Interview: Krankenhäuser müssen noch mehr Daten liefern, ohne erkennbaren Nutzen
Was mit der Krankenhausreform in Bezug auf die Digitalisierung auf Krankenhäuser zukommt, erklärt der IT-Leiter der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

Viele klagen wegen der Krankenhausreform.
(Bild: Somkid Thongdee/Shutterstock.com)
Die Ende des Jahres beschlossene Krankenhausreform soll für eine "Entökonomisierung" des Krankenhauswesens sorgen und die Qualität der Versorgung verbessern. In der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik am bisherigen Finanzierungssystem, nach dem die Behandlung der Patienten möglichst profitabel sein muss.
Künftig müssen Krankenhäuser bestimmte Kriterien erfüllen, um Leistungen in verschiedenen Leistungsgruppen erbringen zu dürfen – wie Entbindungen oder Herzchirurgie. Dies soll zu einer Spezialisierung der Krankenhäuser führen, die die Behandlungsqualität erhöhen soll. Gleichzeitig werden Kliniken schließen müssen, da sie die Kriterien für die Erbringung bestimmter Leistungen nicht mehr erfüllen.
Anschlussfinanzierung für die Digitalisierung?
Eine weitere Herausforderung bei den Krankenhäusern dürfte das Auslaufen der Fördermittel für die Digitalisierung sein, deren Erhalt ohnehin mit Sanktionen verbunden sind. "Im Rahmen des Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) fördert das BMG etwa 6.000 Projekte mit einem Volumen von drei Milliarden Euro (zuzüglich des Anteils der Länder von dreißig Prozent). Der KHZF ist Teil des sogenannten Deutschen Aufbau- und Resilienzplans (DARP), sodass die Fördermittel über die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) der EU refinanziert werden und eine Verlängerung des Fonds ausgeschlossen ist", heißt es dazu auf Anfrage von einem Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Jedoch soll die Digitalisierung damit nicht enden.
(Bild: DKG)
Über das Krankenhauszukunftsgesetz und was die Krankenhausreform für die Digitalisierung bedeutet, sprachen wir mit Markus Holzbrecher-Morys. Er ist Geschäftsbereichsleiter Digitalisierung & eHealth bei der DKG.
heise online: Was bringt die Krankenhausreform im Hinblick auf die Digitalisierung?
Holzbrecher-Morys: Sie bringt in erster Linie deutlich mehr Bürokratie, enthält aber insgesamt eher Einzelregelungen zur Digitalisierung. Eine übergreifende Digitalisierungsstrategie – die das BMG ja durchaus vorweisen kann – stand erkennbar nicht im Fokus des Gesetzgebungsverfahrens. Die Reform sorgt vor allem dafür, dass Krankenhäuser noch mehr Daten liefern müssen, ohne dass ein Nutzen erkennbar wäre. Bei der Entwicklung des Gesetzes wurde versäumt zu prüfen, wo die Digitalisierung wirklich helfen und auf welche schon bestehenden Informationen man bürokratieentlastend zurückgreifen könnte.
Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Datenübermittlung nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz, anhand derer das InEK, das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, jährlich das Fallpauschalensystem weiterentwickelt.
Also das DRG-System?
Genau das. Die Datenlieferungen, die Krankenhäuser dafür jährlich bis zum 31. März liefern müssen, stehen jetzt vor der Tür. Die dafür erhobenen Behandlungsdaten des Vorjahres werden in speziell strukturierter Form seit Mitte der 2000er Jahre an das InEK übermittelt und dort ausgewertet. Unter anderem hieraus entwickelt das InEK dann den DRG-Katalog für das nächste Jahr. Das ist für alle Beteiligten ein sehr aufwendiger, komplizierter Prozess, aber das InEK hat hiermit sehr viel Erfahrung und macht das seit vielen Jahren, das ist stabil.
