Jugendliche auf Dauerempfang - Handy Statussymbol und Schuldenfalle

Das Statussymbol Handy führt immer mehr Jugendliche in die Schuldenfalle.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Scarlett Schneider
  • dpa

Kinder und Jugendliche sind auf Dauerempfang: Jedes zweite deutsche Kind zwischen 11 und 12 Jahren und 84 Prozent der 13- bis 22-Jährigen haben nach Angaben des Instituts für Jugendforschung (München) ein eigenes Handy. Das kann teure Konsequenzen haben: Der sorglose Umgang mit Mobiltelefonen lässt Kinder und Jugendliche Schulden machen.

Fotos verschicken und im Internet surfen -- kein Problem für ein modernes Mobiltelefon. Diese oft teuren Zusatzangebote haben nach Ansicht der Experten vor allem eine Zielgruppe: "Da werden Produkte auf den Markt geworfen, die speziell auf Kinder und Jugendliche abzielen", sagt Werner Sanio vom Schuldnerfachberatungszentrum Mainz. Er stellt bei der Überschuldung wegen Handys generell eine steigende Tendenz und teilweise dramatische Ausmaße fest. "Ich kenne Einzelfälle, da betrugen die Handy-Schulden mehrere tausend Euro."

Laut Bundesverband der Deutschen Inkasso-Unternehmen haben 12 Prozent der 13- bis 24-Jährigen Schulden -- im Durchschnitt sogar rund 1800 Euro. Mobiltelefon-Rechnungen sind eine Ursache: "Handys haben immer anspruchsvollere Funktionen, häufig verbunden mit für Kinder kaum durchschaubaren Gebühren", teilt der Verband mit.

Neben Gesprächen und Textmitteilungen sind es vor allem die Extras, die Geld kosten. "Ich möchte schon ab und zu einen neuen Klingelton und ein, zwei Spiele", bekennt etwa Alen (16) aus Mainz. Doch mit bis zu zehn Euro kann das einmalige Herunterladen von Klingeltönen nach Angaben des Magazins FINANZtest zu Buche schlagen.

Dass Kinder und Jugendliche gar nicht erst in Versuchung kommen, will die Bundesministerin für Verbraucherschutz erreichen -- Renate Künast (Grüne) fordert so genannte Kids-Tarife: Eltern schließen einen speziellen Handy-Vertrag für ihre Kinder ab, in dem teure Nummern wie 0190 oder 0900 zum Herunterladen von Klingeltönen oder Logos nicht angewählt werden können.

Für falsch hält das Husam Azrak, Sprecher von T-Mobile. "Es ist nicht die Aufgabe eines Mobilfunkunternehmens, die Jugendlichen der Nation zu erziehen. Der gewissenhafte Umgang mit modernen Medien muss schon im Elternhaus, Kindergarten und in der Schule erlernt werden." Vor allem unseriöse Drittanbieter sind seiner Ansicht nach Schuld am schlechten Ruf der Handy-Dienste. "Einige schwarze Schafe verzerren das Bild. Unsere Download-Gebühren sind transparent und nicht teuer: sie liegen zwischen 39 Cent und 2,49 Euro."

Der richtige Umgang mit dem Handy steht nicht auf dem Lehrplan und entsprechende Vorträge der Verbraucherzentrale für Schulklassen sind kaum gefragt. "Mit dem Thema 'Kostenfalle Handy' kann man keinen Schüler hinter dem Ofen vorlocken. Die haben eher Angst, dass man ihnen das Handy vermiesen will", betont Barbara Steinhöfel von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. "Bei Minderjährigen rate ich zu Prepaid-Karten. So bleiben Ausgaben überschaubar."

Auch der Deutsche Kinderschutzbund empfiehlt die im Voraus aufladbaren Guthaben. Ist die Karte vor der verabredeten Zeit leer, sollten Eltern sie nicht gleich wieder aufladen. "Schließlich müssen Kinder früh lernen, dass das einem zur Verfügung stehende Geld begrenzt ist", sagt Bundesgeschäftsführerin Gabriele Wichert.

Als Statussymbol und festen Bestandteil der Jugendkultur beschreibt Karl Schreiber-Herschel das Mobiltelefon auf seiner Homepage schuldenfallehandy.de. Der Sozialarbeiter aus Köln spricht bei Kindern und Jugendlichen von einer "steigenden Abhängigkeit" vom Handy sowie von Medien- und Kommunikationssucht: "Medien werden von vielen jungen Leuten bereits nicht mehr nur zu einem Zwecke, sondern um ihrer selbst Willen genutzt." Das kann Lisa (17) aus Mainz bestätigen: "Viele schreiben eine SMS, obwohl der andere im Klassenzimmer nebendran sitzt." (Scarlett Schneider dpa) (anm)