Wirbel um Softwarepatent-Umfrage

Das Wirtschaftsministerium verteidigt sich gegen Vorwürfe des Dilettantismus bei der Umfrage zu Softwarepatenten; Firmen rufen zur regen Beteiligung auf.

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Das Bundeswirtschaftsministerium hat seine Ende vergangener Woche gestartete Befragung zum Minenfeld Softwarepatente gegen Vorwürfe des Dilettantismus und der knappen Zeitplanung verteidigt. "Angesichts des doch sehr weit fortgeschrittenen Verhandlungsstandes in Brüssel brauchen wir möglichst rasch Ergebnisse, wenn wir sie überhaupt noch in die anstehenden Gespräche einbringen wollen", erläuterte Ulrich Sandl, im Ministerium zuständig für Fragen der gesellschaftlichen Beteiligung rund um die Informationstechnik, auf einer Mailingliste des Fördervereins für Informationstechnik und Gesellschaft (Fitug) die knappe Fristsetzung. Die Umfrage solle "nicht nur qualitative, sondern vor allem quantitative Ergebnisse bringen" und dazu beitragen, die wirtschaftspolitischen Interessen Deutschlands im Bereich der Interoperabilität und möglicher Wettbewerbsbehinderungen durch Softwarepatente möglichst genau zu definieren.

Zuvor hatte der Münchner Patentanwalt Axel Horns auf der Fitug-Liste und in anderen Online-Foren starke Bedenken gegen die praktische Durchführung der eigentlich begrüßenswerten Initiative aus Berlin zum Ausdruck gebracht. Die Untersuchung sei "von Anfang an ungeeignet" angegangen worden, so seine Kritik an der "dilettantisch" aufgezogenen Umfrage. Angesichts der nur auf zwei Wochen anberaumten Zeitspanne zum Ausfüllen der Bögen seien die für ihren Online-Aktionismus bekannten Softwarepatent-Gegner aus dem Umfeld des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) im Vorteil. "Natürlich werden dann zuhauf FFII-inspirierte Schaum-vorm-Mund-Wutantwortzettel beim Auswerter eintreffen, bevor der Rest der Industrie -- bei einer derartig kurzen Frist -- auch nur mitbekommen hat, was los ist", empörte sich Horns. Seiner Ansicht nach gehören Softwarepatente angesichts der Vergabepraktiken des Europäischen Patentamts längst zu den rechtlichen Realitäten in Europa. Dass sich das EU-Parlament gegen eine breite Patentierbarkeit von Computerprogrammen und damit gegen das Establishment ausgesprochen habe, sei für die europäische Wirtschaft "fatal".

FFII-Vorstand Hartmut Pilch sieht die "Unkenrufe" als Anzeichen für die große Bedeutung an, die der Untersuchung zukomme. Auch bisherige Umfrage-basierten Studien zu dem umkämpften Thema hätten hohen methodischen Ansprüchen nicht genügt. Zudem seien der Großindustrie nahe stehende Verbände über die Umfrage in Kenntnis gesetzt worden. Um das Ausfüllen des Bogens allen interessierten Unternehmern möglichst einfach zu machen, hat der FFII ein Online-Formular ins Netz gestellt. Damit lässt sich ein OpenOffice- beziehungsweise PDF-Dokument erstellen, dass direkt an die mit der Studie betraute Fachhochschule Gelsenkirchen geschickt werden kann. Alternativ werden die Fragebögen auf einer Seite des Wirtschaftsministeriums und bei der FH angeboten.

Auch an der Neutralität der Auswerter sind Zweifel aufgekommen, da die Hochschule als dezidierter Microsoft-Partner und Referenzkunde geführt wird. Die Redmonder wiederum gelten als große Befürworter von Softwarepatenten. Es wird immer wieder befürchtet, dass sich Microsoft über Klagen rund um sein intellektuelles Eigentum der unbeliebten Konkurrenz aus dem Open-Source-Lager entledigen will.

Firmen, die sich kritisch gegenüber einer Ausweitung des Patentschutzes auf Software ausgesprochen haben, halten derlei Bedenken für übertrieben. Achim Weiss, Technischer Vorstand der 1&1 Internet AG, sieht den Vorstoß als Ansatz, "dass sich möglichst viele Unternehmen mit dem Thema Softwarepatente auseinander setzen". Den Fragebogen des Wirtschaftsministeriums auszufüllen koste nicht viel Zeit, und es "ist sehr wichtig, dass die Bundesregierung endlich ein ungefiltertes Meinungsbild der Branche erhält", betonte Weiss gegenüber heise online. Auch MySQL hofft auf eine rege Beteiligung. "Die Wahrheit muss auf den Tisch", betont Florian Müller, strategischer Berater der Open-Source-Firma. Interessant sei, dass das Wirtschaftsministerium offen die potenziell schädlichen Auswirkungen von Softwarepatenten abfrage, während das eigentlich federführende Bundesjustizministerium einen Zickzack-Kurs bei der umstrittenen Thematik fahre und damit Kritik selbst im Bundestag und in der eigenen Fraktion ausgelöst habe. (Stefan Krempl) / (jk)