Das DRG-System (Diagnosis Related Groups) ist ein pauschalisierendes Abrechnungssystem, das stationäre Krankenhausbehandlungen in Gruppen mit ähnlichen Diagnosen und Behandlungen einteilt. Es dient der leistungsgerechten Vergütung von Krankenhäusern, indem es Fallpauschalen basierend auf Hauptdiagnosen, Nebendiagnosen, Prozeduren, Alter, Geschlecht und anderen Faktoren berechnet. Das System wurde in Deutschland 2003 eingeführt und wird jährlich angepasst, um die medizinische und ökonomische Homogenität der Fallgruppen zu gewährleisten. Seit seiner Amtszeit spricht sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der 2003 damals für die Einführung des DRG-Systems mit verantwortlich war, für ein hybrides DRG-System aus, das nicht mehr gewinnorientiert sein soll. Mit der Krankenhausreform werden entsprechende Änderungen angestrebt.
Das InEK stellt auch die Daten für den Klinikatlas bereit, oder?
Genau. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte die Idee, noch mehr Daten der Krankenhäuser für den Klinikatlas zu erheben. Die Aufgabe hat man an das InEK übertragen.
Krankenhäuser müssen hierzu in jedem Quartal zusätzliche Daten an das IneK liefern. Für den Krankenhausatlas werden in einer Datei beispielsweise Informationen über das ärztliche und pflegerische Personal gesammelt. Einen Klinikatlas, der kaum Krankheiten umfasst und den keiner braucht, weil es bessere Datenbanken gibt. In einer weiteren Datei muss das Personal der Standorte den jeweiligen Fachabteilungen zugeordnet werden. Auch wenn das schon enormen Aufwand verursacht, ist zumindest noch weitestgehend klar, was gefordert wird. In einer weiteren Datei muss dann das ärztliche und klinische Personal den neuen Leistungsgruppen zugeordnet werden. Die Idee der Krankenhausplanung auf Basis sogenannter Leistungsgruppen ist Kern der Krankenhausreform, stellt aber ein neues Instrument dar und ist in der praktischen Anwendung – außer in NRW – noch gar nicht etabliert. Die Zuordnung von ärztlichem Personal zu den neuen Leistungsgruppen stellt Krankenhäuser vor erhebliche Probleme.
Können Sie ein Beispiel nennen, warum das nicht funktioniert?
Die minutengenaue Zuordnung des ärztlichen Personals zu den Leistungsgruppen ist nicht nur bürokratischer Wahnsinn, sie passt auch nicht zur Systematik der Fallzuordnung. Werden Patientinnen und Patienten beispielsweise auf Basis der Verweildauer in einer Fachabteilung einer Leistungsgruppe zugeordnet, fallen Fachabteilungen mit einer systematisch kürzeren Verweildauer – typisch zum Beispiel in der Gastroenterologie oder auf Intensivstationen – durchs Raster.
Lassen Sie mich das an einem Beispiel erklären: Eine nach einem Sturz dehydriert und mit einem Oberschenkelhalsbruch ins Krankenhaus aufgenommene ältere Person wird zunächst kurzzeitig auf einer Intensivstation betreut. Im Anschluss erfolgt eine längere Behandlung in der Geriatrie, der Behandlungsfall wird aufgrund dieser längeren Behandlungszeit der Leistungsgruppe Geriatrie zugewiesen. Welchen Informationswert für den Klinikatlas hat es dann, die behandelnden Ärzte aus der Intensivstation der Leistungsgruppe Geriatrie zuordnen?
Krankenhäuser müssen diese Daten jedes Quartal ans InEK übermitteln – also auch die Zuordnung der ärztlichen Leistung auf drei Nachkommastellen genau. Dabei muss auch noch differenziert werden, in welcher Funktion der Arzt tätig war, wenn er mehrere Facharztweiterbildungen hat. Das können die Ärzte allenfalls noch schätzen. Der bürokratische Aufwand ist enorm und es gibt noch weitere Herausforderungen:
Um Behandlungsfälle überhaupt den Leistungsgruppen zuordnen zu können, benötigt man den Leistungsgruppen-Grouper – eine Software, die nach Eingabe der Behandlungsinformationen die entsprechende Leistungsgruppe berechnet. Bisher nutzen Krankenhäuser den DRG-Grouper, der unter anderem anhand der ICD- und OPS-Codes – also der Erkrankung und Therapieform – sowie weiterer Parameter eine Fallpauschale berechnet.
