Bundesjustizministerin fordert besseren europäischen Patentschutz

Um die Erteilung von Patentansprüchen in der EU kostengünstiger zu machen, will Brigitte Zypries den Ausbau des Systems der vom Europäischen Patentamt erteilten Schutzrechte einem eigenen EU-Gemeinschaftspatent vorziehen.

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Skeptisch hat sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries am heutigen Donnerstag in Berlin über den "letzten Anlauf" der EU-Kommission zu einem EU-Gemeinschaftspatent geäußert. Ihrer Ansicht nach erscheint es derzeit unwahrscheinlich, dass sich alle EU-Mitgliedstaaten auf einen entsprechenden Beschluss verständigen. Um der alten Forderung der Bundesregierung und der Industrie nach einem "kostengünstigeren und Rechtssicherheit schaffenden europäisches Patentsystem" gerecht zu werden, sprach sich die SPD-Politikerin stattdessen dafür aus, die Vergabeordnung der vom Europäischen Patentamt (EPA) in München erteilten europäischen Patente auszubauen.

Hauptsächlicher Streitpunkt beim Gemeinschaftspatent ist die Frage der vorgeschriebenen Übersetzungen in einzelne Sprachen der Mitgliedsregionen. Diese haben sich schon jetzt als Kostentreiber bei den "Bündeln" nationaler Patente herausgestellt, welche das EPA vergibt. Konkret setzt sich die Bundesregierung nun nachdrücklich für das baldige Inkrafttreten des Londoner Protokolls zur Reduzierung der Übersetzungskosten um durchschnittlich die Hälfte der bisherigen Ausgaben und die Verwirklichung des Streitregelungssystems EPLA (European Patent Litigation Agreement) ein. Dabei handelt es sich um zwei Zusatzübereinkommen zum Europäischen Patentübereinkommen, das die Grundlage für die Erteilung eines zeitlich befristeten Monopolschutzes für technische Erfindungen darstellt. Die bayerische Justizministerin Beate Merk hatte sich vor kurzem für die gleiche Strategie ausgesprochen.

Zypries machte ihre Bemerkungen im Vorfeld eines Gesprächs über die Fortentwicklung des europäischen Patentsystems, zu dem sie nach eigenen Angaben "Vertreter zahlreicher Wirtschaftsverbände" empfangen hatte. Anlass war die laufende Konsultation der EU-Kommission zum Patentschutzsystem in Europa. "Die Vertreter der innovativen Wirtschaft und der Forschungseinrichtungen haben heute dargelegt, dass sie zur Stärkung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit rasch Fortschritte bei der Verbesserung des europäischen Patentschutzsystems brauchen", erklärte sie in diesem Zusammenhang. Sie werde sich daher "mit Nachdruck" dafür einsetzen, die beiden Vorhaben zur "Verbesserung des bestehenden europäischen Patentsystems voranzutreiben".

Vereinigungen wie den Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), die sich wiederholt gegen eine Ausweitung des Patentsystems etwa auf Computerprogramme stark machten, hatte die Justizministerin nicht zu der Anhörung geladen. Auf die Kritik am europäischen Patentsystem aus den Reihen von Softwarepatent-Gegner, wonach die Praxis des EPAund seine Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens zu weit geht und zu viele grob gestrickte sowie innovationshemmende Trivialpatente hervorbringt, ging Zypries auch nicht ein. Die Anti-Softwarepatent-Fraktion fürchtet, dass mit den vom Justizministerium geforderten Verbesserungsvorschlägen die Vergaberichtlinien des EPA nicht konkretisiert werden und so die Hintertür für Schutzansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" offen bleibt.

Zypries muss sich daher von den Kritikern Protest gegen die Anhörung gefallen lassen. "Es ist typisch, dass die Kritiker des Europäischen Patentamts aus dem Mittelstand nicht gehört wurden, sondern nur Konzernlobbyisten und Verbände, die von Konzernen kontrolliert werden", klagt Florian Müller, Gründer der Kampagne NoSoftwarePatents.com. "Man sieht daran, dass das Bundesjustizministerium wieder einmal parteiisch die Interessen des Patentwesens wahrnimmt und dafür das Schlagwort 'Innovation' als Vorwand gebraucht." Patentkritische Mittelständler müssten sich aber auch an die eigene Nase fassen. Zum einen seien sie viel zu wenig aktiv in der Wahrnehmung ihrer politischen Interesse, zum anderen würden sie auch noch Mitgliedsbeiträge dafür bezahlen, dass gewisse IT-Branchenverbände gegen ihre eigenen Interessen arbeiten.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente in Europa und die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)