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was war. was wird.

Klein, klein, klein, sind alle sommerlöcher -- aber nicht so klein, daß nicht doch noch ein großer aufreger hineinpaßte. Was das nun wieder mit it zu tun hat? Viel und wenig, meint Hal Faber.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die wochenschau von Hal Faber den blick für die details schärfen: die sonntägliche wochenschau ist kommentar, ausblick und analyse. Sie ist rück- wie vorschau zugleich.

was war.

*** Was war, wird wieder, keine frage. In einem sommerloch passieren die merkwürdigsten dinge. Das mag an der dunklen natur eines loches liegen oder am wetter, das die hirne aufweicht. In einem jahr wird das inkrafttreten der rechtschreibreform von 1998 abgeschlossen sein, die vor allem ältere gemüter beunruhigt. So ist es nicht verwunderlich, wenn Spiegel und Bild den großen rückzug proklamieren. Ihre leser sind überaltert, wie es die FAZ in der trefflichen selbstdiagnose vom methusalemkomplott schon früher erkannte. Belustigend wie immer ist die kriselnde Süddeutsche Zeitung. Dort, wo bald jeder fünfte seinen arbeitsplatz verlassen muß, folgt man den einknickern in Hamburg und Berlin, doch nicht so richtig. Im kleingedruckten steht der hinweis, daß man bei dass/daß die reform für große klasse hält. Nu denne, jede publikation hat das recht, ihre kern-leser zu bedienen. Denn jede zeitung ist abhängig, von der software, vom leser und, wie gesagt, vom wetter. Das gilt auch für newsticker, die melden, wenn in China ein schmetterling gegen ein XP SP2 fliegt und daraufhin ein sack reis ....

*** Die rechtschreibreform gekippt, das service pack draußen und die welt kann aufatmen: Nun bricht wirklich das große chaos aus, ein basar quelloffener rechtschreibung, in dem die deutschlehrer in unseren schulen längst resigniert haben. Die Schweizer und Österreicher lachen sich derweil über die piefkes schlapp. Deutschland und reformen, das sind inkompatible größen. Eher schon geht Windows und sicherheit zusammen.

*** Einige der schönsten texte zur reform kamen in der Zeit von Dieter Zimmer. In der aktuellen nummer der zeitung träumt Edelgard Bulmahn davon, auf einem planet des wissens zu leben: "Ich träume davon, auf lebewesen zu treffen, die ihren wissensdurst auf eine andere weise stillen, als wir es derzeit tun." Bildungs-Eddie muß nach dem debakel mit den jungprofessoren offenbar einen großen durst stillen. Da kann die Süddeutsche mit gefährlich neuer rechtsschreibung beruhigen. In 20 jahren ist der kontakt da. 10.000 sender intelligenter wesen soll es da draußen geben, meint der SETI-chef, doch hören wir nicht viel von ihnen, weil sie vielleicht nur ätzende musik senden. Im gegenzug will er den kompletten inhalt von Google ins all jagen, damit die anderen ihren durst stillen können. Welch grandiose perspektiven! Ab sofort werde ich nur noch suchmaschinenoptimierte kommentare zur woche schreiben.

*** Sieht man von der aufregenden töpperwienoptimierten berichterstattung zum service pack ab, so sind es die patente, die in dieser woche die schlagzeilen bestimmten. Es begann mit der nicht ganz uneigennützigen entdeckung von 283 patenten in Linux, schwang sich zu internationaler beachtung mit den geschichten über ein Münchener patent-debakel auf, und endete vorläufig in einem journalistischen debakel erster ordnung, ohne daß dabei die rechtsschreibung schuld ist: Patente gibt es in offenen wie geschlossenen umgebungen. Wer das verstehen will, muß allerdings mehr können, als Klaus-Urs Frickel ohne quellenangabe zu zitieren. Und wer in Deutschland als bundeskanzler die patente verteidigt, sollte auch mal die auslandspresse lesen. In der Neuen Zürcher Zeitung steht es, mit neuer rechtsschreibung geschrieben, daß der geschickte einsatz von patenten wettbewerbsvorteile durch temporäre monopolgewinne bringt. Das wort innovation kommt im bericht nicht vor.

