Tag des Murmeltiers: Vorratsspeicherung der Telekommunikationsdaten

Die EU-Ratsinitiative will mehr als klassische Verkehrsdaten gespeichert sehen: Sie sieht die Speicherung sämtlicher beim Telefonieren, Messaging, E-Mailen oder Surfen anfallenden Daten vor. In einer Anhörung gab es heftigen Widerspruch.

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Von
  • Monika Ermert

Bundesdatenschützer Peter Schaar trat bei einer öffentlichen Anhörung der Europäischen Kommission in Brüssel entschieden gegen eine Ausweitung der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten in Europa ein. Schaar, der derzeit den Vorsitz der Artikel-29-Gruppe der europäischen Datenschutzbeauftragten innehat, reagierte damit auf die Vorschläge von England, Irland, Frankreich und Schweden, die eine neue Initiative zur Regelung obligatorischer Speicherfristen für Telekommunikationsdaten gestartet haben. Die Artikel-29-Gruppe wird Ende des Monats zur Ratsinititive Stellung nehmen.

Die Argumente beim Dauerbrennerthema Voratsdatenspeicherung sind bekannt und erprobt. "Man trifft sich von Zeit zu Zeit, und dieselben Dinge werden von denselben Leuten wiederholt", beschrieb Joe McNamee vom Brüsseler Beratungsunternehmen Political Intelligence die Debatte. Das erinnere doch stark an den "Tag des Murmeltiers". Wie auch in früheren Runden seien die Strafverfolgungsbehörden einmal mehr den Nachweis schuldig geblieben, dass die Aufbewahrung sämtlicher bei der Telekommunikation anfallender Verbindungsdaten für die Strafverfolgung notwendig sei, meinte McNamee. Das beklagte auch der Verband der Europäischen Telekommunikationsanbieter (ECTA). Ein Vertreter der ECTA zeigte sich auf Anfrage von heise online verwundert, dass nur wenige Vertreter der Strafverfolgungsbehörden zum Schlagabtaussch angetreten waren. "Jedes Mal , wenn man jemanden von deren Seite fragt, wie viele Urteile durch das Abhören der Kommunikationsdaten ermöglicht wurden, nehmen sie Reißaus …"

Ein französischer Vertreter dagegen sagte, man wisse genau, was man brauche und warum. Mindestens 12 Monate sollten die Daten gespeichert werden, längere Fristen, sogar über 36 Monate hinaus, sollen aber möglich sein. Durchaus positiv steht auch der Filmindustrie-Lobby-Verband Motion Picture Association der Sammelei gegenüber. Die gespeicherten Daten würden bei der Bekämpfung der Piraterie helfen, die häufig mit dem organisierten Verbrechen verbunden sei. Eine pauschale Speicherung aller Daten sehen aber selbst die Piratenjäger als problematisch an, denn die neue Ratsinitiative will mehr als klassische Verkehrsdaten gespeichert sehen: Sie sieht die Speicherung aller Daten zur Nutzung von öffentlichen elektronischen Kommunikationsdiensten und -netzen vor; nach Einschätzung von Experten ist die EU auf sämtliche beim Telefonieren, Messaging, E-Mailen oder Surfen anfallende Daten aus.

Neben der Artikel-29-Gruppe und der ECTA warnten eine Reihe weiterer Verbände vor der undifferenzierten Datenspeicherung, darunter die GSM Association, die International Chamber of Commerce, die International Telecoms Users und EDRI. Kritische Nachfragen kassierte die Kommission auch von T-Online, KPN, Yahoo und weiteren Unternehmen. Fragen dazu, ob nur Daten innerhalb der Union gespeichert werden sollten -- und damit die größten E-Mail-Provider wie Yahoo, Hotmail und AOL außen vor sind -- konnten Vertreter der niederländischen EU-Präsidentschaft vorerst nicht beantworten.

McNamee warnte, dass bei undifferenzierten Anforderungen zur Datenspeicherung als Folge der Netzkonvergenz viele Kommunikationsvorgänge doppelt und dreifach gespeichert würden. Kaum noch dem Grundsatz der "Angemessenheit" entsprechend sei es außerdem, dass die Daten ohne Rücksicht auf ihre Verwertbarkeit gespeichert würden. Die Angemessenheit ist der Grundsatz, der in der Europäischen Datenschutzrichtlinie als Kriterium für mögliche nationale Vorratsdatenspeicherfristen verankert ist. Zahlreiche neue Mitgliedsstaaten haben auf Grundlage dieser Regel bereits solche Fristen eingefügt, zuletzt etwa Polen, das Providern eine Frist von einem Jahr auferlegt. Ähnliche Fristen gibt es auch in der Tschechischen Republik, Ungarn und anderen neuen Mitgliedsländern. Einer der juristischen Väter der Cybercrime-Konvention, der Amsterdamer Professor Henrik Kaspersen, bezeichnete dagegen die unterschiedslose Speicherung aller Kommunikationsdaten kürzlich als Big-Brother-Aktion. (Monika Ermert) / (jk)