Vor der Krankenhausreform hatte der Grouper primär die Funktion, stationäre Behandlungsfälle in DRGs (Diagnosis Related Groups) zu gruppieren, um die Vergütung der Krankenhäuser zu berechnen. Diese Gruppierung basierte auf den ICD-10-GM-Diagnosen- und Operationen-und Prozedurenschlüssel (OPS) sowie anderen Parametern wie der Liegezeit. Der Grouper ordnete die Fälle in DRGs ein, die wiederum die Grundlage für die Fallpauschalen bildeten, die die Krankenhäuser für ihre Leistungen erhielten.
Im Gegensatz zur neuen Krankenhausreform, die 65 Leistungsgruppen einführt, war der Grouper vorher nicht darauf ausgelegt, die Spezialisierung der Krankenhäuser zu fördern oder Qualitätskriterien für bestimmte Leistungsgruppen zu berücksichtigen. Stattdessen lag der Fokus auf der Abbildung der Behandlungsfälle in DRGs, um eine einheitliche Vergütung zu ermöglichen.
Neben der Grouper-Software gibt es jetzt einen neuen Leistungsgruppen-Grouper. Dieser nimmt auch die Behandlungsdaten entgegen und ordnet den Behandlungsfall am Ende einer Leistungsgruppe zu – wie eben im Beispiel der Geriatrie. Der LG-Grouper ist eine neue Software und wird zusätzlich zum bisherigen Grouper eingesetzt. Diese Software sollte den Krankenhäusern am 30. September 2024 zur Verfügung stehen. Aufgrund der Komplexität des Verfahrens wurde die Spezifikation jedoch erst in diesem Jahr fertiggestellt.
Hat die Politik einen zu straffen Zeitplan vorgegeben?
Ja und die Hersteller der Grouper-Software haben in der Regel erst mit Vorliegen der Spezifikation mit der Umsetzung beginnen können. Diese lief dann zwar vergleichsweise schnell, aber der Rollout dieser Software in die Krankenhäuser hat erst begonnen.
Bevor Software im Krankenhaus in der Liveumgebung genutzt wird, wird sie in der Regel in einer Testumgebung erprobt. Hier überprüfen die Häuser, wie sich die Software verhält und ob es noch Fehler gibt, die dann an die Hersteller zurückgemeldet werden. Der Aufwand für Softwaretests ist groß und steigt mit Blick auf Anforderungen an die Informationssicherheit weiter an. Bis zum 31. März müssen die Krankenhäuser aber die Daten liefern, obwohl die Software bisher nur in Teilen bereitsteht, geschweige denn getestet wurde. Dazu haben wir Herrn Lauterbach mehrfach kontaktiert, allerdings kam bisher keine Reaktion.
Die Anzahl und Komplexität der Datenmeldungen hat im Kontext der Krankenhausreform stark zugenommen. Gleichzeitig müssen Krankenhäuser, die die Datenlieferungen nicht erbringen, pro Quartal bis zu 50.000 Euro Strafe zahlen. Und zwar pro Standort. Das sind allein die Strafzahlungen für die nicht gelieferten Daten für den Klinik-Atlas.
Das ist vielleicht ein besonders deutliches Beispiel für die neuen Bürokratie- und Datenübermittlungsaufwände durch die Krankenhausreform, bei denen Aufwand und Nutzen in einem krassen Missverhältnis stehen – wenn überhaupt ein Nutzen erkennbar ist. Aber die Krankenhausreform enthält auch an anderer Stelle bürokratische Detailregelungen, zum Beispiel bei der jetzt geplanten Form der Vorhaltefinanzierung.
Warum ist das so?
Die Vorhaltefinanzierung erhöht eher die bürokratischen Aufwände und bietet keine ausreichende Existenzsicherung für Krankenhäuser. Außerdem entstehen neue Fehlanreize und erhöhen das Risiko für Unterversorgung.
Dabei gibt es Beispiele, wie digitale Datenübermittlungen Versorgung verbessern kann. Die DEMIS-Schnittstelle hat beispielsweise für Krankenhäuser echte Vorteile. Wir können Meldungen zu den Patienten und zu Erkrankungs- und Impfdaten direkt aus dem Krankenhausinformationssystem an das Robert Koch-Institut übermitteln. Auch die Labormeldungen können automatisiert übermittelt werden und seitdem die Authentifizierung auch über die Telematikinfrastruktur funktioniert, ist das eine echte Unterstützung –nicht mehr von Hand etwas verschicken oder signieren zu müssen.
