Votum der Bundesregierung gegen Softwarepatente gefordert

Der Widerstand gegen die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen wächst -- eine parteiübergreifende Koalition scheint möglich. Die Spitzenpolitik scheint Patente dagegen weiter uneingeschränkt als Innovationsmotor anzusehen.

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Der Widerstand gegen die Richtlinie zur Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen wächst an der Basis -- eine parteiübergreifende Koalition scheint möglich. Die Spitzenpolitik scheint Patente dagegen weiter uneingeschränkt als Innovationsmotor anzusehen.

An der politischen und wirtschaftlichen Basis wächst weiter der Widerstand gegen die umstrittene Richtlinie des Rates der Europäischen Union zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen". So hat die Münchner SPD auf Antrag der Jusos mit großer Mehrheit beschlossen, die Bundesregierung und das Parlament zu einem "eindeutigen Votum gegen Softwarepatente" aufzufordern. Insbesondere sollen die Abgeordneten klarstellen, dass die Brüsseler Softwarepatentrichtlinie in ihrer momentanen, noch einmal vom neu gewählten Europaparlament zu behandelnden Fassung "gegen die innovativsten Teile der deutschen Wirtschaft gerichtet ist". Die Münchner drängen weiter darauf, dass sich Berlin hinter den im September 2003 vom Europaparlament verabschiedeten Entwurf stellt, da dieser der Patentierung von Computerprogrammen klare Grenzen setzte.

Mit der Rückendeckung der Münchner SPD könnte sich im Bundestag eine parteiübergreifende Mehrheit gegen den Zickzack-Kurs des Bundesjustizministeriums in Fragen Softwarepatenten abzeichnen. In Teilen der Bundes-SPD ist schon jetzt die Verstimmung über das letztlich doch gegebene "Ja" der Regierung zur Richtlinienfassung des Ministerrats groß. Zudem hat die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen einen umfangreichen Beschluss gegen die Entscheidung des EU-Rates abgesegnet. Die Grünen haben wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sie Softwarepatente generell ablehnen. Ein Antrag der FDP, wonach das Parlament die Bundesregierung für ihr Votum in Brüssel missbilligen soll, hat damit Aussicht auf Erfolg. Er wird vor der nächsten Woche beginnenden Sommerpause des Bundestags aber voraussichtlich nicht mehr zur Abstimmung kommen.

Gemeinsam ist den Kritikern der Linie des Justizministeriums die Sorge, dass zahlreiche der vom Europäischen Patentamt auf Grund einer weiten Auslegung der Rechtslage bereits verliehenen Softwarepatente rechtlich durchsetzbar würden. Dies könnte "fast die gesamte IT-Branche, insbesondere Open-Source-Initiativen, zu Patentverletzern" machen, fürchtet die Münchner SPD. Sie wäre von der geänderten Rechtslage selbst betroffen, da sie gemeinsam mit den Grünen die komplette Umstellung der Computerlandschaft der bayerischen Landeshauptstadt auf freie Software vorantreibt.

Auch die rund 1000 Teilnehmer an einer Demonstration gegen Softwarepatente während des LinuxTages in Karlsruhe setzten am vergangenen Donnerstag ein lebhaftes Zeichen für die Empörung über die Bedrohung des IT-Mittelstandes durch die Brüsseler Richtlinie. Es war die bisher größte Kundgebung gegen die Ausweitung des Patentsystems auf den Bereich von Computerprogrammen, Algorithmen und elektronischen Geschäftsmethoden. Die Demo zeigt für Georg Greve, Präsident der Free Software Foundation Europe (FSFE), "dass der Groll gegen eine Politik, die der Patentbürokratie hörig ist, noch gesteigert werden kann". Die Software-Entwickler würden nach und nach begreifen, dass ihre Existenzgrundlage in Gefahr gerate. Nun stehe ein Kampf ums Überleben aller an, "die besser Software schreiben können als Patentschriften." Die Politik müsse sich überlegen, ob sie eine Zukunftsbranche strangulieren wolle.

Ein Nachdenken über die Sinnhaftigkeit der Erweiterung des Patentsystems auf einen Bereich, der sich nach Meinung zahlreicher Experten stärker auf Ideen an sich als auf reine technische Erfindungen für industrielle Anwendungen bezieht, scheint bei der Bundesregierung und im traditionellen deutschen Patentsystem allerdings nur am Rande stattzufinden. So wollen sich am kommenden Dienstag im Deutschen Museum in München Bundeskanzler Gerhard Schröder, Justizministerin Brigitte Zypries, Siemens-Chef Heinrich von Pierer sowie der neue Chef des Europäischen Patentamtes, Alain Pompidou, zusammen mit weiteren Spitzen aus Politik, Wirtschaft, Forschung und gewerblichem Rechtsschutz treffen, um auf einem Symposium die Notwendigkeit des Schutzes geistigen Eigentums für die Innovation zu betonen. Das einladende Deutsche Patentamt hielt Kritiker bei der weitgehend hinter verschlossenen Türen stattfindenden Veranstaltung größtenteils außen vor. Eine erneute Demonstration von Softwarepatentgegnern war anfangs geplant, nun will der FFII angesichts des Veranstaltungsorts eine Mahnwache abhalten. (Stefan Krempl) / (jk)