Weniger Anzeigen, mehr Klicks

Microsofts Suchmaschine Bing verfeinert ihr Vorhersagemodell: Clevere Sofware berechnet, auf welche Werbung die Nutzer am häufigsten anspringen werden.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Duncan Graham-Rowe

Microsofts Suchmaschine Bing verfeinert ihr Vorhersagemodell: Clevere Sofware berechnet, auf welche Werbung die Nutzer am häufigsten anspringen werden.

Die Nutzer von Bing werden es vermutlich nicht bewusst wahrnehmen, doch die Microsoft-Suchmaschine tendiert dazu, weniger Anzeigen neben ihren Suchergebnissen zu platzieren als ihre Rivalen. Einer der Gründe dafür mag die Tatsache sein, dass die meisten Werbetreibenden ihre Anzeigen noch immer lieber bei Google buchen. Doch Microsoft hat auch noch eine andere Erklärung parat: Der IT-Konzern setzt neuartige Techniken aus der Künstlichen Intelligenz ein, mit denen stets nur die relevantesten Anzeigen ausgeliefert werden.

Das System namens "AdPredictor" wird wohl bald noch deutlich breiter getestet werden als bisher – der Portalriese Yahoo ist derzeit dabei, seine Suchmaschine auf Bing umzustellen. Im Zuge dieser Marktoffensive lüfteten Microsoft-Forscher nun erstmals einige der Geheimnisse der Algorithmen, mit denen Bing Nutzer und werbetreibende Industrie glücklicher machen will als die Konkurrenz.

Auch wenn User sie nicht selten nervig finden – die Anzeigen, die neben Suchergebnissen erscheinen, sind für die Online-Wirtschaft enorm wichtig. Mehr als 25 Milliarden Dollar Umsatz generierten sie in den USA im letzten Jahr. Das meiste Geld davon floss Google zu – dort werden laut der aktuellen ComScore-Statistik fast 63 Prozent der Suchanfragen aus amerikanischen Haushalten beantwortet. Microsoft hofft nun, durch seine Partnerschaft mit Yahoo einen größeren Anteil vom Werbekuchen abschneiden zu können.

Dabei ist besonders wichtig, dass die Suchanzeigen-Algorithmen möglichst relevante Reklame ausliefern. Denn nur dann ergeben sich mehr Klicks – und deutlich mehr Umsatz – pro Ergebnisseite. Es hilft nichts, eine Seite mit mehr Werbung zuzukleistern – das bringt nicht notwendigerweise mehr Geld ein.

Um vorherzusagen, wie viele Klicks eine Anzeige erhalten sollte, analysieren Microsofts Algorithmen Trends aus den letzten Monaten, um zu ermitteln, was die Nutzer früher taten, wenn Anzeigen passend zu einem bestimmten Suchbegriff auftauchten. Bislang wurde dies über relativ einfache Regeln in der Such-Software bestimmt: Beispielsweise erschien bei der Eingabe des Suchbegriffes "Auto" Reklame für Firmen, die kostengünstige Ölwechsel anboten.

Bing nutzt nun Software aus dem Bereich des maschinellen Lernens. AdPredictor wurde von dem Microsoft-Wissenschaftler Joachin Quinonero Candela entwickelt, der in Cambridge forscht. Die Technik basiert auf Bayesschen Modellen, einer KI-Technik, die den Algorithmen hilft, ständig frische Daten zur Kalkulation der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses (hier: dem Werbeklick) zu integrieren. Im Bereich Suchanzeigen analysiert AdPredictor, wie oft eine Anzeige geklickt wird – und zwar unter den unterschiedlichsten Bedingungen, wie Quinonero Candela erklärt. Anzeigen, die zu Autos passen, ändern sich dann beispielsweise je nach Tageszeit, dem Ort, von dem eine Person aus sucht oder der konkreten Platzierung einer Anzeige. (Wie genau die Schaltung dadurch beeinflusst wird, will der Forscher allerdings nicht verraten – Geschäftsgeheimnis.)

Das Ergebnis sei jedenfalls, dass Bing es sich leisten könne, weniger Anzeigen zu bringen, meint Quinonero Candela. Die Wahrscheinlichkeit, dass das, was auf einer Seite an Reklame untergebracht wurde, geklickt wird, sei einfach höher. "Wenn wir versuchen, die Genauigkeit unserer Vorhersagen zu erhöhen, läuft das darauf hinaus, dass wir versuchen, die Nutzer weniger zu nerven und gleichzeitig die Werbetreibenden zufriedenzustellen."

Tatsächlich hat sich die so wichtige Click-Through-Rate seit Einführung von AdPredictor laut den Marktforschern von Didit bei Bing verdreifacht, wenn man sie mit dem Vorgängerangebot von Microsoft, der Suchmaschine Live Search, vergleicht. Und laut einer aktuellen Analyse des Werbespezialisten Adgooroo generiert Bing mittlerweile 3,85 Anzeigen pro Suchbegriff, verglichen mit 5,72 bei Google – auch wenn nicht klar ist, ob das vor allem an der Vorliebe der Werbetreibenden für Google liegt. (Auch der Suchmaschinenriese betreibt Optimierungstechniken – welche das sind, verrät er allerdings nicht.) Wenn Bing nun zu Yahoo kommt, dürfte dort die relativ hohe Anzeigenrate (momentan 6,85 pro Suchbegriff) höchstwahrscheinlich heruntergehen.

Ein wichtiges Element von AdPredictor: Das System lernt im laufenden Betrieb, online, mit den jeweils neuen Daten. Im Gegensatz dazu gibt es laut dem KI-Experten Qi Guo von der Emory University auch Algorithmen aus dem Bereich des maschinellen Lernens, die zunächst alle Daten bräuchten, bevor sie ihr Modell aufbauen könnten. Der Ansatz, den Bing nun verfolge, sei deshalb durchaus etwas Neues im Web. (bsc)