Virtuelle Grabpflege

Was passiert mit Internet-Inhalten, wenn der Ersteller verstirbt? Wer schließt das Weblog, wer die E-Mail-Accounts? Mehrere US-Firmen bieten Dienste an, die die Hinterbliebenen diese Aufgaben erleichtern sollen.

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Was passiert mit Internet-Inhalten, wenn der Ersteller verstirbt? Wer schließt das Weblog, wer die E-Mail-Accounts? Mehrere US-Firmen bieten Dienste an, die die Hinterbliebenen diese Aufgaben erleichtern sollen.

Ein bisschen makaber ist es ja schon, sich bereits vor dem Tod darum zu kümmern, was mit den eigenen Internet-Inhalten nach selbigem passiert. Schließlich will kaum jemand mit der Tatsache konfrontiert werden, dass das Leben endlich ist - schon gar nicht in Verbindung mit so etwas modernem und scheinbar alterslosem wie dem Netz, in dem der Mensch scheinbar zum Datensatz transzendiert.

Dabei kann das virtuelle Erbe durchaus signifikante Bedeutung haben. Je mehr wichtige Daten Menschen im Internet ablegen, umso wichtiger ist es, dass ihre Angehörigen nach dem Ableben der geliebten Person die Möglichkeit haben, virtuelle Grabpflege zu betreiben - das Facebook-Profil zu löschen, alte E-Mails mit möglicherweise entscheidenden Informationen abzurufen, Bilderarchive bei Flickr einzusehen oder der Welt einfach über den Twitter-Kanal des Verstorbenen mitzuteilen, dass sie oder er von uns gegangen ist.

Mehrere amerikanische Online-Firmen haben sich mittlerweile darauf spezialisiert, Angehörigen die Verwaltung des digitalen Erbes zu erleichtern. Sie nennen sich "Asset Lock" ("Schloss für den Nachlass"), "Deathswitch" ("Todesschalter") oder "Legacy Locker" ("Vermächtnis-Schließfach") und haben alle das Ziel, gegen eine mehr oder weniger hohe Gebühr wichtige digitale Informationen zu sichern, die im Todesfall des Kunden dann an die Angehörigen oder eine andere auserwählte Person weitergegeben werden.

So bietet "Legacy Locker" für 30 Dollar im Jahr (300 für das ganze Leben) die Möglichkeit, alle wichtigen Online-Dienste-Zugänge an einem zentralen Ort zu speichern. Laut dem Anbieter aus San Francisco wird all das mit höchster Sicherheitsstufe verschlüsselt und verwaltet - egal ob es der Zugang zum eigenen Blog, der iTunes-Account mit der Musiksammlung, das Berufsprofil bei LinkedIn oder das Postfach bei Google Mail ist. Dann muss der Nutzer noch einen oder mehrere Empfänger definieren und klären, wer von diesen welche Zugänge erhalten soll. Im Todesfall können sich die Angehörigen dann an den Dienst wenden und mit Hilfe des Totenscheins Zugriff auf die vorher festgelegten Daten erlangen.

"Deathswitch" funktioniert etwas anders. Hier geht es darum, seinen Angehörigen wichtige Informationen im Todesfall zu übermitteln - etwa Dinge, die man ihnen immer schon einmal sagen wollte. Dazu bedient sich der Anbieter, der auch einen Passwortspeicher anbietet, einer Art "Totmanntaste": Der Dienst fragt regelmäßig Zugangsdaten vom Nutzer ab, die dieser innerhalb einer bestimmten Zeit liefern muss, um als "noch am Leben" zu gelten. Reagiert sie oder er nicht, nimmt "Deathswitch" an, dass der Kunde verstorben ist - und es werden die zuvor gespeicherten Nachlass-E-Mails an die gewünschten Empfänger abgesendet. Für diese "Sicherheitsschaltung" verlangt der Anbieter 20 Dollar pro Jahr, bietet aber immerhin eine Botschaft gratis an.

"Asset Lock" arbeitet wiederum als eine Art elektronisches Schließfach, das ein wenig wie ein Notar funktioniert. Der Nutzer hinterlässt ihm wichtige Daten, etwa zu Besitztümern oder gewünschten Erbverteilschlüsseln, und hinterlegt sie dann bei dem Angebot. Beworben wird der Dienst unter anderem damit, dass er sicherer sei als das Ablegen des Testaments einfach im Schreibtisch. Ganz billig ist das Angebot auch hier nicht: 80 Dollar im Jahr, 240 Dollar für die Lebenszeit in der höchsten Angebotsstufe mit 5 Gigabyte Speicherplatz. "Wo ist der Schlüssel zu Ihrem Bankschließfach? Was ist Ihre Schrankkombination im Fitnessclub?", fragen die "Asset Lock"-Betreiber. "Wir organisieren Ihr Leben für Sie, so dass die wichtigen Dinge für diejenigen, die sie brauchen, im Falle eines plötzlichen Todes vorhanden sind."

Egal für welchen Dienst sich ein Nutzer dann letztlich entscheidet (möglicherweise tut es ja auch einfach ein an einem bestimmten Ort abgelegter Brief mit allen Passwörtern) - dass der Tod Teil des Netzes ist, kann man inzwischen selbst bei hippen Web 2.0-Angeboten wie Twitter mitbekommen. Bill Mays, ein bekannter amerikanischer Fernsehwerber, versorgte seine Fans regelmäßig über den Kurznachrichtendienst mit neuesten Infos. Seine letzte Nachricht war der Hinweis, dass er gerade eine schwere Flugzeuglandung mit geplatzten Reifen hinter sich hatte. Etwas später verstarb er an einem Herzinfarkt. Sein Sohn führt seither seinen Twitter-Kanal weiter. (bsc)