft zusammenarbeiten, damit die CPUs ihre in der Theorie hohe Leistung auch wirklich auf den Bildschirm bringen können.
Bei all dem ist, siehe oben zu den Tests, der entscheidende Faktor die Zeit. Wenn Launch-Termine fröhlich hin- und her geschubst werden, und in drei Monaten gleich zwei weitgehend neue Architekturen erscheinen, hat wohl auch Microsoft nicht die Ressourcen, Windows auf all das anzupassen. Und dann muss das ja auch per Windows Update erst einmal bei Nutzern ankommen. Es gibt etliche PCs, die noch nicht einmal das aktuelle Windows 11 24H2 erhalten haben.
Fehler haben heute viel größere Auswirkungen
Abseits der Technik ist heute, getrieben durch Social Media und YouTube die Welt der Meinungsbildung eine andere als noch vor nur zehn Jahren. Probleme mit neuen Produkten, insbesondere in der rührigen Gaming-Community, werden sofort sichtbar, von professionellen Testern mit gut ausgestatteten Labors gnadenlos dokumentiert und fallen dem Hersteller so richtig auf die Füße. Heute hat ein einzelner YouTube-Kanal mehr Reichweite als die Webseiten aller Hardware-Tester vor 20 Jahren zusammen.
Es ist klar, dass Intel nach dem Fiasko um instabile und defekte CPUs der 13. und 14. Core-Generation schnell etwas Besseres liefern musste. Das dann aber so zu überstürzen, dass man Monate später nochmal nachbessern muss – frühestens Ende November soll es Updates geben –, hilft niemandem. Weder Intel, die kaum etwas von der Bananenware verkaufen dürften, noch den Kunden, die statt zu Spielen oder zu Arbeiten an ihren Rechnern herumbasteln dürfen, damit die auch so laufen, wie sie sollen.
FPS ist nicht alles
Die Frage, ob dieses Spiele-Marketing noch zeitgemäß ist, stellt sich also. Nicht aber, ob es die Zielgruppe dafür gibt: Professionelle E-Sportler wollen jeden Frame pro Sekunde haben, den sie kriegen können, und spielen dafür lieber in weniger als 4K-Auflösung. Daher haben die Tests im CPU-Limit, wo nicht die Grafikkarte bremst, durchaus ihre Berechtigung. Und für alle, die nur zum Spaß spielen, sind die Profis die Vorbilder, durch die neue Produkte verkauft werden.
Für alle anderen, die ihre PCs vor allem zum Arbeiten, und nicht jeden Tag stundenlang zum Spielen verwenden wollen, bleibt bei der knallgrünen Bananenware nur die zwar nicht neue, aber nun umso aktuellere Empfehlung: Lieber bei dem bleiben, was schon einige Monate oder gar Jahre stabil funktioniert. Nicht die neuesten Plattformen zu kaufen ist aber genau das, was die Chiphersteller von ihren Kunden eigentlich nicht wollen. Dass das nun der bessere Weg ist, haben sich sowohl AMD wie Intel ganz alleine selbst zuzuschreiben.
(nie)