Wikileaks wieder im Normalbetrieb [Update]

Zum Neustart der Whistleblower-Site sind eine Reihe von Software-Verbesserungen geplant, die vor allem die klassischen Medien davon überzeugen sollen, mit Wikileaks zu arbeiten. Im Lichte neuer internationaler Entwicklungen ist diese Zusammenarbeit und der Quellenschutz, den Wikileaks auch Journalisten bieten will, von einiger Bedeutung.

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Von
  • Detlef Borchers

Wikileaks, die international bekannte Anlaufstelle für die Veröffentlichung von vertraulichen Dokumenten, hat nach 6 Monaten den Normalbetrieb wieder aufgenommen. Über das Web-Interface können geheime Dokumente eingereicht oder durchsucht werden, wenn sie von den Freiwilligen des Whistleblower-Projekts online gestellt wurden. Im Dezember 2009 wurde das Interface durch einen dringenden Spendenaufruf ersetzt, der Anfang April 2010 durch Links auf ein Video ersetzt wurde, das Wikileaks "Collateral Murder" taufte. Das neue/alte Interface soll in den kommenden Wochen und Monaten erheblich erweitert werden.

Mit der Wiederaufnahme des Normalbetriebs reagiert Wikileaks auf Kritik an der Praxis, mit dem journalistisch gekonnt aufbereiteten Irak-Video allein auf Spendenfang zu gehen und die Publikation internationaler Informationslecks zu vernachlässigen. Ursprünglich sollten 600.000 US-Dollar gesammelt werden, um die Infrastruktur wie die Gehälter von fünf Vollzeit-Mitarbeitern zu bezahlen, die bisher vom selbst Ersparten leben. Das Ziel wurde nicht erreicht, jedoch können von den eingenommenen 245.000 Dollar zumindest die Infrastrukturkosten beglichen werden. [Update: Nach Aussage von Wikileaks-Mitarbeiter Daniel Schmitt spiegeln die öffentlich verfügbaren Zahlen zur Spendensituation nicht die
aktuelle Finanzlage von Wikileaks wieder. Aktuell sollen die Einnahmen aus Spenden im Bereich von 450.000 bis 500.000 Euro liegen, womit das ausgegebene Ziel, 600.000 Dollar einzunehmen, je nach Euro-Kurs erreicht oder gar übertroffen wurde.]

Zum Neuanfang, zu dem sich einige Aufregung um Passprobleme des Wikileaks-Gründers Julian Assange gesellt, sind eine Reihe von Software-Verbesserungen geplant, die vor allem die klassischen Medien davon überzeugen sollen, mit Wikileaks zu arbeiten. So sollen Whistleblower angeben können, für welche Medien ihre Dokumente gedacht sind und umgekehrt Medien mit eigenen Selbstdarstellungen um Informanten werben. "Wir bringen das Vertrauen in den Journalismus zurück", hatte Daniel Schmitt, einer der Vollzeit-Mitarbeiter, auf der Konferenz Re-Publica 2010 erklärt und dafür Standing Ovations erhalten.

Schmitt forderte außerdem die Journalisten auf, enger mit Wikileaks zusammenzuarbeiten: "Jeder investigative Journalist sollte seine Quellen bei Wikileaks veröffentlichen und damit seine Glaubwürdigkeit überprüfbar machen. Lasst uns gemeinsam die Hitze der juristischen Attacken durchstehen, damit die Öffentlichkeit wieder Vertrauen in die Medien bekommt."

Im Lichte neuer internationaler Entwicklungen ist diese Zusammenarbeit und der Quellenschutz, den Wikileaks auch Journalisten bieten will, von einiger Bedeutung. Anfang Mai entschied der Supreme Court of Canada mit 8 : 1 Stimmen, dass das kanadische Äquivalent zum deutschen Zeugnisverweigerungsrecht für die Presse im Zeitalter der Blogger und Twitterer nicht mehr zeitgemäß sei. Gerade die amorphe Landschaft der neuen Medien könne nicht mit einem Recht auf Schutz der Quellen ausgestattet werden, der ein "gigantisches Loch" in die Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolger sprengen würde, wenn das Recht immer weiter ausgedehnt wird. "Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass kein Journalist einer Quelle die absolute Gewissheit geben darf, dass die Quelle vertraulich bleibt. Alle Arrangements dieser Art kommen mit einem Moment der Ungewissheit und des Risikos, dass die Identität einer Quelle aufgedeckt wird," erklärten die obersten Richter. Damit ist zumindest in Kanada das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten stark eingeschränkt worden. Sollten andere Länder nachziehen, wird die Bedeutung von Wikileaks zunehmen. (jk)