Ein Problem stellt für die Krankenhäuser jedoch dar, dass die Meldesoftware zur Ansprache dieser DEMIS-Schnittstelle nicht finanziert wird. Das müssen die Krankenhäuser selbst bezahlen, wenn sie es denn können und diese Module sind im Zweifel sehr teuer. Die kostenlose Variante – das DEMIS-Meldeportal – ist für viele Krankenhäuser daher die Rückfall-Lösung. Die Dateneingabe über das Portal birgt in seiner Komplexität jedoch eigene Herausforderungen, zum Beispiel wenn am Ende eines 12minütigen Eingabemarathons eine Fehlermeldung erscheint und das Krankenhaus mit der Dateneingabe von vorn beginnen muss.
Was hätte man bei der Krankenhausreform besser machen können?
Es gibt sehr viel Verbesserungsbedarf, ich beschränke mich jetzt mal nur auf den Aspket Digitales: Schon in der Pandemie haben wir darauf gedrängt, erst einmal zu prüfen, was die Routinedaten aus den unterschiedlichsten Datenübermittlungsverfahren bereits hergeben. Die tägliche "Bettenmeldung" hätte – mit einer gewissen Unschärfe – auch aus den täglich generierten und automatisch übermittelten Abrechnungsdaten abgeleitet werden können, datenschutzkonform und ohne insbesondere das pflegerische Personal mit der Erfassung dieser Daten von ihrer eigentlichen Tätigkeit abzuhalten. Wir erfassen heute schon so viele Daten in den Standardverfahren. Im Sinne der Datensparsamkeit und Entbürokratisierung sollte immer zunächst überlegt werden, welche Daten bereits vorliegen, ehe man für jede Abfrage ein neues Datenübermittlungsverfahren aufsetzt.
Das ist ein Grundübel aktueller Digitalisierungsbestrebungen im Gesundheitswesen: Statt effizienter Prozesse und Unterstützung in ihren Kerntätigkeiten erleben wir immer mehr Bürokratie durch immer mehr Daten, die gefordert werden. Das führt zu viel Frustration bei allen Beteiligten.
Was hat das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) bisher gebracht?
Mit dem KHZG wurde den Krankenhäusern ein massiver Impuls in Richtung Digitalisierung gegeben. Allerdings war der Markt damals nicht auf das KHZG vorbereitet. Die Industrie hatte nicht die Kapazitäten, um sämtliche Digitalisierungsprojekte in 1.700 Krankenhäusern parallel zu bedienen. Und auch Krankenhäuser wurden von dem "Geldsegen" zum Teil kalt erwischt.
Aus vielen Gesprächen wissen wir heute, dass Krankenhäuser, die ihre Bedarfsanmeldung beim jeweiligen Bundesland ohne bereits fertige Digitalisierungsstrategie einreichen mussten, häufig Förderungen beantragt haben, die entweder langfristig nicht tragfähig sind oder zugunsten anderer Projekte noch hätten zurückgestellt werden sollen. Die insgesamt 4,3 Milliarden Euro – 3 Milliarden Euro hiervon von der EU – waren ein wichtiger Impuls für die Digitalisierung in den Krankenhäusern. Das sieht man zum einen an den Ergebnissen des "Digitalradars" – einer bundesweiten Erhebung des digitalen Ist-Zustandes der Krankenhäuser, aber auch an den immer konkreteren Fragestellungen zur Digitalisierung aus den Krankenhäusern. Kamen die Krankenhäuser im Digitalradar 2021 im Durchschnitt noch auf 33 Punkte von 100, waren es 2024 mehr als 40 Punkte.
Die Digitalisierung von Patientenakten, das papierlose Krankenhaus, damals war das eine Utopie. Heute ist das in vielen Krankenhäusern etwas, bei dem man sagt: "Ja, da sind wir auf einem guten Weg", oder "Das haben wir in vielen Teilen sogar schon umgesetzt", beispielsweise eine digitale Behandlungsdokumentation. Hier haben sich viele Dinge weiterentwickelt und ich bin sehr froh, dass es das KHZG gegeben hat. Dass dabei auch Fehler gemacht wurden, steht außer Frage. Dennoch war das KHZG enorm wichtig.
