"The Darkest Files": Schmerzhaftes Erinnern
Nazis auf der Spur: In "The Darkest Files" jagen mutige Staatsanwälte ehemalige Nazis und bringen sie vor Gericht.

(Bild: heise online)
Es ist nicht vorbei. Das ist die Botschaft von Paintbuckets Detektiv-Spiel "The Darkest Files". Egal, wie viele Akten du gewälzt hast, egal, wie viele Zeugen du befragt hast und egal, ob der Täter verhaftet wurde oder nicht. Es gibt immer einen nächsten Fall. Wie schon im preisgekrönten "Through the Darkest of Times" widmet sich das Berliner Indie-Studio Paintbucket der dunkelsten Episode der deutschen Geschichte. Dieses Mal ist es kein Strategiespiel, sondern ein minimalistisches Detektiv-Spiel.
Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen
Die Geschichte der strafrechtlichen Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen ist in Deutschland mit dem Staatsanwalt Fritz Bauer verbunden. Er und sein Team widersetzten sich der Vertuschung der nationalsozialistischen Vergangenheit. So half er bei der Ergreifung des Holocaust-Organisators Adolf Eichmann oder beteiligte sich am Frankfurter Auschwitz-Prozess Anfang der 1960er Jahre. Seine Arbeit bildet die Vorlage fĂĽr "The Darkest Files".
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Die Spieler schlüpfen in die Rolle der fiktiven Staatsanwältin Esther Katz, die gegen den Willen ihrer Eltern ihre Arbeitsstelle in Bauers Team antritt. Schnell bekommt sie ihren ersten von insgesamt zwei Fällen: Den Mord am Rentner Hans Naumann, der unschuldig von Nazis hingerichtet wurde. Mit Hilfe ihrer Assistentin sammelt sie Beweise, verhört Zeugen und klagt am Ende die Täter vor Gericht an.
Detailreiche Tätersuche
Spielerisch ähnelt "The Darkest Files" einem Mix aus Visual Novel und Anwaltsspielen wie "Ace Attorney". Bei jeder Zeugenaussage analysiert Esther in der Ego-Perspektive den Tatort und sammelt wie in einem Wimmelbildspiel Beweise, die sie bei ihren Schlussfolgerungen einsetzt. Beispielsweise ordnet sie die Tatwaffe der Dienstnummer des Täters zu oder entlarvt Widersprüche in den einzelnen Zeugenaussagen. Mit jeder Aussage verändert sich die Perspektive und plötzlich werden andere Details wichtiger, die eine neue Theorie eröffnen.
"The Darkest Files" angespielt (5 Bilder)

heise online
)Auf einer Karte des Tatorts rekonstruiert Esther den Tathergang. Wer verhörte das Opfer? Wo befanden sich die Beteiligten? Wer gab den tödlichen Schuss ab? Oft gibt es Widersprüche. Die Antworten finden sich dann im Kleingedruckten, wenn es etwa heißt, dass ein Polizist nach der Verhaftung im Krankenhaus landete oder eine Lungenkrankheit auf einen starken Raucher hindeutet.
Vor Gericht verteidigt Esther ihre Theorien. Falls die Verteidigung Einspruch erhebt, muss die Staatsanwältin Beweise vorlegen oder ihre Vorwürfe zurückziehen. Ein Erfolg ist nicht garantiert. Im zweiten Prozess brach bei unseren Spielstunden die ganze Anklage zusammen. Wer will, kann den ganzen Fall komplett neu starten oder sich die wahre Geschichte hinter den Fällen anhören. Nur die Namen wurden dabei geändert. Wir empfehlen, nach jedem Handlungsfortschritt zu speichern.
Aufs Nötigste reduziert
Paintbucket hat diese Geschichte visuell minimalistisch inszeniert. Wir bewegen uns in der Egoperspektive durch das BĂĽro oder den Tatort. Passend zum Thema ist alles trist in schwarz-weiĂź gehalten. Einige Szenen erinnern dabei an eine animierte Graphic Novel. Manchmal ist es etwas mĂĽhsam, immer wieder den gleichen Weg zum Konferenzraum zu laufen oder auf dem Schreibtisch zwischen Fallakte oder Beweistafel an der Wand zu wechseln.
Minimalistisch ist auch der Spielumfang. Ganze zwei Fälle inklusive eines kurzen Epilogs darf Esther verhandeln. Nach knapp fünf Stunden ist Schluss und der Wiederspielwert gering. Wer den leichteren Schwierigkeitsgrad "Story" wählt, dürfte schneller durch sein. Schade, liegen doch im Aktenschrank des Büros einige Fälle, die auf mehr Spielumfang hindeuten. Ob "The Darkest Files" Erweiterungen erhält, ist momentan nicht bekannt. Im Hinblick auf den internationalen Markt gibt es nur eine englische Sprachausgabe und wahlweise deutsche Untertitel. Verständlich, aber angesichts des Themas etwas ungewohnt.
Eine Gänsehaut-Garantie bleibt dennoch. Denunzianten, die sich über die Herkunft der Nachbarn aufregen; Nazis, die für ihre menschenverachtende Ideologie junge Frauen foltern oder einfach die Beschreibung der prekären Lebenszustände am Ende des Dritten Reichs werfen einen schockierenden Blick auf die deutsche Vergangenheit. Zusammen mit den Spielern offenbart Esther die dunkle Seele des deutschen Bürgertums, das mithalf, eines der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte durchzuführen. Eine bittere Geschichtsstunde zum Spielen.
Fazit
"The Darkest Files" ist ein schmerzhaftes Stück Erinnerungskultur. Die Suche nach der Wahrheit erfordert Geduld und bietet nicht immer eindeutige Lösungen. Die Steuerung ist manchmal umständlich, und die eigenwillige visuelle Umsetzung wird nicht jedem Spieler gefallen. Dennoch machen die Schicksale der Opfer betroffen und nachdenklich. Es sind nicht die großen spektakulären Fälle, sondern die Einzelschicksale, die in der Nazizeit alltäglich waren. "The Darkest File" ist eine Mahnung vor dem Vergessen. Eine Erinnerung an die Vergangenheit, um die Zukunft zu verbessern.
"The Darkest Files" ist für Windows und macOS erschienen. USK ab 12. Es kostet ca. 20 €. Für unseren Text haben wir die Windows-Version gespielt.
(dahe)