Der bessere Halbleiter

Ein neues, kostengünstiges Produktionsverfahren könnte Wafer aus Galliumarsenid zum Halbleiter der Wahl machen – und dazu führen, dass Silizium aus Solarzellen, Sensoren und Transistoren verdrängt wird.

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Von
  • Katherine Bourzac

Ein neues, kostengünstiges Produktionsverfahren könnte Wafer aus Galliumarsenid zum Halbleiter der Wahl machen – und dazu führen, dass Silizium aus Solarzellen, Sensoren und Transistoren verdrängt wird.

Ist Erdöl das Schmiermittel des fossilen Zeitalters gewesen, symbolisiert Silizium den Aufbruch ins 21. Jahrhundert. Kein Computer, keine kommerzielle Solarzelle kommt heute ohne das reichlich vorhandene Element aus. Dabei ist es aber nicht das effizienteste Halbleitermaterial: Galliumarsenid schlägt Silizium sowohl bei der Energieausbeute von Solarzellen – sie ist etwa doppelt so groß – als auch bei der Schaltgeschwindigkeit von daraus hergestellten Transistoren. Leider ist seine Herstellung aber noch teurer als die des – auch nicht gerade billigen – Siliziums.

Ein neues Verfahren von Forschern der Universität von Illinois in Urbana-Champaign soll das ändern. Es ermöglicht endlich, großflächige Wafer aus Galliumarsenid (GaAs) in weniger Prozessschritten und mit weniger Abfällen als bisher zu produzieren. Derzeit werden solche Wafer hergestellt, indem Kristalle der Halbleiterverbindung auf einem speziellen metallischen Untergrund in Hochvakuum-Kammern bei hohen Temperaturen gezüchtet werden. Löst man das Galliumarsenid anschließend ab, um es zu Solarzellen weiterzuverarbeiten, wird das teure Substrat darunter zerstört. Effizient ist das nicht: Das Präparieren und Entleeren der Vakuumkammer dauert länger als das GaAs-Kristallwachstum selbst.

Der Materialwissenschaftler John Rogers hat dieses Problem nun gelöst, indem er in einem Durchgang, mittels chemischer Gasphasenabscheidung, mehrere Galliumarsenid-Schichten nacheinander aufwachsen lässt. Dabei werden immer abwechselnd Zwischenschichten aus Aluminiumarsenid eingezogen. Das GaAs-AlAs-Sandwich behandeln die Forscher anschließend mit Fluorwasserstoff (HF). Weil HF mit Aluminiumarsenid rund eine Million Mal schneller reagiert als mit Galliumarsenid, bleiben am Ende hauchdünne, rechteckige Filme aus der begehrten Halbleiterverbindung übrig. Die Dicke der GaAs-Filme kann einige Nanometer bis Mikrometer betragen.

Weil sie biegsam sind, kann man sie zum Beispiel auf Plastikfolien auftragen. Daraus lassen sich dann leistungsfähige Solarzellen, Bildsensoren oder Transistor-Anordnungen machen. Rogers’ Team hat beispielsweise winzige Solarzell-Prototypen mit 500 Mikrometern Seitenlänge produziert. Sie bestehen aus zwei Packen zu je drei Schichten: eine mit Zink und eine mit Silizium dotierte GaAs-Schicht sowie eine Schicht Aluminium-Galliumarsenid. Aus 100 solcher Zellen fertigten sie auf einer PET-Folie ein kleines Solarmodul (siehe Bild).

„Es gibt zwar auch andere Ansätze für eine kostengünstige Herstellung, aber die Ergebnisse eignen sich nicht für Anwendungen mit hoher Performance“, sagt Yi Cui, Materialwissenschaftler an der Stanford University. „In diesem Fall ist das anders.“ Herkömmliche Verfahren wiederum könnten keine biegsamen Filme aus Galliumarsenid hervorbringen.

Nach demselben Schema hatte Rogers bereits vor ein paar Jahren hauchdünne Silizium-Filme produziert. Dass ihm das nun mit Galliumarsenid gelungen sei, zeige, dass im Prinzip jeder kristalline Halbleiter auf diese Weise verarbeitet werden könne, sagt Cui. Entscheidend sei die richtige Chemie, die beim Ätzen nur die Zwischenschichten entferne. Hierfür muss man Stoffe wählen, die mit Galliumarsenid nur sehr langsam reagieren.

„Das Mehrschichten-Verfahren ist ziemlich interessant, denn es lässt sich auch auf große Stückzahlen ausdehnen“, findet Ali Javey, Elektroingenieur an Universität Berkeley in Kalifornien. Damit würden große Solarmodule aus Galliumarsenid endlich zu einer realistischen Möglichkeit.

Die Firma Semprius aus Durham in Connecticut entwickelt mit Hilfe des neuen Verfahrens nun Mehrschichten-Solarmodule, die einen Wirkungsgrad von 37 Prozent erreichen sollen – deutlich mehr als die derzeit besten Silizium-Module auf dem Markt. Die Module würden auf Installationskosten von zwei bis drei Dollar pro Watt kommen. Ende des Jahres würden in der neuen Pilotanlage die ersten Module produziert, sagt Joe Carr, CEO von Semprius, das unter anderem Fördergeld des US-Energieministeriums bekommt und eine Kooperation mit Siemens eingangen ist.

Dass er sich zunächst auf Photovoltaik als Anwendung für die neuen Galliumarsenid-Filme konzentriert habe, liege daran, dass hier eine Kostensenkung besonders hohe Wirkung erziele, erklärt John Rogers. Nun will er sich mit seinen Kollegen an neue Anwendungen machen. Einige Chiphersteller, darunter Intel, erwägen bereits, Prozessoren auf der Basis von Galliumarsenid zu entwickeln. Außerdem plant Rogers, weitere Materialien wie Galliumnitrid, das sich ebenfalls für Solarzellen im sichtbaren Wellenlängenbereich eignet, mit dem neuen Verfahren zu verarbeiten.


Das Paper: Yoon, J. et al., „ GaAs photovoltaics and optoelectronics using releasable multilayer epitaxial assemblies“, Nature, Vol. 465, S. 329 – 333, 20.5.2010; (Abstract). (nbo)