Sie hatten vorhin gesagt, dass es keine Finanzierung für die DEMIS-Schnittstelle gibt. Wie ist das mit der Finanzierung der bisher im Rahmen des KHZG angeschafften Software?
Das bereitet uns derzeit tatsächlich die größten Sorgen. Bei der nächsten, spätestens übernächsten Digitalradar-Abfrage könnten wir wieder zurückfallen, denn die Betriebskosten für die Digitalisierung im Krankenhaus werden heute an keiner Stelle finanziert. Gleichzeitig haben sich die Rahmenbedingungen hier stark verändert. Das kennt jeder: Früher hat man eine Software gekauft. Irgendwann hat man dann die neue Version beschafft, meistens mit einem Nachlass für das Upgrade. Heutzutage konzentriert sich der Markt vorwiegend auf Software-as-a-service – also "Abo"-Modelle. Das ist im Krankenhaus nicht anders. Die laufenden Betriebskosten für Abo-Lizenzen sind wesentlich höher als der einmalige Kauf einer Software, so etwas ist bisher nirgends berücksichtigt. Sagen wir, es wurden 10 Millionen investiert, dann belaufen sich die Betriebskosten in der Regel auf 2,5 bis 3 Millionen – teilweise sogar jährlich. Das wird nicht refinanziert und die Krankenhäuser haben keine Rücklagen, um das zu bezahlen.
Wir fürchten, dass – sobald die KHZG-Förderung Ende 2025 ausläuft – viele Krankenhäuser von heute auf morgen die bereits aufgebauten Digitalisierungsvorhaben stilllegen müssen, weil sie ihre Rechnungen schlicht nicht bezahlen können. Diese Perspektive – dass den aufwendig aufgebauten Digitalisierungsvorhaben der Stecker gezogen wird – ist für unsere Bemühungen um mehr Digitalisierung in den Krankenhäusern momentan das große Damokles-Schwert.
Wird es mit der Digitalisierung, wie von Beratungsunternehmen vorgerechnet, Einsparungen geben?
Davon auszugehen, dass wir mit der Digitalisierung schon jetzt Geld einsparen, ist nach meiner Ansicht schlicht Unsinn. Gesamtwirtschaftlich gesehen, wird man durch die mit der Digitalisierung verbundenen Effizienzgewinne sicherlich Einsparungseffekte erzielen. Für das einzelne Krankenhaus wird es im Moment jedoch eher teurer. Wir müssen effizienter werden und dürfen die Digitalisierung nicht verstolpern.
Man muss aber auch anerkennen, dass im Übergang zur Nutzung neuer digitaler Prozessen zumindest in Teilen noch die bisherigen, häufig analogen Systeme weiter genutzt oder langfristig entsprechende Ersatzsysteme vorgehalten werden müssen. Daher werden sich zumindest kurzfristig keine Kosteneinsparungen ergeben. Hinzu kommt, dass wir derzeit noch viel Frustration im Aufbau mit neuen Verfahren erleben, etwa mit der Telematikinfrastruktur. Kosten sind nicht der alleinige Erfolgsfaktor der Digitalisierung – mindestes ebenso wichtig ist die Akzeptanz durch die Nutzenden – sowohl die Patientinnen und Patienten, als auch zum Beispiel das ärztliche und pflegerische Personal.
Mit dem KHZG ist bei der Digitalisierung viel passiert, aber aktuell kostet sie Krankenhäuser primär Geld und droht, bald wieder ausgebremst zu werden – die fehlende Betriebskostenfinanzierung ist wirklich ein ganz großes Problem. Es gibt natürlich Gedankenspiele zum Transformationsfonds und dem geplanten Sondervermögen, diese Überlegungen sind jedoch noch völlig unausgegoren. Und auch wenn wir die Idee des Transformationsfonds grundsätzlich unterstützen, diesen zur Hälfe aus Beitragsmitteln der gesetzlich Krankenversicherten zu zahlen, halten wir nicht für richtig.
