Blackberry-Streit wirft Schlaglicht auf Chaos im US-Patentschutz

Eine wahre Patent-Epidemie macht immer mehr Firmen das Leben schwer. Das Geschäft mit dem Schutz intellektuellen Eigentums treibt teils kuriose Blüten.

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Von
  • Christiane Oelrich
  • dpa

Rund drei Millionen amerikanische Blackberry-Nutzer blicken an diesem Freitag nervös nach Richmond im Bundesstaat Virginia: Dort entscheidet ein Richter, ob der flotte E-Mail-Dienst auf dem Handgerät, den viele aus ihrem Leben nicht mehr wegdenken können, in den USA eingestellt werden muss. Es geht um Patente.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die chaotischen Zustände im US-Patentwesen. Eine wahre Patent-Epidemie macht immer mehr Firmen das Leben schwer. Sie geben ein Millionenvermögen aus, um sich gegen angebliche Patentverletzungen zu verteidigen. Es gibt Firmen, die nur Patentrechte vermarkten und viel Geld aus erfolgreichen Klagen schlagen. Und es gibt immer mehr "Erfinder", die sich vermeintlich geniale Idee schützen lassen. Das Geschäft mit dem Schutz intellektuellen Eigentums treibt teils kuriose Blüten.

"Tierspielzeug" nannte Ross Long seine Erfindung und ließ sie 1999 patentieren. "Ein Apparat [...] mit einem Hauptteil und mindestens einem Vorsprung", heißt es darin. Das zugehörige Bild enthüllt die bahnbrechende Idee: Ein künstlicher Stock, mit dem einem Hund das Apportieren beigebracht werden kann. Mason McMullin ließ sich die Idee eines "Beerbrella" schützen, also eines Bierschirms. Und die Erfindung der Brille ohne Gestell, deren Gläser am Bodypiercing festgemacht werden, "gehört" John Rose. Sollte ein Brillenhersteller auf die Idee kommen, die Bodypiercing-Brille zu vermarkten, hätte Rose ausgesorgt. Dann wären Lizenzgebühren fällig.

Patentklagen sehen oft aus wie der Kampf von David gegen Goliath: Der mittellose Erfinder, dem mächtige Konzerne die wohlverdienten Früchte seines Genies streitig machen. Geschworenengerichte stehen meist auf Davids Seite, wie im Fall des kleinen Patentverwalters NTP gegen den kanadischen Blackberry-Hersteller RIM. Eine Jury entschied, dass von RIM angewendete Versendearten von E-Mails an Handgeräte geistiges Eigentum von NTP-Gründer Thomas Campana sind. Das Ende des Dienstes wurde verfügt, für die Vergleichsfindung aber ausgesetzt. Die Verhandlungen scheiterten.

Solche Prozesse häufen sich nach Industrieschätzungen: Von 1000 im Jahr in den 80er Jahren auf heute mehr als 2500. Die Zahl der Patente explodiert auch. Das Patentamt hat am 14. Februar das siebenmillionste Patent vergeben. "Es hat 75 Jahre gedauert, bis wir das einmillionste Patent hatten, die jüngste Million kam in weniger als einem Zehntel der Zeit zusammen", sagt Sprecherin Brigid Quinn.

Ein Grund dürfte die Technologie-Revolution sein, die endlos viele neue Anwendungen möglich macht. Doch sagen große Firmen, dass viele der heute patentierten Ideen nichts anderes sind als die Kombination von Allerweltsvorgängen mit Computer-Input.

Microsoft kämpft nach eigenen Angaben gegen rund 40 Patentklagen gleichzeitig. Der Netzwerkausrüster Cisco ging in die Offensive. Das Unternehmen meldet selbst nicht mehr wie früher ein paar hundert Patente im Jahr an, sondern mehr als 1000. "Wenn jemand ein Patent gegen uns durchsetzen will, haben wir wenigstens Ausgleichswerkzeug", sagte Cisco-Anwalt Mark Chandler der Zeitschrift "BusinessWeek".

Die Firmen fordern eine Patentrechtsreform. Der Kongress berät schon, wie die Klageflut eingedämmt werden kann. Das Patentamt, das in der Flut von Anträgen erstickt, ist auch für striktere Auflagen für Patente. Der Verband der Berufserfinder ist dagegen. Patentbesitzer sollten Rechte wie andere Eigentümer haben, sagt Verbandspräsident Ronald Riley: Zu entscheiden, wer das Gut für wie viel Geld benutzen darf.

Im Fall Blackberry hat das Patentamt pikanterweise die Patente, die NTP gegen RIM geltend macht, inzwischen für ungültig erklärt. Weil NTP dagegen aber Einspruch einlegen kann, liegt die Zukunft des Blackberry-Dienstes in der Hand von Richter James Spencer. RIM hat nach eigenen Angaben jetzt Software, die die Patente umgeht. In großem Stil getestet ist das bislang aber nicht.

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(Christiane Oelrich, dpa) / (anw)