Tinder und Co: Trotz Datenbank – Match Group lässt Straftäter zu

Wer bei Dating-Apps gesperrt wird, kann sich einfach mit denselben Daten wieder neu anmelden. Trotz Datenbank mit gemeldeten Vorfällen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 19 Kommentare lesen
Frau mit Smartphone in der Hand, auf dem in Tinder das Profil eines Mannes geöffnet ist.

(Bild: Alex Photo Stock/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Theresa Lachner

Seit Ende 2021 sind die Aktienkurse der Match Group, zu der unter anderem Tinder, OkCupid und Hinge gehören, und die mehr als den halben Dating-Markt weltweit kontrollieren, um über 80 Prozent abgesackt. Eine neue Investigativrecherche dürfte diesen Sinkflug nicht bremsen. Dabei gibt es Berichte, die Match Group pflege eine Datei mit gemeldeten Vorfällen und Straftätern – nutze diese jedoch nicht.

Das Team des "Dating-Apps Reporting Project", eine Zusammenarbeit des Pulitzer Center AI Accountability Network, The Markup, CalMatters und des Guardians, erstellte mehr als 50 Testkonten auf Tinder, Hinge, OKCupid und Plenty of Fish. Ziel war es, herauszufinden, wie die Match Group auf Meldungen zu sexuellen Übergriffen reagiert und ob gesperrte Nutzer sich einfach neue Konten erstellen können. Die Tests fanden in zwei Runden statt: einmal im April und Mai 2024 und erneut im Januar und Februar 2025. Die Ergebnisse waren in beiden Fällen ähnlich.

Zunächst wurde getestet, ob und wie schnell Tinder Nutzer sperrt, die wegen eines sexuellen Übergriffs gemeldet wurden. Das Ergebnis: In allen Fällen wurden die gemeldeten Nutzer innerhalb von zwei Tagen gesperrt.

Aber: Die Untersuchung ergab, dass gesperrte Nutzer oft direkt wieder mit derselben Telefonnummer neue Tinder-Konten mit genau denselben persönlichen Daten erstellen konnten – einschließlich Namen, Geburtsdatum und Profilfotos. Auch eine neue Registrierung bei anderen Diensten aus der Match Group, etwa Hinge, OKCupid und Plenty of Fish, war ohne Änderungen dieser Daten möglich.

Wie aus geleakten internen Dokumenten und Aussagen von ehemaligen Mitarbeitenden hervorgeht, wusste die Match Group spätestens seit 2016, welche Nutzer wegen K.-o.-Tropfen, sexueller Übergriffe oder Vergewaltigungen gemeldet wurden. Seit 2019 speichert eine zentrale Datenbank des Unternehmens alle Meldungen zu Vergewaltigungen und Übergriffen über sämtliche Apps hinweg. Bis 2022 erfasste dieses System – genannt Sentinel – laut Insidern wöchentlich Hunderte solcher Vorfälle.

In Sentinel werden Profilfotos, Telefonnummern, Geburtsdatum, IP-Adressen und mehr gespeichert. Eigentlich soll die Datenbank dazu dienen, dass sich gesperrte Personen nicht erneut und auch nicht anderswo wieder anmelden können. Laut Guardian ist genau das jedoch nicht geschehen.

Im Jahr 2020 kündigte die Match Group an, einen Transparenzbericht zu veröffentlichen, in dem gemeldete Fälle gelistet werden. Doch bis Februar 2025 wurde dieser Bericht nicht veröffentlicht.

Stattdessen diskutierte das Unternehmen laut Bericht intern, welche Informationen zurückgehalten werden sollten. Eine Präsentation aus dem Jahr 2021, die sowohl Mitarbeitern als auch externen Sicherheitspartnern gezeigt worden sein soll, enthielt die Frage: "Veröffentlichen wir nur das, wozu wir gesetzlich verpflichtet sind? Lehnen wir strengere Vorgaben ab oder gehen wir über die Mindestanforderungen hinaus?"

In einer Stellungnahme bezeichnete sich die Match Group hingegen als führend in der Entwicklung von Sicherheitsmaßnahmen. Das Unternehmen verweist dabei auf den Einsatz von KI-gestützten Werkzeugen zur Verhinderung von Belästigung, eine ID-Verifizierung für Profile sowie eine Plattform zur Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden. Am tatsächlichen Einschreiten fehlt es jedoch offenbar. Hinzukommen Sicherheitslücken, wie zuletzt im Sommer vergangenen Jahres aufgefallen. Da zeigten Sicherheitsforscher, wie sie Daten etwa zur sexuellen Orientierung, dem Online-Status und mehr einsehen konnten.

(emw)