Was hat es mit den zusätzlichen Aufwänden bei der Geokodierung von Krankenhausambulanzen auf sich? Die bisherigen Angaben im Standortverzeichnis sind doch schon sehr ausführlich.
Das Standortverzeichnis nach § 293 Absatz 6 SGB V ist eine bundesweite Datenbank, die die Standorte der nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser und ihrer Ambulanzen erfasst. Es wird vom InEK im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und des GKV-Spitzenverbandes (GKV-Spitzenverband) geführt.
Das Verzeichnis ist seit dem 1. Januar 2020 im Regelbetrieb und kann online über die Website krankenhausstandorte.de eingesehen werden. Krankenhäuser können sich dort registrieren, ihre Standorte erfassen und entsprechende Kennzeichen beantragen. Die Inhalte des Verzeichnisses sind öffentlich zugänglich, sofern man sich als Nutzer registriert. Die Daten aller Krankenhäuser können online eingesehen und im XML-Format heruntergeladen werden.
Das Standortverzeichnis dient unter anderem der Abrechnung von Leistungen, der Qualitätssicherung und der Datenübermittlung an die Datenstelle nach § 21 Absatz 1 KHEntgG. Es enthält Informationen wie die Geodaten der Krankenhausträger, Standortkennzeichen, Institutionskennzeichen und Adressen der Krankenhäuser und Ambulanzen.
Das Verzeichnis der Krankenhausstandorte in Deutschland besteht seit 2017 und hat sich inzwischen in vielen Bereichen etabliert. Maßgeblich hierfür sind die Regelungen des §2a im Krankenhausfinanzierungsgesetz, der beispielsweise festlegt, dass Gebäude eines Krankenhausstandortes nicht mehr als 2.000 Meter voneinander entfernt sein dürfen. Danach muss der Standort in zwei Standorte aufgeteilt werden – die Verdoppelung aller Berichtspflichten inklusive. In diesem Standortverzeichnis – einer öffentlich verfügbaren XML-Datei – sind auch die Ambulanzen der Krankenhäuser aufgeführt. Der Gesetzgeber hat nun gefordert, dass die Geokoordinaten jeder einzelnen Ambulanz in das Verzeichnis eingetragen werden. Unabhängig davon, dass viele Krankenhäuser diese Informationen in den vergangenen Jahren bereits erfasst hatten – ein echter Mehrwert, etwa für die Patientinnen und Patienten, ergibt sich hieraus nicht.
Was bringt denn die Angabe einer Geokoordinate im Verzeichnis?
Für Patienten ist die Geokoordinate völlig irrelevant. Die Menschen kommen nicht mit dem GPS-Tracker ins Krankenhaus und geben eine Koordinate einer Ambulanz aus einer XML-Datei aus dem Internet ein. Man geht in der Regel zum Haupteingang und schaut entweder auf den Wegweiser oder fragt an der zentralen Information nach dem Weg.
Ob die Angabe im Verzeichnis für die Krankenkassen relevant ist, die im Rahmen der Abrechnungsprüfung Plausibilitätsprüfungen auf Basis des Verzeichnisses durchführen, kann man zumindest annehmen. Wenn dann im Rahmen von Festlegungen der Selbstverwaltung noch darüber verhandelt werden muss, welche Geokoordinate bei einer Ambulanz für Telemedizin anzugeben ist, wird die Bürokratie einmal mehr deutlich.
Sie hatten vorhin noch das Thema Telemedizin angesprochen. Wie sieht es damit aus?
Beim Thema Telemedizin bestehen erfreulicherweise immer weniger technische Hürden. Der kürzlich veröffentlichte Bericht des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Telemedizin (Drucksache 20/15069) sieht die Telemedizin hier auf einem guten Weg. Wichtig ist die sachgerechte Vergütung. Wenn es keine Refinanzierung dieser Themen gibt, werden sie schlicht nicht angeboten werden können. Und das ist schade, denn gerade in diesem Bereich gäbe es noch viele Möglichkeiten, die Versorgung noch besser zu machen und auf die Herausforderungen unserer Zeit mit den Möglichkeiten der digitalen Innovation reagieren zu können.
(mack)