WLAN-Urteil: BGH verlangt "marktübliche" Sicherung von WLANs [Update]

In seiner schriftlichen Begründung zum WLAN-Urteil vom 12. Mai erläutert der Bundesgerichtshof seine Ansichten zur Störerhaftung von Funknetz-Betreibern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 652 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Holger Bleich

Überraschend schnell hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine schriftliche Begründung zu seinem am 12. Mai verkündeten "WLAN-Urteil" geliefert. Das oberste deutsche Gericht bestätigte, dass der Betreiber eines Funknetzes als sogenannter Störer für Urheberrechtsverletzungen haftet, die über seinen DSL-Anschluss begangen wurden, wenn er den WLAN-Zugang nicht "marktüblich" abgesichert hat.

Im verhandelten Fall ging es um die Klage eines Musiklabels, das P2P-Tauschbörsen nach illegalen Angeboten eines bestimmten Songs durchforsten ließ. Bei Treffern stellte man Strafanzeige, ließ von der Staatsanwaltschaft den Anschlussinhaber zur ermittelten IP-Adresse herausfinden und mahnte den vermeintlichen Delinquenten ab.

Der Beklagte war in der fraglichen Zeit jedoch in Urlaub. Er hatte erklärt, dass sein Router, eine Fritzbox, von seinem Arbeitgeber ohne aktiviertes Funknetz eingerichtet worden sei. Das Gerät habe sich in einem abgeschlossenen Büroraum befunden, außerdem habe er vor Urlaubsantritt die Sammelsteckdose der PC-Anlage abgeschaltet.

Dem schenkte der BGH genau wie das LG Frankfurt als erste Instanz keinen Glauben. Der Kläger habe die IP-Adresse nach eigenen Angaben immerhin mit einer "zuverlässigen und eingehend überwachten Software" erfassen lassen. Deshalb könne das Gericht davon ausgehen, "dass der WLAN-Router des Beklagten zum fraglichen Zeitpunkt aktiviert war" und der Sammelstecker entgegen seiner Darstellung nicht ausgeschaltet gewesen sein konnte.

Und wenn Privatpersonen einen WLAN-Anschluss in Betrieb nehmen, sei es "zuzumuten zu prüfen, ob dieser Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen hinreichend dagegen geschützt ist, von außenstehenden Dritten für die Begehung von Rechtsverletzungen missbraucht zu werden." Dieser Pflicht ist der Beklagte dem Gericht zufolge nicht nachgekommen. Er habe die "zum Kaufzeitpunkt marktüblichen Sicherungen" nicht wirksam eingesetzt.

Der Beklagte hatte den aufgedrucken, individuellen WPA-Schlüssel der Fritzbox nicht geändert. Er hätte laut BGH diese 16-stellige, auf der Unterseite der Fritzbox vermerkte Zeichenkombination, sofort durch ein "persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort" ersetzen müssen.

[Update: Hersteller AVM tritt unterdessen seit dem Urteil entstandenen Befürchtungen entgegen, die Fritzboxen seien grundsätzlich nicht sicher und genügten den vom Gericht formulierten Anforderungen nicht. "Aus der Urteilsbegründung geht nicht hervor, ob dem Gericht bekannt war, dass bei einigen Herstellern dieses Passwort bereits ab Werk individuell pro Gerät vergeben wird", teilt AVM dazu mit. Der Hersteller betont, dass die Boxen mit einem individuellen WLAN-Netzwerkschlüssel ausgeliefert werden und damit bereits ab dem ersten Einschalten sicher vor unberechtigten Zugriffen geschützt seien.]

Weil er dieser Plicht nicht nachgekommen ist, sieht ihn der BGH in der sogenannten Störerhaftung. Er hafte aber nicht als Täter, deshalb habe das Musiklabel keinen Anspruch auf Schadenssersatz. Als Störer muss er allerdings dafür sorgen, dass sich die Rechtsverletztung nicht wiederholen kann (Unterlassung). Und weil dieser Anspruch des Klägers gerechtfertigt ist, hat der Beklagte die Kosten für die Abmahnung zu tragen.

In seiner Pressemitteilung vom 12. Mai hatte der BGH noch angemerkt, dass im vorliegenden Fall wohl die seit 2008 gültige Deckelung der Abmahngebühren auf 100 Euro gegriffen hätte. In der Urteilsbegründung fehlt ein solcher Hinweis, sodass die von vielen erhoffte Deckelung auf 100 Euro bei Abmahnungen wegen nur eines Songs nicht vom BGH bestätigt wurde. (hob)