Das Metallproblem

Europa ist arm an seltenen Metallen – ohne die fällt aber die Cleantech-Revolution aus. Eurometaux und das Öko-Institut haben deshalb eine Metall-Recycling-Strategie für die EU entworfen.

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Von
  • Niels Boeing

Es ist inzwischen Common Sense, dass in diesem Jahrzehnt die Weichen für eine Cleantech-Revolution gestellt werden müssen. Erneuerbare Energien, Elektromobilität und Effizienz durch Vernetzung sind die Eckpfeiler einer neuen Wirtschaft, die nicht länger einfach nur fossile Rohstoffe verfeuert. Wenn die Industrie erst einmal wie selbstverständlich "grüne" Produkte herstellt und die Verbraucher sie in Massen nachfragen, sollte es doch nicht so schwierig sein, dorthin zu kommen – wenigstens in der EU. Schließlich bietet sie beste Voraussetzungen: fortschrittliche Gesetze zur Förderung sauberer Energien, eine innovative Industrie, ehrgeizige Ziele für den Klimaschutz und alles in allem willige Verbraucher. Leider, und das ist vielen noch nicht bewusst, ist eine wichtige Zutat in Europa sehr knapp: die seltenen Metalle.

Wir brauchen jedoch mehr Aluminium für den Leichtbau; mehr Kupfer, Indium, Gallium, Germanium für Elektronik und Photovoltaik; mehr Kobalt, Lithium und seltene Erden für Akkus; mehr Platin, Palladium und Rhodium für Katalysatoren. Zwar ist die Recycling-Quote für diese "green minor metals" zum Teil schon beachtlich. Bis zu 60 Prozent beträgt sie bei einzelnen Metallen. Zugleich verschleudert die EU diese Rohstoffe aber, wenn sie Elektronikschrott und Altautos en masse exportiert. Von 1999 bis 2008 ist etwa der Export von Kupfer-haltigem Schrott nach China um rund 600 Prozent auf knapp 800.000 Tonnen pro Jahr gestiegen.

Mehr noch: Die EU beschert Entwicklungs- und Schwellenländern mit diesem Export ein ernsthaftes Umweltproblem, wenn etwa die Schwermetalle aus den Katalysatoren schrottreifer Autos sich im Straßenstaub afrikanischer Städte sammeln – von den Gesundheitsgefahren des Lowtech-Recyclings gar nicht zu sprechen.

Um diesen Missstand abzustellen, haben nun der Verband der europäischen Nichteisen-Metallindustrie Eurometaux und das Öko-Institut zehn Empfehlungen an die EU-Kommission formuliert. Dazu gehört unter anderem, den weiteren Export von Elektronik- und Autoschrott drastisch einzuschränken. Es ist bemerkenswert, wie sich hier die Perspektive verändert hat: Was von Umweltorganisationen seit langem angemahnt wurde und auf taube Ohren stieß, wird nun zu einer strategischen Maßnahme für die europäische Industrie.

Weiter empfehlen Eurometaux und Öko-Institut, die Recycling-Forschung auszuweiten, die Rücknahme von metallhaltigem Abfall zu verbessern und ein System zu entwickeln, mit dem dieser genau verfolgt und statistisch erfasst werden kann. Besonders interessant finde ich zwei Empfehlungen: den "Best of two worlds approach" und das "Eco-Leasing".

Beim ersteren sollen Recycling-Unternehmen in der EU mit kleinen Firmen – vor allem in Afrika – zusammenarbeiten, um dort ein Metallrecycling aufzubauen, das effizient und umweltverträglich ist. Denn während die Rückgewinnungsquote von Metallen in europäischen Betrieben bei 95 Prozent liegt, beträgt sie in den berüchtigten Hinterhofklitschen der südlichen Länder zum Teil nur 25 Prozent. Als Vorbild nennt der Report das geordnete Blei-Recycling aus alten Batterien im Senegal. Das Blei wird anschließend zu Marktpreisen wieder nach Frankreich importiert.

Beim Eco-Leasing sollen wichtige Metalle, die in langlebigere Produkte eingebaut werden, nicht wie bisher als Fertigteile verkauft werden. Stattdessen könnten neue "Metalldienstleister" entstehen, die am Ende des Lebenszyklus auch Ausbau und Rücknahme der Metallteile übernehmen. Ein Beispiel ist Aluminium: Fensterrahmen in Gebäuden oder Karosserieteile in Autos landen nicht mehr auf dem Schrottplatz, sondern werden von einem "Alu-Leasing-Dienst" zurückgenommen und wieder aufbereitet.

Freilich ist der Report nicht nur vom Geist der Nachhaltigkeit beseelt. So weist Eurometaux etwa darauf hin, dass einige metallproduzierende Länder WTO-widrige Exportzölle auf die begehrten Elemente erheben würden, oder dass China aus europäischem Schrott billig an seltene Metalle komme, um sie in Exportprodukte einzubauen, deren Dumpingpreise dann der europäischen Industrie das Leben schwer machten.

Eigentlich sollte es doch niemanden wundern, dass aufstrebende und rohstoffreiche Länder seltene Metalle zuerst selbst verbrauchen wollen und sich nicht um die Bedürfnisse der Europäer scheren. Und bevor die EU bei der WTO vorstellig wird, wäre es sicher nicht schlecht, wenn sie erst einmal ihr eigenes Lebensmittel-Exportdumping einstellt.

Offen bleibt zudem, wie viel technisches Recycling-Knowhow die EU in die Länder des Südens abgeben will. Beim Lesen des Reports kann man den Eindruck gewinnen, dass nur die Vorverarbeitung ausgelagert werden soll, während das eigentliche Recycling in Europa stattfinden und der EU zu einem weiteren Standortvorteil verhelfen soll.

Das ändert aber alles in allem nichts daran, dass die Empfehlungen zur rechten Zeit kommen. Denn Europa hat ein Metallproblem. Wenn es das nicht löst, fällt die Cleantech-Revolution aus.

Weitere Studien und Präsentationen zum Thema seltene Metalle gibt es auf der Seite www.resourcesfever.org des Öko-Instituts. (nbo)