Google Street View sorgt weiter für Erregung

Grüne Politiker wollen den Suchmaschinenkonzern für die Privatisierung des öffentlichen Raums durch seinen Straßenansichtsdienst zur Kasse bitten. Auch andere Volksvertreter und Datenschützer bleiben gegenüber Street View skeptisch.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der für Ende des Jahres geplante Start von Google Street View mit 20 deutschen Städten erhitzt weiter die Gemüter von Politikern, Datenschützern und Grundbesitzern hierzulande. Bei den Grünen etwa gibt es Stimmen, die den Suchmaschinenkonzern eventuell für die Privatisierung des öffentlichen Raums durch seinen Straßenansichtsdienst zur Kasse bitten wollen. Die Aufnahmen von Häusern und Straßenzügen seien Teil der Allmende, erklärte der netzpolitische Sprecher der Oppositionspartei im Bundestag, Konstantin von Notz, gegenüber heise online. Da könne es nicht angehen, dass eine einzelne US-Firma dieses Gemeingut an den Kommunen vorbei "auf monopolistische Weise" kommerzialisiere. Es sei daher "überlegenswert", ob Google für die Nutznießung nicht eine Art Abgabe oder Steuer zahlen solle.

Der Suchmaschinenbetreiber geht mit Street View laut von Notz an die Grenzen des deutschen Rechts. Dem Dienst könne man beispielsweise nur schwer mit Sondersatzungen im Straßenrecht beikommen, wie es einzelne Kommunen bereits versucht hätten. Auch mit dem gegenwärtigen Urheberrechtsgesetz könne man nicht argumentieren. Der Gesetzgeber müsse daher genauso innovativ an die Regulierung des Dienstes herangehen wie Google an die bestehenden rechtlichen Normen.

Hauptstoßrichtung habe dabei zu sein, eine Monopolisierung der Abbildung des öffentlichen Straßenraums im Internet zu verhindern, betonte der Grüne. Google rechne mit einem "Milliardenmarkt" bei dem Ansichtsdienst zusammen etwa mit satellitengestützten Navigationshilfen. Es wäre so wünschenswert, die Gemeinschaften, die den öffentlichen Raum schaffen und instand halten, an den potenziellen Einnahmen zu beteiligen. Eine andere Lösung des Problems bestehe darin, dass der Konzern die Street-View-Daten der Allgemeinheit zur freien Verfügung stelle.

Der Bundesregierung warf von Notz zugleich Versäumnisse dabei vor, einen entsprechenden verlässlichen Gesetzesrahmen zu schaffen. So sei unklar, was mit den Bilddaten weiter passieren dürfe. Groß wäre der Ärger, wenn Google diese Informationen mit Telefonnummern oder Schufa-Daten verknüpfe. Dass die Privatsphäre von Hauseigentümern oder Mietern direkt durch Street View verletzt wird, sieht der Netzpolitiker dagegen nicht. Er sei "schwer für die Panoramafreiheit" und wolle darauf basierende Online-Dienste nicht prinzipiell verhindern.

Die federführende Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner meldete sich aus dem Urlaub in den Alpen zu Wort. Die CSU-Politikerin forderte den Konzern auf, den Fotodienst erst freizuschalten, wenn alle Widersprüche gegen die Veröffentlichung der Bilder von Häusern und Grundstücken im Netz berücksichtigt worden seien. Meldungen per Fax oder Brief dürften nicht vernachlässigt werden. Dies werde sie genau prüfen. Ähnlich äußerte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière: "Wir müssen sehr sorgfältig darauf achten, wann Quantität in Qualität umschlägt und aus etwas Normalem, der Blick auf eine Häuserfassade mit Klingelschildern und Briefkästen, ein weltweit möglicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen werden kann", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der WAZ-Gruppe. Das von Google eingeräumte Widerspruchsrecht begrüßte er prinzipiell.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht bei dem geplanten Einspruchsverfahren, das von Montag an unter anderem über die deutsche Street-View-Seite möglich sein soll, noch Nachbesserungsbedarf. So sei bisher nicht klar, wie genau etwa Hauseigentümer verhindern könnten, dass ihr Gebäude bei dem Panorama-Dienst im Internet zu erkennen sei. Eine detaillierte Verfahrensbeschreibung liege bislang nicht vor, kritisierte Schaar in den "Ruhr Nachrichten". Die Frist sei zudem mit vier Wochen zu kurz. Gegenüber der "Saarbrücker Zeitung" äußerte Schaar, Google müsse auch eine telefonische Hotline einrichten, um Beschwerden von Betroffenen entgegenzunehmen. Weiter machte er deutlich, dass Google persönliche Identifikationsdaten, die beim Widerspruchsverfahren anfielen, nicht auf Dauer speichern oder mit anderen Informationen zusammenführen dürfe.

Der Eigentümerverband "Haus & Grund Deutschland" warnte davor, dass Street View Einblicke in die Privatsphäre von Bürgern erleichtere. "Die Google-Kamera hat die Bilder nämlich in einer Höhe geschossen, die deutlich über der Augenhöhe eines Normalbürgers liegt", monierte Verbandspräsident Rolf Kornemann. "Hecken und Zäune, die als Sichtschutz gedacht sind, wurden so umgangen." Betroffene Eigentümer, die Bilder ihrer Immobilien nicht im Internet haben möchten, sollten daher unbedingt auf das Schwärzen ihrer Häuser drängen. Es gebe aber auch Vermieter, "die es gutheißen, dass ihre Immobilie bei diesem Internetdienst zu sehen ist". So könnten sich beispielsweise potenzielle Mieter ein besseres Bild von einem Gebäude und seiner Umgebung machen.

Die Bundesregierung ließ unterdessen offen, ob sie selbst Widerspruch gegen die Aufnahme von Gebäuden für den Internet-Dienst Google Street View einlegen will. "Das Hausrecht selbst obliegt ja jedem Hausherrn, damit den Ministerien beispielsweise selbst", sagte Vize- Regierungssprecher Christoph Steegmans am Mittwoch in Berlin. Er habe aber keine Erkenntnisse über konkrete Pläne. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, "dass es vielleicht im Einzelfall Sinn machen mag an irgendeiner Installation, die die Bundeswehr betreibt". Es gebe aber keine Entscheidung. Offen ist auch, ob Kanzlerin Angela Merkel (CDU) selbst Beschwerde einlegen wird wegen Aufnahmen ihrer Privatwohnung. (jk)