*** In den deutschen kinos ist "I, Robot" angelaufen, ein film mit eben jenen maschinen, die bald den homo s@piens abgeben, der nicht nur in der weiter oben verlinkten meinung des SETI-chefs wesentlich einfacher den raum durchqueren kann. Dichten können sie ja schon ganz patent, jedenfalls besser, als die filmkritiker filme beschreiben können. Sie nehmen einen "hausbackenen rassimus" wahr, weil sie die robotergesetze nicht kennen oder verstehen wollen. Denn die crashtestdummies aus muranoglas kennen noch das nullte gesetz, das Asimov beiläufig als rettung der menschheit einführte. In jedem chip steckt also der befehl, daß der mensch ein automat werden muß, in jedem mensch der wunsch, als solcher in die geschichte einzugehen. Empfehlenswerter als der film ist jedoch ein buch, das nunmehr neu aufgelegte automatenzeitalter aus den 30er jahren, das vom aufstand der homaten erzählt und keine scheu vor sex mit robotern hat, dem kleinen dreckigen geheimnis des turingtests. Womit das gute alte computerschach auch wieder zu ehren kommen darf.

*** Ein blick auf die historischen zeittafeln belehrt uns, daß vor 40 jahren von den USA die Tonkin-resolution verabschiedet wurde, mit der der Vietnamkrieg richtig angeheizt wurde und die armee beginnen konnte, den weltfrieden ordentlich herzustellen. Wenn der feind verschlagen und heimtückisch ist, so können wir das auch sein, wenn er niemals stoppt, sich gedanken darüber zu machen, wie unser land verletzt werden kann, so können wir das auch. Inzwischen wird landauf, landab davon berichtet, wie Bruce Springsteen und andere künstler ihre gitarren gegen Bush in stellung bringen, doch es gibt auch, ähem, ausgesprochen lässige kampagnen. Ein weiteres datum aus der US-amerikanischen geschichte ist die fernsehansprache von Richard Nixon vor 30 jahren, in der er seinen rücktritt erklärt. Im zuge des Watergate-skandals wurden mehr als 30 enge mitarbeiter von Nixon ins gefängnis geschickt für das, was historiker heute als "unsinnige überwachungsmaßnahme" bezeichnen, eine von vielen bespitzelungen, die alle US-präsidenten betrieben. Nixon sei erwähnt, weil kollege Dan Gillmor in seinem neuen buch der festen überzeugung ist, daß der nächste Watergate-skandal von einem unbeirrten blogger aufgedeckt wird.

was wird.

Im rechtschreibtechnisch frisch renovierten sommerloch sind die computerthemen knapp. Die atemberaubende entwicklung von Microsofts flicken 2 ist vorüber, warnungen bleiben aus, denn Sicherheit wird ab sofort gegen jede regel großgeschrieben. Dennoch werden auch im laufe der nächsten woche die nachrichten auf der perlenschnur des leben^h^h^h^h^h Heisetickers aufgezogen werden. 130 können da schon in einer woche zusammenkommen. Absehbar ist also, daß die magische zahl 50.000 übersprungen wird, auch wenn sie kaum magie, sondern eine eher zufällige datenbanknummer ist, die auch die nummern von nachrichten einschließt, die niemals veröffentlicht wurden. Z.b. diese nachricht aus der letzten woche, daß nackte nachrichten auch nach Europa kommen, auf französisch nachrichten machen und c't magazin.tv darauf die passende alles entblätternde antwort gibt. Diese coole nachricht ging, wie manches andere, nach dev/muell.

Dennoch rangeln und scharren die unterschiedlichsten fraktionen, eine nachricht mit der ordnungsnummer 50.000 zu landen. Die wackeren streiter der Wikipedia haben horchposten gesetzt und halten nachrichten parat, die meisterdenker wollen mit der zillivisation kontern. Ich empfehle den intentionellen klassiker, doch ist es immer möglich, daß etwas ganz großes mit dem service pack passiert und die redaktion liefern muß, bis sich die balken der server biegen. "DigiGirlz fallen in ohnmacht" beim blick auf das service pack, wäre etwas in der richtung, gegen die jedes almluder schwächelt und jeder troll von troy still seine fliegen zählt.

"Das von der Kultusministerkonferenz beschlossene Update der Reform ist ein Patch, das kaum einen Programmierfehler wirklich behebt." Einen moment lang glaubte ich, daß von Microsoft die rede ist. Aber mit dem cheffe aller Niedersachsen wissen wir seit letzter woche: Den reset-knopf, den gibt es nur in der rechtsschreibung.

In der hitze der nacht darf ich noch einmal daran erinnern, daß in der nächsten woche der große Heise-Woodstock-wettbewerb zu ende geht. Bei den songs führt momentan Richie Havens, bei den Betriebssystemen FreeBSD, doch ist beides als kombination noch nicht der gesuchte superhit. Die heiße phase hat also angefangen, der phantasie sind keine grenzen gesetzt. Blogger dürfen teilnehmen und sogar bobos sind mit von der partie. Retten wir nachfolgende generationen nicht mit der rechtsschreibung, sondern mit guter mucke. (Hal Faber) / (jk)